| Landeskirche

Im Interview: Männerpfarrer Joachim Schilling

Über die Bedeutung kirchlicher Männerarbeit

Bei einem Livestream-Gottesdienst wurde Joachim Schilling am 24. Januar in sein neues Amt als Landesmännerpfarrer eingeführt. Im Interview erzählt er, was kirchliche Männerarbeit für ihn bedeutet und was er mit seiner Arbeit für die Kirche erreichen möchte.  Den Mitschnitt des Gottesdienstes finden Sie unten auf dieser Seite.

Joachim Schilling, seit Dezember 2020 Landesmännerpfarrer, hat jahrzehntelange Erfahrung, unter anderem aus seiner Arbeit als landeskirchlicher Friedenspfarrer.Ulrike Rapp-Hirrlinger

Joachim Schilling hat seine 50-Prozent-Stelle als Landesmännerpfarrer und theologischer Leiter in der Fachstelle Männerarbeit am 1. Dezember angetreten. Zugleich arbeitet er (schon seit 2013) auf einer 50-Prozent-Stelle als landeskirchlicher Beauftragter für Friedensarbeit. 

Wir haben mit Joachim Schilling über die kirchliche Männerarbeit und sein neues Amt gesprochen. 

Was ist Ihre Aufgabe als Landesmännerpfarrer?

Joachim Schilling: In der Fachstelle Männerarbeit der Landeskirche liegt die theologische Leitung bei mir, während Diakon Manuel Schittenhelm die organisatorische Leitung hat.  Als Team werden wir die Fachstelle im Evangelischen Männernetzwerk konzeptionell neu aufzustellen. Das wird auch im Austausch mit der Frauenarbeit und anderen Dienststellen passieren.

Mit meinem 50-prozentigen Stellenanteil bin ich Ansprechpartner für die Bezirksmännerpfarrer und für landeskirchliche Gremien. Ich stehe auch als Referent zu Themen der Männerspiritualität und männerspezifischen Theologie für die Gemeinden zur Verfügung. Gottesdienste, Schweigetage, Gesprächsangebote für Männer, Vorträge und Predigten bei Themengottesdiensten zum Thema „Mann“ gehören ebenfalls zu meinen Aufgaben.

Wer die Diskussionen zu Genderfragen verfolgt, ahnt die Herausforderungen, die auf uns als Kirche zukommen. Im Aufsehen auf Jesus Christus, den „neuen“ Mann von Gott, gilt es die Männerarbeit in unserer Landeskirche neu zu konzipieren. Wir dürfen als Kirche die Sprachfähigkeit nicht verlieren und müssen Männern eine Stimme geben, denn Männer verstummen zunehmend in Kirche und Gesellschaft. Männer und Jungs kippen vielfach hinten runter. Jungs haben schlechtere Bildungsabschlüsse, die Lebenserwartung von Männern liegt deutlich unter der von Frauen.

Es geht mir nicht darum, den Frauen etwas wegzunehmen, sondern darum, dass bei Männern und Frauen mehr Leben ins Leben kommt. Und dann sind da die Single-Männer und -Frauen, Geschiedene, Homosexuelle und Diverse. Männerarbeit im Licht der Botschaft Jesu baut mit an einer von Jesus ausgehenden Sozialität, die im Schutzraum der Kirche für alle Leben ermöglicht.

Von Jesus und Frauen lernend, ist es meine spezielle Aufgabe, Fürsprecher für die Männer zu sein, so wie es Fürsprecherinnen für die Frauen braucht. Dann kommen wir der Gleichstellung in unserer Kirche und Gesellschaft näher und gewinnen alle.

Gibt es eine spezifisch männliche Spiritualität?

Joachim Schilling: Die Frage nach männlicher oder weiblicher Spiritualität ist umstritten. Gibt es das überhaupt? Ich habe darauf keine abschließende Antwort. Das würde ich gerne auch mit Frauen diskutieren, denn darüber haben sich Frauen schon mehr Gedanken gemacht. Das werden spannende Gespräche.

Der heilige Geist (in alten Sprachen: Die heilige Geistin!), der oder die von Gott ausgeht, ist kein Männer- oder Frauengeist, sondern die Geistigkeit dessen, der sich im Spiegel anschaute und Mann und Frau schuf (Gen 1,26). Schon Paulus beschreibt die Erfahrung, dass es Sinn machen kann, wenn Mann und Frau sich befristet trennen, um Spiritualität leben zu können. Getrennt erleben Männer und Frauen ihren Glauben oft verschieden.

Spätestens beim Abendmahl wird sichtbar, dass es nicht um männliche oder weibliche Spiritualität gehen kann, sondern um gelebten und ungeteilten Glauben. Wenn dann im Schutzraum der Kirche Männer und/oder Frauen sich beim Abendmahl an den Händen fassen, bin ich innerlich und äußerlich berührt.

Wie bringt kirchliche Männerarbeit die Männer weiter, die zum Beispiel an einem Ihrer spirituellen Angebote teilnehmen?

