Ende Oktober reiste eine Delegation aus Württemberg nach Südafrika und besuchte verschiedene Einrichtungen der Moravian Church in South Africa (MCSA). Synodalpräsidentin Sabine Foth sowie mehrere Delegierte des Ausschusses für Mission, Ökumene und Entwicklung (MOE) und des Oberkirchenrates berichten von intensiven Einblicken in die Arbeit der Partnerkirche vor Ort. Begleitet wurde die Reise unter anderem von Pfarrer Georg Meyer, Vorstandsmitglied der Evangelischen Mission in Solidarität (EMS).
Kirchenrätin Dr. Christine Keim, Leiterin des Referats Mission, Ökumene und Entwicklung im ev. Oberkirchenrat, berichtet:
Beeindruckend waren vor allem die offenen Gespräche, die die Delegation mit der Kirchenleitung, Präsident Martin Abrahams, aber auch mit Gemeindegliedern oder dem Direktor des Theologischen Seminars geführt hat. Es war von Anfang an eine vertrauensvolle Atmosphäre, in der die sehr bereichernden Begegnungen stattgefunden haben. Dazu gehörte als Auftakt der Austausch im Theologischen Zentrum der Moravian Church: Direktor Dr. Jeremy Wyngaard hielt einen Vortrag zum Thema „Digitalisierung in der theologischen Ausbildung“ und zeigte die Herausforderungen auf, vor denen junge Menschen stehen, die Theologie studieren. Er bezeichnete die neue Struktur des Lernens als ein Modell „von Außen nach Innen“, bei der die Erfahrungen der Studierenden im Zentrum stehen und nicht die Dozierenden. An den nachfolgenden Vortrag von Prof. Dr. Heckel zum Thema „Taufe im Neuen Testament“ schloss sich eine rege Diskussion an.
Faszinierend waren auch die ökumenischen Kontakte und das Engagement des Vorsitzenden des Südafrikanischen Kirchenrates (SACC) der Westlichen Provinz, Dr. Lionel Louw, der innerhalb von drei Jahren die brachliegenden Strukturen wieder zum Leben erweckt hat. Oder das Konzept der „Offenen Moschee“ in Kapstadt, die sich für interreligiösen Dialog und gute Nachbarschaft im Stadtquartier einsetzt.
Ein Besuch auf Robben Island, auf der früheren Gefängnisinsel, auf der sich das Gefängnis befindet, in dem der Freiheitskämpfer und spätere Präsident Südafrikas Nelson Mandela so viele Jahre verbracht hatte, sowie bei der Desmond & Leah Tutu-Stiftung, die an das Wirken des ehemaligen Erzbischofs der anglikanischen Kirche und des Friedensnobelpreisträgers während der Zeit der Apartheid erinnert, durften nicht fehlen.
Es war eindrücklich, zu erleben, wie eng beides beieinander liegt: Zeichen der Ungerechtigkeit, der Armut, der Gewalt, deren Wurzeln oft zurückgehen in die Zeit der Apartheid. Und gleichzeitig Spuren der Hoffnung, des sozialen Miteinanders und des Friedens. Die Moravian Church sieht ihre Aufgaben im diakonischen Bereich darin, die Gesellschaft zu unterstützen und ihre Dienste einzubringen: So bietet z.B. die Gemeinde „Genadendal“, die älteste Missionsstation in Südafrika, eine Rechts- und Gesundheitsberatung für benachteiligte Menschen an. Eine andere Gemeinde hat mit großem Erfolg eine Schulung gegen geschlechtsspezifische Gewalt (genderbased violence) durchgeführt. Beachtlich war auch auch das Engagement eines ökumenischen Projektes, das von der Moravian Church unterstützt wird, namens „Ithemba labantu“: In den Townships erhalten Kinder und Jugendliche eine gute Schul- und Ausbildung, um selbst ihren Lebensunterhalt bestreiten zu können. Die Arbeitslosigkeit in Südafrika liegt bei rund 30%, in den Townships ist sie entsprechend höher. Auch wenn damit nicht alle Not gelindert werden kann, so sind dies doch beachtliche und nachhaltige Initiativen für junge Menschen, die befähigt werden sollen, weiter ein friedliches und stabiles Südafrika aufzubauen.
Dank der guten Vorbereitung durch den Afrikareferenten der EMS, Georg Meyer, der selbst aus Südafrika stammt, konnte die Delegation detaillierte Einblicke in die Geschichte und das kirchliche Leben der Moravian Church in Südafrika mit all ihren Herausforderungen erhalten. Die Synodalausschuss-Vorsitzende, Pfarrerin Yasna Crüsemann, wird bei der kommenden Herbsttagung der Landessynode von der Reise berichten. Wichtig ist, festzuhalten, dass die Begegnungen und Gespräche mit der Moravian Church in Südafrika weiter fortgeführt werden, um den Kontakt zu vertiefen und Impulse daraus in die Württembergische Landeskirche einzubringen.
