Am 11. September jährt sich der Geburtstag von Königin Olga von Württemberg zum 200. Mal. Ihren Ruf im Land hat sich die Zarentochter durch ihr großes soziales Engagement erworben.
Im Schloß Ludwigsburg, im Kabinett hinter der Ahnengalerie hat Königin Olga seit 2018 ihren Platz: Mit Diadem, in großer Robe aus blauem Samt, weißem Tüll und schweren Perlenschnüren – so portraitierte sie Franz Xaver Winterhalder in Lebensgröße im Jahr der Thronbesteigung 1865. Olga wurde wie König Karl im Typus des Herrscherbildes gemalt für das Neue Schloß in Stuttgart. Nach dessen Zerstörung waren die Bilder im Alten Schloß zu sehen, bis in Ludwigsburg der würdige Ort feststand; dynastisch freilich nicht ganz korrekt. Denn Olga fehlt, was zum Platz in der Ahnengalerie gehört: der die Thronfolge sichernde männliche Nachwuchs. Die Ehe von Karl und Olga war kinderlos.
Olgas Lebensdaten sind rasch genannt: Geboren 1822 in St. Petersburg, dort die Hochzeit 1846, danach Einzug des Kronprinzenpaares in Stuttgart. Nach dem Tod von König Wilhelm I. 1864 Inthronisation. 1891 stirbt Karl in Stuttgart, 1892 Olga in Friedrichshafen. Beide sind bestattet in der Gruft unter der Stuttgarter Schloßkirche in Marmorsärgen.
Eine Zarentochter für Württemberg
Zwischen der Zarenfamilie in Rußland und dem Königshaus in Württemberg bestanden enge Beziehungen. „In vier Generationen fünf Heiraten zwischen beiden Häusern, in drei Fällen waren Monarchen, also regierende Mitglieder die Ehepartner. Mit keinem anderen Herrscherhaus Europas, nicht einmal Deutschlands war das württembergische Königshaus so vielfältig verwandt wie mit den Romanows“, so Hans-Martin Maurer. Olga, urteilt Hansmartin Decker-Hauff, sei im Grunde – „außer der einen russischen Linie von Peter dem Großen her – rein deutscher Abstammung“, und Europäerin: über 16 Generationen war das Haus Romanow mit europäischen Adelsfamilien verwandt.
Olga Nikolajewna Romanowa Großfürstin von Rußland, so ihr voller Name, wurde am 11. September 1822 in Petersburg geboren als drittes von sieben Kindern des Zaren Nikolaus I. und der Zarin Alexandra, geborene Charlotte von Preußen. Mit der Eheschließung verband sich in Rußland der Übertritt zur orthodoxen Kirche und ein Namenswechsel. Nicht so bei Olga: am 13. Juli 1846 im Petersburger Lustschloß Peterhof prachtvoll vermählt, mußte sie ihre Heimat verlassen – nach einer glücklichen Kindheit im goldenen Käfig: eine Insel, abgeschirmt von der Welt selbst wenn man reiste, die Verwandtschaft besuchte.
Die Schwestern versprechen sich, lieber niedrig zu heiraten als das geliebte Rußland zu verlassen. Nach der Heirat von Mary, der Ältesten, weit „unter Stand“ soll Olga – 15-jährig, Lieblingstochter des Zaren – „sehr groß“ verheiratet werden. Jung, reich, schön und klug: Sieben Jahre zirkulieren Heiratspläne, „fast kein europäischer Prinz von Rang wurde ausgelassen“ (Decker-Hauff). 22jährig schließt Olga „mit dem Gedanken an Ehe und Familie ab“, wie sie in ihren Jugenderinnerungen „Traum der Jugend goldener Stern“ schreibt. Sie glaubt sich zur Jungfräulichkeit bestimmt.
Olgas Heirat mit Karl war standesgemäß arrangiert. In Palermo, wo die Zarin neun Monate zur Genesung weilt, hält Karl um ihre Hand an. Begegnet waren sie sich erstmals in Friedrichshafen, wo Olga „keine Gemütlichkeit“ und Wärme an den wortkargen Württembergern bemerkt.
