Die Erde, das Land, der Boden gehören letztlich nicht dem Menschen sondern Gott - entsprechend dankbar und schonend sollten wir mit dieser Leihgabe Gottes umgehen. So die Predigt-Botschaft der württembergischen Landesbauernpfarrerin Sabine Bullinger, die heute an Erntedank einen Gottesdienst auf dem Landwirtschaftlichen Hauptfest in Stuttgart feiert. Ihre Predigt zu 5 Mose 8,7-18 finden Sie im Folgenden im Volltext.
In 5 Mose 8,7-18 (Basisbibel) lesen wir:
Denn der Herr, dein Gott, bringt dich in ein gutes Land. Dort gibt es Flüsse, Quellen und Seen, in den Tälern und in den Bergen.Weizen wächst dort und Gerste und Wein. Die Bäume tragen Feigen und Granatäpfel. Es ist ein Land reich an Oliven und Honig. Dort wirst du nicht armselig dein Brot kauen. Nichts wird dir fehlen. Dieses Land ist reich an Bodenschätzen. Im Gestein findet man Eisen, und in seinen Bergen kannst du nach Kupfer graben. Wenn du isst und satt wirst, dann danke dem Herrn, deinem Gott! Er hat dir dieses gute Land gegeben. Pass auf und vergiss den Herrn, deinen Gott, nicht! Übertritt nie seine Gebote, Bestimmungen und Gesetze, die ich dir heute verkünde! Denn Wohlstand kann gefährlich werden: Du isst und wirst satt. Du baust dir wunderschöne Häuser und wohnst darin. Deine Rinder und Schafe vermehren sich. Du häufst Berge von Silber und Gold an und gewinnst in allem immer mehr. Dann kann dein Herz überheblich werden, und du vergisst den Herrn, deinen Gott. Dabei hat er dich doch aus Ägypten geführt, aus dem Leben in der Sklaverei. Er führte dich durch die große und schreckliche Wüste. Dort gab es giftige Schlangen und Skorpione, nur Trockenheit und kein Wasser. Er aber ließ Wasser für dich hervorquellen aus dem härtesten Felsen. Er gab dir in der Wüste Manna zu essen, das deine Vorfahren nicht kannten. So zeigte er dir, wie sehr du ihn brauchst. Er prüfte dich, um dich danach mit Gutem zu belohnen. Du kannst dir natürlich einreden: „Meine eigene Stärke und die Kraft meiner Hände haben mir diesen Reichtum verschafft.“ Aber nein, du sollst an den Herrn, deinen Gott, denken! Er hat dir die Kraft gegeben, damit du reich wurdest. Er hat sich bis heute an den Bund gehalten, den er deinen Vorfahren geschworen hatte.
So sieht das Land der Verheißung aus: Genug Wasser aus Bächen und Quellen. Dazu die Früchte des Landes: Weizen, Gerste, Wein, Feigen, Granatäpfel, Oliven, Honig. Kein Hunger, immer etwas zu kauen. Bodenschätze, Eisen zum Beispiel und Kupfer. Wie im Paradies. Wenn das der Maßstab ist, dann leben wir hier in Deutschland ziemlich paradiesisch. Der reich geschmückte Erntedankaltar zeigt es.
Sicher, bedingt durch den Hitzesommer ist so mancher Bach nur noch ein Rinnsal und der Grundwasserspiegel ist erschreckend gefallen. Wälder haben gebrannt. Das Grünland konnte ohne Regen nicht nachwachsen. Trotzdem, die Quellen sind nicht versiegt. Vieles konnte bewässert werden. Die Landwirte hatten etwas zu ernten. Die Früchte sind süß. Die Läden sind voll.
Mag manches teuer geworden sein, Mangel an Lebensmitteln leiden wir in unseren Breiten nicht. Unser Angebot ist riesig. Wir können essen und satt werden. Grund genug, Gott und den vielen, vielen Menschen zu danken, die Getreide, Obst und Gemüse anbauen, Tiere halten und Lebensmittel weiterverarbeiten.