Sabine Foth, Präsidentin der württembergischen Landessynode:
Die Eindrücke von der Begegnungsreise nach Südafrika werden noch lange nachwirken. Es war eine sehr prägende Reise, die uns vor Augen geführt hat, unter welchen Bedingungen die Moravian Church in Südafrika ihr Gemeindeleben gestaltet. Die Begegnungen und Gespräche waren sehr beeindruckend. Es hat erneut gezeigt, wie wichtig es ist, dass wir als Landessynode uns nicht nur mit unseren eigenen Themen befassen, sondern den weltweiten Horizont der Kirche Jesu Christi wahrnehmen. Aus diesem Grund ist eine längere Begegnungsreise des MOE-Ausschusses pro Legislaturperiode sehr zu unterstützen.
Oberkirchenrat Prof.Dr. Ulrich Heckel:
Die Württembergische Landeskirche hat viele ökumenische Kontakte, die zum Teil bereits aus der Zeit der Mission stammen. Aus den ehemaligen Missionskirchen sind eigenständige Partnerkirchen hervorgegangen, von denen einige zu den Mitgliedskirchen der EMS, der Evangelischen Mission in Solidarität, gehören. Dazu zählt auch die Moravian Church in Südafrika, die zu den frühen Gründungen der Herrnhuter gehört. Durch konkrete Begegnungen vor Ort, durch theologischen Austausch und Gespräche findet ein gegenseitiges Kennenlernen statt, das wiederum unser Verständnis der weltweiten Kirche bereichert und vertieft.
Pfarrrerin Yasna Crüsemann, Vorsitzende des Ausschusses für Mission, Ökumene und Entwicklung:
In Südafrika fallen sofort die extremen sozialen Gegensätze ins Auge. Menschen, die an Straßenrändern unter Plastikplanen hausen, kilometerlange Blechhütten, die Townships an den Rändern der Stadt. und daneben Villenviertel durch Stacheldrahtzäune geschützt. Das Land ist zerrissen, auch wenn die Apartheid offiziell abgeschafft ist.
Mich hat beeindruckt, wie die kleine Herrnhuter Kirche, die Moravian Church of South Africa, die seit fast 300 Jahren am Kap ist, in diesem zerrissenen Land bei den Verwundbarsten präsent ist, wie sie dort Zeichen der Hoffnung setzt und so die Liebe Christi sichtbar macht: In einem von Gewalt geprägten Township stärkt sie mit einem Projekt zu geschlechterbezogener Gewalt Jugendliche in ihrem Selbstvertrauen, in vom Rassismus und der Apartheid besonders zerstörten Distrikt 6 macht sie eine quartiersbezogene Arbeit, in der alten Missionsstation Elim kümmert sie sich um schwerstmehrfach behinderte Kinder, in der fast 300 alten Missionsstation Genadendal gibt sie medizinische Rechtsberatung für Bedürftige.
Am meisten berührt haben mich die Begegnungen in der Gemeinde. Am Reformationssonntag durften wir in verschiedenen Gemeinden Gottesdienste feiern und predigen. Ich habe dort den ehemals in Württemberg als ökumenischen Mitarbeiter tätigen Pfarrer Gregson Erasmus wiedergetroffen und seine Gemeinde in Belhar kennengelernt. So konnten wir ökumenische Beziehungen stärken.
Die Begegnungen sind für mich der Herzschlag der Ökumene. Zu hören von den Sorgen und Hoffnungen, zu lernen, miteinander Gottesdienst zu feiern, füreinander beten und Verantwortung tragen: das ist weltweite Ökumene. Der Blick über den Horizont der Württembergischen Landeskirche hinaus ist notwendig. Und es tut uns als Kirche und Synode gut, über uns hinauszuschauen und zu merken, dass wir Teil einer weltweiten Kirche sind.
Georg Meyer, EMS-Fachbereichsleiter Afrika:
Es hat uns sehr beeindruckt, wie die Evangelische Brüder-Unität in Südafrika (MCSA) den verschiedenen Herausforderungen begegnet – sei es in der theologischen Ausbildung, sei es durch Veränderungen in Struktur und Finanzierung. Gleichzeitig engagieren sich dort viele Menschen ehrenamtlich in Kirche und Ökumene: „Whatever needs to be done, we have to do it as Church” sagte Pfarrer Lionel Louw, Vorsitzender des Western Cape Council of Churches. Wir haben erlebt, wie Gläubige verschiedener Religionen, Christ*innen und Muslime, und verschiedener Konfessionen (39 Kirchengemeinschaften) in der Western Cape ungezwungen miteinander umgehen. Und wir haben die Erkenntnis gewonnen, dass die MCSA und die ELKW, die beide Mitgliedskirchen der Evangelischen Mission in Solidarität sind, mehr verbindet als bisher gedacht.