In Ruhe mit der Familie Weihnachten feiern, das wünschen sich viele Menschen zum Weihnachtfest. Wie sehen diese Tage aber für die hauptamtlichen Mitarbeitenden aus? Wie für die Mesnerinnen, Chorleiter, Organistinnen und Pfarrer, die zwischen Krippenspiel, Christmette und Familie hin und her eilen? Wir haben mit Pfarrer Markus Hammer gesprochen, der an den Weihnachtstagen mehrere Gottesdienste hält und zugleich für die Gemeindemitglieder und für seine fünfköpfige Familie da sein möchte.
Welche dienstlichen Verpflichtungen haben Sie in der Regel zu Weihnachten und welche in diesem Jahr?
Markus Hammer: An Heiligabend haben wir zwei parallel stattfindende Familiengottesdienste um 16:00 Uhr. Der eine wird komplett von Ehrenamtlichen verantwortet. Bei dem anderen bin ich mit dabei. Später ist dann um 22:00 Uhr eine Christmette. Diese haben wir aber erst vor einem Jahr eingeführt. Laut Geschäftsordnung hätten wir statt der Christmette zwei zusätzliche Gottesdienste um 19:00 und um 20:15 Uhr. Doch der Kirchengemeinderat hat sich aus zwei Gründen für das neue Modell entschieden: Zum einen wegen meiner Familie – ich habe vier kleine Kinder, zwischen 3 und 11 Jahren, die auch an Heiligabend etwas von ihrem Papa haben wollen. Zum anderen haben sich aber auch die Ansprüche in der Gemeinde verändert: Heiligabend ist ein Familienfest, und dazu passt es nicht, wenn der Posaunenchorspieler, der seinem Kind um 16:00 Uhr beim Krippenspiel zugesehen hat, um 19:00 Uhr weggerissen wird vom Familienessen, weil er jetzt in die Kirche „muss“. Ich denke, es ist auch für eine Kirchengemeinde wichtig, flexibel und offen zu sein und auf die aktuellen Bedürfnisse zu reagieren.
Wie läuft bei Ihnen zu Hause das Weihnachtsfest in der Regel ab?
Markus Hammer: Wir suchen kurz vor Heiligabend gemeinsam den Baum aus. Am 23. Dezember wird er dann von meiner Frau geschmückt und wir stellen die Geschenke unter den Baum. Nach dem Familiengottesdienst am 24. Dezember gehen wir gemeinsam ins Wohnzimmer, wo die Kinder den Weihnachtsbaum zum ersten Mal sehen. Nach der Bescherung essen wir Raclette, die Kinder spielen. Wir sind dabei zu acht, meine Schwiegereltern sind bei uns. Gegen 21:15 Uhr bereite ich mich dann für die Christmette vor.
Für mich persönlich ist die Christmette der schönste Gottesdienst, da komme ich selbst zur Ruhe. Und so geht es auch vielen Gemeindemitgliedern. Dieser späte Gottesdienst ist etwas Besonderes - wenn man sich nach dem ganzen Trubel wirklich auf die Spur des Wunders von Weihnachten begibt.
Später sitzen wir zu Hause noch ein wenig zusammen; anschließend setze ich mich an den Schreibtisch, um die weiteren Weihnachtsgottesdienste vorzubereiten. Ich habe für mich gelernt, dass ich Zeit mit der Familie verbringen möchte; das bedeutet aber auch, dass ich noch länger arbeite, wenn die Kinder im Bett sind, und vor einem Gottesdienst auch früh aufstehe, um mich vorzubereiten.
Ich könnte die Predigten auch weit im Voraus schreiben, wie es manche Kolleginnen und Kollegen tun. Jedoch ist für mich eine Predigt erst dann fertig, wenn ich sie gehalten habe, was eine frühzeitige Vorbereitung – etwa im Sommer – ausschließt. Im Lauf der Zeit habe ich dann gelernt, in der Vorbereitung mit Fragmenten und mit wenig Schlaf klarzukommen.
Nach der Heiligen Nacht mit zwei Gottesdiensten folgt der 1. Weihnachtstag. Mir ist es wichtig, dass ich beim Familienfrühstück dabei sein kann, weil einer meiner Söhne am 25.12. Geburtstag hat. Nach dem gemeinsamen Frühstück gehe ich in die Kirche. Der erste Gottesdienst ist um 9:00 Uhr, der zweite um 10:15 Uhr. Danach geht die Familienfeier weiter, mit Paten und Großeltern; am 26.12. habe ich um 10:00 Uhr einen Gottesdienst, anschließend feiern wir mit der Familie weiter. In diesem Jahr übernimmt eine Kollegin aus dem Distrikt den Gottesdienst am 2. Weihnachtsfeiertag, wofür ich sehr dankbar bin.
