Die 91 Synodalen der Landessynode haben am Donnerstag ihre Herbsttagung in digitaler Form begonnen. Das Leitungsgremium tagt bis Samstag. Einer der Schwerpunkte sind die Haushaltsberatungen für 2022. Im Mittelpunkt des ersten Sitzungstages stand ein Gesetz zum Schutz vor sexualisierter Gewalt, das die Landessynode am Nachmittag beschlossen hat.
In dem Gesetz zum Schutz vor sexualisierter Gewalt, das die Landessynodalen einstimmig verabschiedet haben, institutionalisiert die Landeskirche das, was sie bisher zu Prävention, Intervention, Unterstützung und Aufarbeitung unternommen hat und schreibt etwa Prävention und Schutzkonzepte für alle Körperschaften, Anstalten, öffentlich-rechtlichen Stiftungen, Werke, Dienste und sonstigen Einrichtungen der Evangelischen Landeskirche in Württemberg verbindlich vor.
Ursula Kress, Gleichstellungsbeauftragte der Landeskirche und für das Thema sexualisierter Gewalt zuständig, erläuterte, das Gesetz verankere bereits vorhandene Ge- und Verbote sowie bereits erfolgte Anpassungen der dienst- und arbeitsrechtlichen Regelungen; umfasse also sowohl grundsätzliche Anforderungen zum Schutz vor sexualisierter Gewalt als auch Maßnahmen zu deren Vermeidung und die Gewährung von Hilfen in Fällen, in denen sexualisierte Gewalt erfolgt ist. Außerdem setze die „Richtlinie der Evangelischen Kirche in Deutschland zum Schutz vor sexualisierter Gewalt vom 18. Oktober 2019“ um.
Kress berichtete weiter, dass die Landeskirche seit 2014 eine Stelle für Präventionsaufgaben und Schulungen eingerichtet habe. Seit 2016 gebe es eine unabhängige Kommission unter Vorsitz des Stuttgarter Richters a. D. Wolfgang Vögele, die über die Anerkennung der Anträge Betroffener sexualisierter Gewalt in Landeskirche und Diakonie entscheide. Insgesamt seien seither 174 Anträge von Betroffenen sexualisierter Gewalt von der Kommission entschieden worden, 155 davon beträfen den Bereich der Diakonie. Die Landeskirche habe 2,6 Millionen Euro an Betroffene gezahlt, so Kress.
Weiterhin habe die Landeskirche über die EKD-weite ForuM-Studie zur „Aufarbeitung sexualisierter Gewalt und anderer Missbrauchsformen in der Evangelischen Kirche und Diakonie in Deutschland“ hinaus eine eigene Studie beauftragt, die das Team von Prof. Dr. Jörg M. Fegert, dem Ärztlichen Direktor der Abteilung Kinder- und Jugendpsychiatrie/Psychotherapie der Universität Ulm durchführe. Der Fokus liege auf der Analyse von Vorfällen aus den 1950er und 60er Jahren in den Evangelischen Seminaren, dem Hymnus-Chor und im Umfeld des CVJM Esslingen sowie der Analyse aktueller Schutzkonzepte in diesem Bereich, auch mittels Fokusgruppen. Betroffene sind auch im Beirat vertreten. Die Erkenntnisse daraus, so die Gleichstellungsbeauftragte, würden „einen Nutzen allgemein für den Bereich der Schulen und der Evangelischen Jugendarbeit haben.“ Die Synodalen beschlossen außerdem einen Antrag, demzufolge die Landeskirche unter anderem weitere personelle Ressourcen für eine einzurichtende Fachstelle zum Umgang mit dem Thema Sexualisierte Gewalt zur Verfügung stellen soll.
Zur Eröffnung der Tagung hatten die Synodalen einen digitalen Gottesdienst gefeiert, bei dem sich die Stuttgarter Prälatin Gabriele Arnold in ihrer Predigt gegen eine Selbstbezogenheit der Kirche aussprach. Kirche dürfe keine „Selbsterhaltungsgesellschaft“ werden, sondern sei für die Menschen da – besonders für die am Rand, so Arnold. Nächstenliebe gehöre zur DNA der Kirche, betonte die Prälatin.
In einem digitalen Grußwort hatte Irme Stetter-Karp, die neugewählte Vorsitzende des Zentralkomitees der deutschen Katholiken (ZdK), für den Katholikentag geworben, der im kommenden Jahr in Stuttgart stattfindet – bereits zum dritten Mal. In einem weiteren Grußwort wies die Präsidentin von Brot für die Welt, Dr. Dagmar Pruin, auf die am kommenden Sonntag, dem ersten Advent, startende Spendenaktion unter dem Motto „Eine Welt. Ein Klima. Eine Zukunft.“ hin.
Landesbischof Dr. h. c. Frank Otfried July rief in einem Wort an die Synode dazu auf, sich impfen zu lassen. Er appellierte besonders an die Solidarität der Menschen mit den gefährdeten Gruppen: „Wir bitten alle, die noch nicht geimpft sind, im Sinn evangelischer Ethik zwischen dem Gut der persönlichen Freiheit und der Verantwortung für andere abzuwägen und selbstkritisch die Folgen gerade für die gefährdeten Gruppen zu prüfen. Mit einer höheren Impfquote könnten besonders verletzliche Gruppen geschützt werden, wie Menschen mit Vorerkrankungen, Ältere und Kinder, für die es bisher noch keine Impfempfehlung gibt.“
Die 91 Landesynodalen tagen noch bis einschließlich Samstag, an diesem Tag soll der landeskirchliche Haushalt für 2022 beraten und beschlossen werden. Am Freitag wird sich die Synode unter anderem in einer Aktuellen Stunde mit der polarisierten gesellschaftlichen Situation aufgrund etwa der Diskussion um eine Impfpflicht beschäftigen und debattieren, wie Kirche zur Stabilisierung einer verunsicherten Gesellschaft beitragen kann.