Mit dem Beschluss des Haushaltsgesetzes für das Jahr 2022 ist am heutigen Samstag die Herbsttagung der Württembergischen Evangelischen Landessynode zu Ende gegangen. Die 91 Landessynodalen tagten aufgrund der Pandemie-Situation erneut digital. Am Donnerstag traf das Kirchenparlament zusammen.
Drei Tage dauerte die Synode. Bereits am Donnerstag hatten die Synodalen ein Gesetz zum Schutz vor sexualisierter Gewalt verabschiedet. Am Freitag hatten sie sich mit der „Strategischen Planung“ sowie in einer aktuellen Stunde mit dem Thema Impfpflicht beschäftigt.
Im Mittelpunkt der Beratung am Samstag stand der rund 698 Millionen Euro umfassende Haushalt für 2022.
Dr. Martin Kastrup, der Finanzdezernent der Landeskirche, stellte fest, weiterhin müssten die Landeskirche jährlich 0,9 Prozent und die Kirchengemeinden 0,7 Prozent sparen. Diese Sparziele müssten nun, so Kastrup, inhaltlich gestaltet werden.
Inhaltlich lägen die Haushaltsschwerpunkte neben dem größten Posten, den Personalkosten, bei der Weiterentwicklung kirchlicher Arbeit und Strukturen, etwa einem Gemeinde- und Innovationskongress oder der Umsetzung des Projekts „Vernetzte Beratung“ für Kirchengemeinden. Ebenso würden das Umweltreferat gestärkt und im Baudezernat befristete Stellen zur Umsetzung energetischer Sanierungen in Kirchengemeinden verlängert.
Außerdem würden Mittel für einen Aktionsplan gegen Rassismus und Antisemitismus eingesetzt sowie für Inklusive Quartiersplanung. „Besonders erwähnenswert ist zudem der Bildungsgesamtplan, unter dem sämtliche Bildungsaktivitäten der Landeskirche abgestimmt und ihre Synergien dargestellt werden“, so der Finanzdezernent. Auch für die Telefonseelsorge werde Geld zur Verfügung gestellt.
Tobias Geiger, der Vorsitzende des Finanzausschusses, wies darauf hin, dass die Ausgaben höher seien als die erwarteten Einnahmen und somit erneut auf die Rücklagen zurückgegriffen werden müsse. „Wir sind dankbar, dass wir in den vergangenen Jahrzehnten Rücklagen aufbauen konnten. Aber wenn bei einem Haushaltsvolumen von 698 Millionen Euro mehr als 50 Millionen Euro aus Rücklagen entnommen werden müssen, dann ist das ein deutliches Warnzeichen und kann so in den kommenden Jahren nicht weitergeführt werden.“
Die Landessynode habe im vergangenen Jahr einen Sonderausschuss für inhaltliche Ausrichtung und Schwerpunkte eingesetzt und Kriterien erarbeitet, um Kürzungsvorschläge bewerten und Entscheidungen sachgerecht treffen zu können. „Doch solche Entscheidungen wirken sich frühestens mittelfristig aus und müssen deshalb zeitnah aufgegleist werden. Die badische evangelische Landeskirche will in den nächsten zehn Jahren 30 Prozent einsparen. Ich befürchte, dass die Herausforderungen in Württemberg nicht kleiner sind“, so Geiger.
Am Samstag beschloss die Synode überdies einen Antrag zu einer zu erarbeitenden Gesamtkonzeption der Social-Media-, Presse- und Öffentlichkeitsarbeit der Landeskirche.
In einer „Aktuellen Stunde“ befassten sich die Synodalen mit der Frage, wie die Pflicht zur Impfung gegen das Corona-Virus aus kirchlicher und christlicher Sicht zu bewerten sei. Viele Redner und Rednerinnen sprachen die inneren Konflikte an, die die Entscheidung für oder gegen eine Impfpflicht mit sich bringe. Einig waren sich die Synodalen in ihren Redebeiträgen, dass die Impfung ein Gebot der Nächstenliebe und der Solidarität mit den Verletzlichen der Gesellschaft sowie mit ärztlichem und Pflegepersonal sei. Kirche müsse daran immer wieder mit Nachdruck erinnern und mit Hinweis auf die soziale Verantwortung jedes einzelnen für die Impfung werben.
Einige Redner befürworteten eine gesetzliche Impfpflicht, etwa für alle kirchlichen Mitarbeiter oder auch für die gesamte Bevölkerung; manche sprachen sich für die Impfpflicht als letztes Mittel aus, andere lehnten die Impfpflicht ab. Die Synodalen appellierten an die Toleranz der Menschen und betonten, die Haltung zur Impfung dürfe nicht zur Spaltung der Gesellschaft und Abwertung von Menschen anderer Überzeugung führen. Auch die globale Impfgerechtigkeit dürfe man nicht aus den Augen verlieren. Niemand sei sicher, solange nicht alle sicher seien. Die Ungleichheit verschärfe Armut und gefährde den Frieden weltweit.