Alles unter einen Hut zu kriegen, ist zwar nicht immer leicht, aber trotzdem gehört der Pfarrberuf für mich nach wie vor zu den schönsten Berufen. Ich bin davon überzeugt, dass wir auch die Ideen und die Kraft dazu bekommen. Ich denke, wir sollten bei aller berechtigten Klage über anstrengende Zeiten im Beruf nicht vergessen, dass gerade der Pfarrberuf in seiner Gestaltung eine große Freiheit bietet.
Zwischen zwei Gottesdiensten oder anderen Veranstaltungen auf privat umschalten, geht das überhaupt? Und wenn ja, wie?
Markus Hammer: Das geht mal mehr, mal weniger. Da gibt es auch zwei Seiten in mir: Die eine Seite sagt: Nein, das geht nicht, du möchtest jetzt eigentlich Ruhe haben. Du willst dich gut vorbereiten auf die vielen Dienste. Daneben ist es auch anstrengend, Menschen zu begegnen. Die andere Seite sagt, du musst auch deinen Verpflichtungen als Familienvater nachkommen. Es bleibt wohl ambivalent.
Eigentlich gibt es sogar noch eine dritte Stimme. Denn manchmal würde ich mir wünschen, mehr Zeit für mich selbst zu haben. Doch meistens stelle ich meine Bedürfnisse hintenan, ich bin bei meiner Familie und habe auch gelernt, damit umzugehen. Ich weiß auch, dass es wieder anders wird, wenn die Kinder größer sind. Jetzt ist eine anstrengende Phase, aber ich will dabei sein. Ich möchte mir später nicht sagen müssen: „Die Kinder sind groß, und ich hatte nichts von ihrer Kindheit.“ Mit der Zeit habe ich gelernt, die Dinge nicht gegeneinander auszuspielen. Ich versuche, mich, die Familie und den Beruf als Ganzes anzusehen. Ich will nicht zählen, wie viele Stunden ich arbeite, und wie viele Stunden ich bei meiner Familie bin. Wenn ich das täte, wäre ich unzufriedener.
Ich höre oft von jungen Kolleginnen und Kollegen, dass sie sich definierte Arbeitszeiten wünschen. Ich genieße es dagegen sehr, meinen Tag selbst planen zu können. Natürlich erfordert das auch viel Selbstdisziplin, denn ich muss auch irgendwann vorkommen. Aber die Möglichkeiten, selbst zu gestalten, sind sehr groß. Und es wäre schade, das in ein Korsett zu packen. Man realisiert erst mit der Zeit und der wachsenden Erfahrung so richtig, was dieser Pfarrberuf in seiner Freiheit auch für eine Schönheit hat. Wenn man es aber in ein Korsett zwängt, geht das verloren.
Gibt es für Sie einen bestimmten Moment, in dem Sie sich sagen: Ja, jetzt ist für mich Weihnachten?
Markus Hammer: Das ist in der Christmette. Ich finde diese ruhige Stimmung in der Nacht wunderbar. Dorthin kommen viele Menschen, die ein ähnliches Bedürfnis haben, in der Nacht in der Kirche zu sein. Auch wenn es ein zusätzlicher Dienst ist: In der Christmette komme ich persönlich zur Ruhe, mitten in der Nacht, mitten in der Dunkelheit. Das erinnert mich auch an die Osternacht.
Wie geht Ihre Familie damit um, dass Sie (nicht nur zu Weihnachten) zu „Familienzeiten“ zur Arbeit müssen, vor allem Ihre Kinder?
Markus Hammer: Damit hat meine Familie schon manchmal Probleme. Es stört meine Kinder, dass ich häufig wegmuss, wenn andere Familienväter da sind. Es stört sie, dass ich bei Fußballturnieren oft nicht dabei sein kann. Sonntags, wenn wir frühstücken, und ich sage, dass ich jetzt in den Gottesdienst gehe, kommt unser Kleinster, hält mich fest, und sagt „Papa, du darfst jetzt nicht gehen“. Da fällt es mir schon schwer, trotzdem zu gehen. Und ich gewinne dadurch Verständnis für die Familien, die sonntags lieber zu Hause beieinander sind. Nicht wenige nutzen hier unser Online-Angebot über YouTube. So können sie beides haben, die Familie und den Gottesdienst. Auch die vielen Abendtermine sind für meine Familie eine Belastung, das muss ich ehrlicherweise sagen. Doch es gibt keine Alternative. Ich erkläre ihnen dann, dass ich eben arbeiten muss, manchmal sagen sie dann „Wir werden nie Pfarrer“. Obwohl ich mir bei dem einen oder anderen schon vorstellen kann, dass er einmal diesen Weg einschlägt. Wir werden sehen…
Es gibt immer Dinge, mit denen man unzufrieden ist. Ich vergleiche es oft mit Menschen, die auf Montage unterwegs sind, die sind manchmal drei oder vier Wochen am Stück weg. Da ist es doch aus familiärer Sicht besser, täglich beieinander zu sein. Und wenn es nur das gemeinsame Mittagessen ist. Welcher Familienvater kann schon von sich behaupten, fast immer gemeinsam Mittag zu essen? Ich denke, man muss auch hier das Ganze sehen. Dann weicht die ein oder andere Unzufriedenheit und man merkt: Es geht uns als Pfarrpersonen sehr gut. Auch, was Familie angeht.