Am 23. September 1846 folgt unter großem Jubel der glanzvolle Einzug des Kronprinzenpaares in Stuttgart. Seit 1815 regiert hier König Wilhelm I., seit 1820 mit Königin Pauline verheiratet. Der frühe Tod seiner zweiten Frau Katharina – auch sie Zarentochter, Olgas Tante, 1819 nach nur drei Ehejahren verstorben – war noch im Land präsent als verehrte, gebildete und reiche Wohltäterin, als deren Nachfolgerin man Olga sah. Kronprinz Karl entstammte einer unglücklichen Ehe. Er war weich, zögerlich, im Urteil von Zeitgenossen wie Historikern „nicht zum König geboren“ (Paul Sauer). Olga war ihm geistig überlegen, politisch interessiert, scharfzüngig. Einig war sich das Königspaar in seiner offenen Ablehnung Preußens und dessen Vormachtstellung im Reich. Uneins aber war die Ehe. Karl ging seine eigenen Wege, weilte oft im Ausland. Olga fand in caritativer Zuwendung ihre Erfüllung.
Eine Wohltäterin fürs Land
Olgas Wohltätigkeit folgte Traditionen und Vorbildern: dem Wirken Katharinas in Württemberg oder dem ihrer Großmutter Königin Luise in Preußen. An erster Stelle in Olgas Fürsorge standen die Kinder: Waisenkinder, Kinder in Krippen, Kinderschulen, Heilanstalten, Lehrlings- und Jünglingsheimen. Kinderspitäler wie das Stuttgarter „Olgäle“, Karl-Olga-Hospitäler, Heilanstalten, Häuser für Arme und Hoffnungslose, Benachteiligte und in Not Geratene boten reiche Förderung und persönliche Zuwendung. Den Frauen, ihrer „Hebung“ und Bildung galt Olgas besondere Sorge. Die Liste ihrer Stiftungen ist lang: Olgastift, Frauenheime, Höhere Mädchenschulen, Lehrerinnenheime, Häuser der Barmherzigkeit, Stiftung der Olga-Schwestern, „Asyle für Verkrüppelte und Unheilbare“, die spätere Ludwigsburger Karlshöhe. Hier stationiert war auch das „Dragonerregiment Königin Olga“. Wie alle Königinnen im Land war Olga Patronin der „Centralleitung des Wohltätigkeitsvereins“.
„Die wir die Unsere nennen durften“
Am 30. Oktober 1891 stirbt Olga in ihrem geliebten Sommerrefugium Schloß Friedrichshafen. „46 Jahre war sie Württembergerin“, so Prälat Schmid am Sarg in Stuttgart, „18 Jahre als unsere Kronprinzessin, 27 Jahre als regierende Königin und ein Jahr als Königinwitwe.“
In lebenslanger Treue hielt Olga zu ihrer orthodoxen Kirche, zum Glauben ihrer Väter, ihrer Herkunft. Sie trat nicht, wie ihre im Jahre 1870 adoptierte Nichte Wera – auch sie „Großfürstin“, mit 9 Jahren in die Obhut der Tante gekommen – noch im Alter der evangelischen Kirche bei. Beide waren nie missionarisch, in ihrer Wohltätigkeit von großer religiöser und konfessioneller Offenheit.
Der Leitspruch der Olgaschwestern „Gott sendet seine Güte und Treue“ (Ps. 57,4) war von Königin Olga ausgesucht. Er stand auch über dem Leben dieser „Königin, königlich vom Scheitel bis zur Zehe in ihrem ganzen Gebaren! Solche Frauen werden nicht mehr geboren noch aufgezogen an den Höfen“, so urteilt eine Zeitgenossin. „Eine der letzten von Format“ nennt sie ein Historiker.
Olgas Tod weckt Trauer im ganzen Land. Der Nachruf auf die Königin wird von allen Kanzeln des Landes verlesen. Mit ihrer „Güte und Treue“ sei sie ein Segen für Württemberg“ gewesen. Dies auch in ganz materiellem Sinne: Ihr Privatvermögen, mit dem sie „Werke der Barmherzigkeit“ ausstattete, wurde auf viele Millionen geschätzt. Wera ist Universalerbin. Erst nach deren Tod 1912 wird bekannt, daß daraus auch das Stiftungskapital bestritten wurde in Höhe von 160.000 Goldmark für Weras mutige Stiftung „Zufluchtsstätten“.
Olga hat den Mythos der Königin mit ihrem Leben erfüllt mit Güte und Treue: zu ihrem Glauben, ihrer Herkunft und zu dem Land, das sie mit der Heirat als ihre Aufgabe angenommen hat.
Christel Köhle-Hezinger