Oder mit unserem Bibeltext gesprochen: Und wenn du gegessen hast und satt bist, sollst du den Herrn, deinen Gott, loben für das gute Land; das er dir gegeben hat. (V. 10)
Moment mal: Danken für das Land, nicht für den Ertrag und die Früchte unserer Arbeit?
Ja, das ist die Haltung der Bibel. Der Dank gebührt Gott - für das Land. Das Land gehört Gott (Lev 25,23). Die Menschen sind nicht die Eigentümer, sondern die Nutznießer dieses Landes. Deshalb sollen und müssen sie mit besonderer Rücksicht und Verantwortung damit umgehen. Wer sozusagen nur der Verwalter und Pächter ist, muss gegenüber dem eigentlichen Eigentümer Rechenschaft ablegen können. Und dazu gehört, mit dem Land so umzugehen, wie Gott es will.
Das Land und seine Nutzung werden in einigen biblischen Rechtsgrundlagen explizit genannt. Sogar ein Sabbatjahr gibt es für das Land. (Ex 23,10f; Lev 25). Sechs Jahre soll das Land bewirtschaftet werden, im siebten, im Sabbatjahr, soll es ruhen. Was darauf von selbst wächst, soll allen zur Nahrung dienen – den Besitzern und den Armen, dem Vieh und den Wildtieren. Eine Ruhezeit für den Boden.
Das klingt beinahe nach moderner Bodenökologie. Die heutige Landwirtschaft kennt sich da aus. Sie weiß um die Vorzüge bestimmter Fruchtfolgen. Zwischenfrüchte schützen und stärken Böden in Zeiten, in denen Flächen sonst brach liegen würden. Das ist vielleicht nicht genau so wie in der Bibel beschrieben, bedeutet aber ebenso Ruhe und Schutz für den Boden. Bodenökologie ist Respekt vor der Ressource Land. Und Land ist die Existenzgrundlage eines jeden landwirtschaftlichen Betriebs.
Interessant ist, dass die Bibel beim Thema Land auch soziale Themen anspricht. Arme und Fremde dürfen auf einem abgeernteten Feld Nachlese halten (Lev 19,9f). Es wird sogar empfohlen, nicht allzu gründlich zu ernten, damit sich die Nachlese auch lohnt. So wird die Ernährung von Armen sichergestellt, und natürlich werden damit auch Lebensmittel gerettet. Für die Bibel ist Mundraub erlaubt. Satt essen darf man sich im Weinberg eines anderen durchaus, Trauben pflücken und mitnehmen jedoch nicht. (Dtn 23,25f). Jedenfalls nicht, solange der eigentliche Besitzer noch nicht geerntet hat.
Wie die Bibel wohl das Containern beurteilen würde? Unser Recht sieht darin – leider immer noch – einen Straftatbestand. Die meist jungen Menschen, die es tun, wollen damit verhindern, dass Lebensmittel verschwendet werden. Und lernen dabei, recht kreativ zu kochen. Aber das nur nebenbei.
Land ist und bleibt – biblisch gesehen – Eigentum Gottes. Es ist von Gott gegeben. Die Verheißung des Landes, die Vorfreude auf dieses Land, war Motivation während der endlos erscheinenden Wüstenwanderung, weg aus Ägypten, dem Land der Knechtschaft. Unser Predigttext erinnert an all die Mühen, Entbehrungen und Prüfungen, die damit verbunden waren. Die Wüstenwanderung führt vor Augen, wie ausgeliefert man den Naturkräften sein kann. Es ruft in Erinnerung, dass die Israeliten das verheißene Land dank Gottes Fürsorge und Bewahrung doch noch erreicht haben.
Auch wir Menschen von heute wissen, dass wir die Natur nicht beherrschen. Und insbesondere die Menschen aus der Landwirtschaft erfahren immer wieder, wie es ist, auf die Naturkräfte angewiesen und ihnen gleichzeitig ausgeliefert zu sein. Das Wetter muss passen, sonst bleibt ein guter Ernteerfolg aus. Im Horizont des Glaubens ausgedrückt: Das eigene Tun ist das eine, der Segen von oben das andere.
