Die Evangelische Gesamtkirchengemeinde Ravensburg bietet in der Fastenzeit jeden Tag eine Telefonandacht als Impuls an. Pfarrer Martin Henzler-Hermann war sich zuerst nicht sicher, ob die Idee womöglich zu altmodisch sei? Doch im Gegenteil: Er erhält viele begeisterte Rückmeldungen, wie die einer Frau, die gesagt hat: „Das ist mein neues Morgenritual. Jeden Morgen vor dem Frühstück zünde ich eine Kerze an und höre die Telefonandacht.“ Ein anderes Gemeindeglied hat ihm erzählt: „Ich habe meine Geschwister darauf hingewiesen. Jetzt werden die Andachten auch in Kanada gehört“. Über die Idee haben wir mit der Organisatorin Sonja Bredel gesprochen, bis vor kurzem Pfarrerin zur Dienstaushilfe in Ravensburg.
Wie kamen Sie auf die Idee?
Sonja Bredel: Der Gomaringer Pfarrer Peter Rostan hat bereits im vergangenen Jahr Telefonandachten angeboten – und in meiner damaligen Kirchengemeinde, der Schlosskirchengemeinde in Friedrichshafen, haben wir die Idee im letzten Jahr für die Passionszeit übernommen. Damals war das gesamte Leben heruntergefahren und wir haben uns gefragt, wie wir die Menschen überhaupt noch erreichen können. In diesem Jahr bieten wir mit einem Team der Gesamtkirchengemeinde Ravensburg tägliche Telefonandachten an.
Wer macht mit?
Sonja Bredel: Das Team besteht aus Pfarrpersonen, Kirchengemeinderätinnen und Kirchengemeinderäten, einem Pfarrer in Rente und dem Schuldekan.
Um welche Themen geht es?
Sonja Bredel: Unser Überthema sind die Tageslosungen. Wir überlegen alle, was die Gemeindeglieder bewegt. Pfarrer Hans-Dieter Schäfer befasst sich in seinen Andachten mit dem Thema Kreuz. Andere machen tagesaktuelle Ereignisse zum Thema.
Was wollen Sie mit den Telefonandachten erreichen?
Sonja Bredel: Wir wollen den Hörerinnen und Hörern einen Impuls für den Tag mitgeben. Die Menschen, die anrufen, sollen etwas mitnehmen und auftanken können. Und wir wollen ein Seelsorgeangebot für die Fastenzeit machen, das niederschwellig ist, weil man anrufen kann, wann man möchte. Die Andachten sind zu jeder Tageszeit abgreifbar.
Was ist das Besondere an den Telefonandachten?
Sonja Bredel: Die Hörerinnen und Hörer schätzen es, dass die Menschen, die die Telefonandachten halten, bekannt sind und aus der Region kommen. Sie können sie persönlich ansprechen, wenn sie sie in einem Gottesdienst oder bei einer Veranstaltung sehen.
Außerdem ist es eine unkomplizierte Form, in Kontakt zu treten. Viele Menschen rufen jeden Tag zum gleichen Zeitpunkt an. Daraus wurde für sie ein Passionszeitritual. Man muss nicht zu einer bestimmten Uhrzeit das Radio anschalten oder sich einen Podcast herunterladen.
Wir erhalten den ganzen Tag lang Anrufe, zwischen halb sechs und 24 Uhr. Täglich erhalten wir rund 70 Anrufe.
Wie funktionieren die Telefonandachten ganz praktisch?
Sonja Bredel: Ich lade die Aufnahmen auf eine Plattform hoch. Sie müssen dann zum Tageswechsel online geschaltet werden. Dann funktioniert es wie bei einem Anrufbeantworter. Vor kurzem bin ich mit meiner Familie in die USA umgezogen – jetzt uploade ich die Andachten von hier aus. Die Zeitverschiebung bringt es mit sich, dass ich die tagesaktuelle Andacht nun jeweils gemütlich zur Abendessenszeit online stellen kann und nicht bis kurz vor Mitternacht warten muss - so wie vorher in Deutschland.