„Pfarrerinnen und Pfarrer müssen angesichts einer Zunahme der Verwaltungsaufgaben, der Seelsorgetätigkeit und der gestiegenen Erwartungen der Schulen an diese über den Religionsunterricht hinaus gestärkt werden“, sagte der Direktor im Oberkirchenrat, Stefan Werner, bei der Vorstellung der Strategischen Planung der Kirchenleitung. Kirchliche Präsenz mache sich in erster Linie am Handeln der Pfarrerinnen und Pfarrer fest. Daher müssten diese ihre Hauptaufgaben, etwa Gottesdienste, Gemeindearbeit und Seelsorge, erfolgreich erfüllen können. Sie müssten als Pfarrerinnen und Pfarrer und Seelsorgerinnen und Seelsorger im Gemeinwesen erkennbar sein. Der Synodale Matthias Hanßmann ergänzte, dass ebenso das Ehrenamt gestärkt werden müsse und sprach sich für neue Gemeindeformen ohne Pfarrpersonen sowie leichtere Zugänge zu neuartigen Verkündigungsaufträgen aus.
Die Landeskirche werde mit ihrem neuen Bildungsgesamtplan außerdem die evangelische Bildungsarbeit in Württemberg profilierter ausrichten, so Werner. Zudem stehe die enge Zusammenarbeit von Kirche und Diakonie im Mittelpunkt der kirchlichen Strategie. Durch ihr diakonisches Handeln sei die Kirche mitten in der Gesellschaft verortet und in deren sozialen und gesundheitlichen Herausforderungen nahe bei den Menschen. Das habe sich in der Pandemie bewährt, stellte Werner fest.
„Der Einsatz für eine lebenswerte Welt ist ein theologisches Thema“, sagte der Synodale Hans Probst. Die Kirchen müssten sich angesichts des unzureichenden Handelns der Politik stärker für eine gesellschaftliche Transformation stark machen. Direktor Stefan Werner erklärte, die Bewahrung der Schöpfung sei seit Beginn des Konziliaren Prozesses, der bei der VI. Vollversammlung des Ökumenischen Rates der Kirchen in Vancouver 1983 begonnen habe, ein wesentliches Anliegen der Kirche. Aufgrund ihrer internationalen und ökumenischen Beziehungen sowie Hilfswerke seien den Kirchen die Folgen des Klimawandels sehr bewusst. Kirche müsse darüber hinaus eine theologische Antwort auf die Zukunftssorgen und Klimaängste junger Menschen geben. „Wir sollten als Kirche nicht den Eindruck erwecken, als käme es ausschließlich auf unser menschliches, entschlossenes Handeln an“, sagte Werner.
Große Fortschritte mache die Evangelische Landeskirche bei der Digitalisierung, so Werner. Ein Beispiel sei das von der EKD geförderte Kooperationsprojekt „Die Digitale Mustergemeinde“ zusammen mit Badischer und Bayrischer Landeskirche, das die Digitalisierung in den Kirchengemeinden voranbringen solle.
Direktor Werner sprach sich zudem für eine engere Zusammenarbeit mit der Evangelischen Landeskirche in Baden aus. Viele Kirchenmitglieder stellten bereits jetzt die Frage, warum es nicht eine Landeskirche im Bundesland gebe. „Es wäre wichtig, endlich damit zu beginnen, Arbeitsfelder gemeinsam wahrzunehmen“, so Werner. Der gemeinsame Beauftragte der beiden Landeskirchen im Landtag, Volker Steinbrecher, sei ein gutes Beispiel der Zusammenarbeit, das zeige, dass beide Kirchen im politischen Bereich gut abgestimmt handeln könnten.
Am Donnerstag haben die Landessynodalen das „Gesetz zum Schutz vor sexualisierter Gewalt“ einstimmig verabschiedet. Damit institutionalisiert die Landeskirche, was sie bisher zu Prävention, Intervention, Unterstützung und Aufarbeitung unternommen hat und schreibt etwa Prävention und Schutzkonzepte für alle Körperschaften, Anstalten, öffentlich-rechtlichen Stiftungen, Werke, Dienste und sonstigen Einrichtungen der Evangelischen Landeskirche in Württemberg verbindlich vor.