Respekt vor der Ressource Land, Hochachtung gegenüber denen, die das Land bebauen, Dank an Gott, den Schöpfer – das sind die Themen von Erntedank.
Natürlich ist Land eine wichtige Ressource für jeden landwirtschaftlichen Betrieb. Aber eben auch für jeden anderen Wirtschaftsbetrieb. Und damit bekommt die Landwirtschaft Konkurrenz von einer Seite, die die Bibel noch nicht kennt.
Auch aus wirtschaftlicher Sicht ist Boden eine wichtige Ressource. Im Boden steckt so manches. Fossile Brennstoffe zum Beispiel - wie Kohle, Erdgas und Erdöl.
Boden als Fläche gesehen ist wichtig, damit Wirtschaftsbetriebe wachsen können. Dazu braucht man die entsprechende Infrastruktur. Gute Verkehrsanbindung ist gefragt. Der Flächenverbrauch steigt. Eine florierende Wirtschaft schafft Arbeitsplätze, bringt Zuzug. Neuer Wohnraum wird benötigt, neue Fläche wird versiegelt. Doch die Gewerbesteuereinnahmen steigen. Gutes Geld für den Ausbau der Infrastruktur.
Und so sind Städte und Kommunen nicht selten in der Zwickmühle. Wer bekommt das begehrte Land: das Gewerbe oder die Landwirtschaft?
Harte Konkurrenz für die Landwirtschaft. Die Bodenpreise steigen, ebenso die Pachtpreise, und irgendwann können die Landwirte nicht mehr mithalten und geben ihre Landwirtschaft auf. Die schlimmste Form dieses Konfliktes wird Landgrabbing genannt. Finanzstarke Investoren kaufen Land auf. In den Ländern des globalen Südens gibt es dazu erschreckende Beispiele, in Ostdeutschland leider auch, und bei uns in Baden-Württemberg wird in der Praxis meist auch nach finanziellen Möglichkeiten entschieden. Traurig.
Für mich sind an diesem Punkt politische Entscheidungsträger gefragt. Egal ob in Gemeinderäten, bei Wirtschaftsunternehmen oder bei Erben von Ackerflächen – wenn Entscheidungen um die Nutzung von Flächen anstehen, muss klar sein, dass man die heimische Landwirtschaft nicht aus dem Blick verlieren darf, sofern man sie will. Im baden-württembergischen Koalitionsvertrag von 2021 ist der politische Wille formuliert, „die bäuerlichen Familienbetriebe mit ihrer Lebensmittelproduktion im Land zu erhalten“. Hoffentlich wird er auch umgesetzt, wenn es ganz konkret um landwirtschaftliche Flächen und ihre Nutzung geht.
Eine gute Nutzung des Landes durch die heimische Landwirtschaft ist für so vieles wichtig. Es dient der Ernährung und der Landschaftspflege, kann die Artenvielfalt fördern und einen Beitrag für die Energiesicherheit liefern. Wichtige Beiträge für die Zukunft von uns allen.
Heute an Erntedank führt uns der biblische Text zurück in eine Zeit vor über 3000 Jahren. Er lenkt den Blick zurück in die biblische Vergangenheit und auf ein zentrales Thema, das auch heute noch aktuell ist. Auf das Land als Grundlage von allem und unserem Umgang mit ihm.
Um gute Entscheidungen für die Zukunft zu treffen, ist es gut, sich immer wieder auf seine Wurzeln zu besinnen. Wir tragen hier und heute viel Verantwortung und können viel leisten und trotzdem: Die Welt gehört uns nicht, sie ist uns anvertraut. Nach uns kommen andere, die auch noch gute Lebensgrundlagen brauchen. Deshalb müssen die Entscheidungen von heute gut sein für das Leben der Menschen von morgen. Dieses Wissen und unsere Verantwortung Gott gegenüber sollten das Kriterium sein.
Denke an Gott. Er hat dir das Land gegeben. Er hat dir die Kraft gegeben. (V. 18)
Gott sei Dank.
Amen.
Landesbauernpfarrerin Sabine Bullinger