Streit oder Krisen unterm Weihnachtsbaum – kennen Sie das auch?
Markus Hammer: Klar. Im Pfarrhaus wird auch nur mit Wasser gekocht. Wir haben dieselben Themen, die es in jeder Familie gibt. An Weihnachten wird am meisten in den Familien gestritten – das geht auch an Pfarrfamilien nicht vorbei. Es kann sein, dass die Kinder sich in die Haare kriegen, oder meine Frau und ich. Wir streiten manchmal auch gerade über Zeit – wenn z.B. meine Frau sich beklagt, dass sie zu viel Familienarbeit allein leisten muss. Man muss solche Dinge aussprechen können, man muss darüber reden können, auch wenn wir beide wissen, dass es da keine einfache Lösung gibt.
Was können Sie an diesen Tagen am allerwenigsten gebrauchen?
Markus Hammer: Heiserkeit, Krankheit, Erkältungen. Und natürlich Streit in der Familie, wenn ich ohnehin schon am Limit bin, was das Dienstliche angeht.
Das ist für mich persönlich auch eine Anfechtung, wenn so etwas passiert, gerade in den Zeiten, in denen man auch geistlich gefordert ist. Umso wichtiger ist es, auch gerade in Zeiten der Anfechtung an dem festzuhalten, was uns stärkt: Der Geist Gottes und die Verkündigung. Denn es geht gerade in den Weihnachtstagen um etwas Wichtiges: Es kommen Menschen, die das Evangelium hören.
Was mir dann in angefochtenen Zeiten hilft, ergibt sich spontan: Manchmal setze ich mich ans Klavier, spiele und singe. Oder ich höre Musik, oder ich lese in der Bibel. Oder ich nehme meine Kinder in den Arm. Ich habe kein Patentrezept, keinen Praxistipp, der auf jeden Fall hilft. Aber ich glaube, dass Gott sich von uns finden lässt, wenn wir ihn ernsthaft suchen, und dass er uns auf individuelle Weise begegnet.
Haben Sie Tipps für Vikarinnen und Vikare, wie man den Spagat zwischen Beruf und Familie am besten hinbekommt – zu Weihnachten, aber auch generell?
Markus Hammer: Ein Tipp ist, möglichst viele Dinge gemeinsam zu machen. Die Familie in die Gemeindearbeit zu integrieren, so gut es geht. Manche versuchen, Familie und Beruf voneinander zu trennen, aber ich glaube, wir können auch als Pfarrfamilie Teil der Gemeinde sein.
Ein weiterer Tipp ist, Gelassenheit und Vertrauen zu gewinnen. In Zeiten des Vikariats hat man noch wenig Erfahrung, aber es wird die Zeit kommen, dass man auf Grundlage der größeren Erfahrung in der Vorbereitung auch mit Fragmenten klarkommt. Das mindert nicht die Qualität, aber es erhöht den Zeitgewinn. In der Vorbereitung steht man manchmal auch auf dem Schlauch – dann darf man auch schauen, was andere für eine Predigtidee hatten. Das hilft einem manchmal auf die Sprünge. Das kann auch wichtig sein, wenn Dinge dazwischenkommen. Gerade in der Weihnachtszeit brauchen Menschen oft auch einen Seelsorger oder eine Seelsorgerin. Da können wir schlecht sagen: „Ich muss aber noch meine Predigt fertig schreiben, rufen Sie nächste Woche wieder an.“ Ich glaube, es ist wichtig, dass wir „Störungen“ immer Vorrang geben – auch vor unserer persönlichen Vorbereitung.
Wichtig ist auch noch ein gutes kollegiales Miteinander. Da halte ich ein Geben und Nehmen auf Augenhöhe für unerlässlich – gerade auch für die Zukunft.
Generell ist es meiner Erfahrung nach wichtig, in der Gemeinde nah an den Menschen zu sein und Familie zu leben. Da gehört es auch dazu, die ein oder andere Schwäche zuzugeben, oder einmal zu sagen „Das kann ich nicht“ oder „Das schaffe ich gerade nicht“. Ein Mensch zu sein wie die anderen und keine Masken zu tragen. Gerade im anstehenden Strukturwandel, in dem keiner mehr alles allein schafft, ist das eine wichtige Botschaft in die Gemeinde hinein. Damit habe ich sehr gute Erfahrungen gemacht.
Das Gespräch führte Judith Hammer.