Ursula Kress, Gleichstellungsbeauftragte der Landeskirche und für das Thema sexualisierter Gewalt zuständig, erläuterte, das Gesetz verankere bereits vorhandene Ge- und Verbote sowie bereits erfolgte Anpassungen der dienst- und arbeitsrechtlichen Regelungen; umfasse also sowohl grundsätzliche Anforderungen zum Schutz vor sexualisierter Gewalt als auch Maßnahmen zu deren Vermeidung und die Gewährung von Hilfen in Fällen, in denen sexualisierte Gewalt erfolgt ist. Außerdem setze das Gesetz die „Richtlinie der Evangelischen Kirche in Deutschland zum Schutz vor sexualisierter Gewalt vom 18. Oktober 2019“ um.
Kress berichtete weiter, dass die Landeskirche seit 2014 eine Stelle für Präventionsaufgaben und Schulungen eingerichtet habe. Seit 2016 gebe es eine unabhängige Kommission unter Vorsitz des Stuttgarter Richters a. D. Wolfgang Vögele, die über die Anerkennung der Anträge Betroffener sexualisierter Gewalt in Landeskirche und Diakonie entscheide. Insgesamt seien seither 174 Anträge von Betroffenen sexualisierter Gewalt von der Kommission entschieden worden, 155 davon beträfen den Bereich der Diakonie. Die Landeskirche habe 2,6 Millionen Euro an Betroffene gezahlt, so Kress.
Über die EKD-weite ForuM-Studie zur „Aufarbeitung sexualisierter Gewalt und anderer Missbrauchsformen in der Evangelischen Kirche und Diakonie in Deutschland“ hinaus habe die Landeskirche eine eigene Studie zur Untersuchung von Fällen sexualisierter Gewalt sowie Schutzkonzepten beauftragt, die das Team von Prof. Dr. Jörg M. Fegert, dem Ärztlichen Direktor der Abteilung Kinder- und Jugendpsychiatrie/Psychotherapie der Universität Ulm, durchführen wird.
Die Synodalen beschlossen außerdem einen Antrag, demzufolge die Landeskirche unter anderem weitere personelle Ressourcen für eine einzurichtende Fachstelle zum Umgang mit dem Thema Sexualisierte Gewalt zur Verfügung stellen soll.
Seit einiger Zeit häuften sich die Anzeichen, dass nun auch dschihadistische Gruppen sowie die weltweite Terrororganisation „Islamischer Staat“ im Osten des Kongos aktiv sind, hob Kirchenrat Klaus Rieth, Leiter des Referats Mission, Ökumene, Kirchlicher Entwicklungsdienst in seinem Bericht über weltweite Verfolgungssituationen hervor. „Für die Menschen in der Gesamtregion, die überwiegend Christen sind, bedeutet dies eine weitere, unberechenbare Gefahr“.
Insgesamt habe sich die Situation verfolgter Menschen weltweit verschlechtert, so Rieth. Etwa 84 Millionen Menschen seien auf der Flucht, davon 51 Millionen im eigenen Land.
Zur Eröffnung der Tagung hatten die Synodalen einen digitalen Gottesdienst gefeiert, bei dem sich die Stuttgarter Prälatin Gabriele Arnold in ihrer Predigt gegen eine Selbstbezogenheit der Kirche aussprach. Kirche dürfe keine „Selbsterhaltungsgesellschaft“ werden, sondern sei für die Menschen da – besonders für die am Rand, so Arnold. Nächstenliebe gehöre zur DNA der Kirche, betonte die Prälatin.
In einem digitalen Grußwort hatte Dr. Irme Stetter-Karp, die neugewählte Vorsitzende des Zentralkomitees der deutschen Katholiken (ZdK), für den Katholikentag geworben, der im kommenden Jahr in Stuttgart stattfindet – bereits zum dritten Mal. In einem weiteren Grußwort wies die Präsidentin von Brot für die Welt, Dr. Dagmar Pruin, auf die am kommenden Sonntag, dem ersten Advent, startende Spendenaktion unter dem Motto „Eine Welt. Ein Klima. Eine Zukunft.“ hin.
Landesbischof Dr. h. c. Frank Otfried July rief in einem Wort an die Synode dazu auf, sich impfen zu lassen. Er appellierte besonders an die Solidarität der Menschen mit den gefährdeten Gruppen: „Wir bitten alle, die noch nicht geimpft sind, im Sinn evangelischer Ethik zwischen dem Gut der persönlichen Freiheit und der Verantwortung für andere abzuwägen und selbstkritisch die Folgen gerade für die gefährdeten Gruppen zu prüfen. Mit einer höheren Impfquote könnten besonders verletzliche Gruppen geschützt werden, wie Menschen mit Vorerkrankungen, Ältere und Kinder, für die es bisher noch keine Impfempfehlung gibt.“
Die nächste Tagung der Landessynode findet vom 17. bis 19. März 2022 statt. Am ersten Tag (17.03.2022) steht die Wahl eines Nachfolgers oder einer Nachfolgerin von Landesbischof Dr. h. c. Frank Otfried July auf dem Programm.