Joachim Schilling: Ich plane eine Vielzahl unterschiedlichster Angebote. Das reicht von reinen Vorträgen bis zu handfesten, erlebnispädagogischen Formaten. Denn man kommt weiter, wenn man Wege zurücklegt, physische Wege und Wege des Denkens. Wenn wir es im Männernetzwerk schaffen, den Menschen ganzheitlich ansprechende Angebote zu machen, dann werden Männer gestärkt, können mit sich und anderen besser umgehen. Männer werden glücklicher, wenn sie spirituell besser verankert sind und sich als lebenslang Lernende begreifen.

Warum braucht die Kirche spezifische Männerarbeit?

Joachim Schilling: Wir brauchen Männerarbeit, damit unsere Kirche nicht immer ärmer wird. Stellen sie sich eine Kirche ohne Männer vor. Und dann schauen Sie in Gottesdienste, Gruppen und Kreise, dann brauchen Sie sich leider gar nichts mehr vorzustellen. Unsere Kirche ist arm an älteren und jüngeren Männern, wenn auch die vielen männlichen Funktionsträger darüber hinwegtäuschen. Warum ist Kirche vor allem für Männer wenig attraktiv?

Wenn immer mehr Männer der Kirche den Rücken kehren, dann hat sie ein spirituelles, aber auch ein finanzielles Problem. Wir können es uns auch nicht leisten, dass immer mehr Männer meinen, der geistliche Beruf sei nichts für sie. Wir müssen uns Gedanken über mehr Gleichberechtigung machen. Auch dafür braucht es Männerarbeit, damit solche Dinge ins Bewusstsein kommen und diskutiert werden können.

Wie kann Kirche als Gemeinschaft und als Institution von Ihrer Arbeit profitieren?

Joachim Schilling: Ich komme aus der Gemeindearbeit und der Friedensarbeit. Sowohl im Pfarramt für Friedensarbeit als auch in der kirchlichen Männerarbeit werden gesellschaftliche und theologisch relevante Fragen bearbeitet. Das sind Fragen nach Gewalt, Extremismus und Versöhnung, nach Geschlechtergerechtigkeit und Frieden, Konfliktbearbeitung und Mediation – da bringe ich viel mit.

Der Mainstream in Kirche und Gesellschaft fördert zurzeit völlig zurecht an vielen Stellen Frauen, qualifiziert aber gefühlt Frauen damit als „besseres“ Geschlecht. Dies bringt eine negative Wertung und Verunsicherung des Männerselbstbildes mit sich und vernachlässigt das notwendige Sowohl-Als-Auch einer spezifischen Geschlechterförderung. Aber um zu Frieden und Gerechtigkeit in der Gesellschaft beitragen zu können, muss sich die Kirche mit Fragen wie diesen auseinandersetzen: Was könnte das Thema Frieden mit einem neu zu entwickelnden Rollenverständnis des Mannes in der Postmoderne zu tun haben? Was sagt die Bibel zum Mann? Wann ist er „im Frieden“? Kann die Frage nach persönlichem Frieden einen Beitrag zur Männergesundheit leisten kann? Wie kommt es, dass Männer stark struktureller Gewalt ausgesetzt sind und zugleich physische Gewalt in der Regel von Männern ausgeht? Was hat die Sexualität mit der Frage nach dem Frieden zu tun? Warum kommt bei Männern sexuelle Gewalt häufiger vor als bei Frauen?

Mich interessieren auch die Rollenbilder und -festschreibungen der verschiedenen Religionen und christlichen Strömungen und ebenso die moderne Genderdiskussion und ihre radikalen Positionen. Diese Diskussionen nicht nur auszuhalten, sondern darin konstruktiv unterwegs zu sein, dient der kirchlichen Sprachfähigkeit zu solchen Themen.

Was haben Sie sich für Ihre Arbeit als Landesmännerpfarrer vorgenommen? 

Joachim Schilling: Zunächst muss ich viel lernen. Ich komme als Quereinsteiger in die Männerarbeit, wie ich es zuvor in der Friedensarbeit war. Das Thema Frieden ist für mich das Kern- und Querschnittsthema des Evangeliums und der Kirche schlechthin geworden, weil Jesus unser Friede ist. Ich habe die leitende Vision von Männer-Frauen-Frieden.

Ich glaube, dass es ein Buchprojekt braucht, welches den Titel trägt: Handreichung Männerarbeit in Kirche und Gesellschaft. Dies kann nur in einem Team mit Beiträgen aus anderen Feldern der kirchlichen Arbeit und der Wissenschaft entstehen. Vielleicht lässt sich soetwas auch mit der Frauenarbeit gemeinsam entwickeln, unter dem Titel „Männer-Frauen-Frieden in Kirche und Gesellschaft“.

Denkbar ist zudem die gemeinsame Gestaltung von Pfarrkonventen zu diesem Thema: Männer-Frauen-Frieden mit einem gemeinsam zu entwickelndem Curriculum.

Und schließlich gibt es noch den seelsorgerlichen Aspekt. Als Landesmännerpfarrer werde ich auch Seelsorger sein. Da kommt es mir zugute, dass ich aus der Gemeindeseelsorge komme und mich mit  Konfliktberatung und Mediation auskenne.

Unterm Strich: Ich möchte die Männerarbeit im Team konzeptionell neu aufstellen, sichtbarer machen und ein Bewusstsein dafür schaffen, dass Männerarbeit von der Kirche nicht vernachlässigt werden darf.


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