Weihnachten wird wieder ganz anders. Was können wir tun, damit es trotz aller Einschränkungen ein schönes Fest wird? Die Psychologin Susanne Bakaus gibt Tipps, wie es auf harmonische Art Weihnachten werden kann. Sie leitet die Landesstelle der Psychologischen Beratungsstellen der Landeskirche.
An Weihnachten soll alles gut sein – oder sogar perfekt. Es darf keinen Streit geben und die Vorstellung einer Familie mit sehr bürgerlichen Strukturen steht im Mittelpunkt – Mutter, Vater und Kind. „Die Ansprüche sind groß“, erklärt die Psychologin Susanne Bakaus, Leiterin der Landesstelle der Psychologischen Beratungsstellen in der Evangelischen Landeskirche in Württemberg. Weihnachten sei das klassische Familienfest. Deshalb benötige es auch viel Vorbereitung. Das erzeuge Druck. Das bürgerliche Ideal der Familie gebe es in der Mehrheit gar nicht mehr bei uns. „Das kann das Gefühl auslösen, gescheitert zu sein, und für Frust sorgen“, so Bakaus. „Die großen Ansprüche sollte man herunterfahren“, empfiehlt sie.
Bakaus rät, die Wohnung während der dunkelsten Tage des Jahres mit Kerzen und Lichtern zu schmücken: „Bringen Sie Licht und Helligkeit in Ihre Wohnung.“ Am besten sei es, die Wohnung gemeinsam zu dekorieren.
Musik berührt uns. Sie macht uns traurig oder fröhlich und entspannt uns. Susanne Bakaus empfiehlt, zusammen Musik zu hören. Auch Gerüche, so wie die des traditionellen Räuchermännchens, haben eine wohltuende Wirkung und beruhigen unsere Emotionen: „Sie hüllen uns ein und erfreuen unsere Sinne“, erklärt Bakaus.
„Üben Sie sich im Minimalismus“, rät die Psychologin. Es müsse an Weihnachten nicht alles großartig sein, wenn es um Schmuck, Geschenke, Essen und Backen gehe. „Meist ist weniger mehr!“
Rituale geben Halt und Geborgenheit. „Essen Sie gemeinsam“, rät die Psychologin Susanne Bakaus. Die Zeiten sollten vorab verabredet werden, vor allem in einer Patchwork-Familie oder wenn auch Großeltern zu Besuch kommen. Sie schlägt vor, zu bestimmten Zeiten eine Kerze anzuzünden. „Lesen Sie sich gegenseitig eine Geschichte vor oder spielen oder singen Sie gemeinsam zu bestimmten Zeiten, sodass sich jeder darauf einstellen kann.“ Für Heiligabend empfiehlt Bakaus, dass nicht nur Essen und Geschenke im Mittelpunkt stehen sollten. Stattdessen könne man sich ein Rahmenprogramm ausdenken. „Jede und jeder liest eine Lieblingsgeschichte vor oder man hört gemeinsam ein Lied, früher wurde ja an Weihnachten häufig Hausmusik gemacht.“ Außerdem könne man spazieren gehen. „Gehen Sie täglich nach draußen“, rät die Psychologin für die Weihnachtstage. Wenn es draußen dunkel, kalt und feucht ist, lässt sich die Zeit zu Hause auch besonders genießen.
Dass man sich nicht streiten dürfe, sei ein gefährlicher Vorsatz, erklärt die Psychologin. Das setze unter Druck, so sehr, dass man sich fast schon streiten müsse. „Streiten Sie sich ruhig“, rät die Psychologin. „Aber finden Sie möglichst bald ein Ende, verletzen Sie niemanden und gehen Sie immer wieder auf den anderen zu, auch wenn Sie sich im Recht fühlen.“ Man müsse sich nicht verbiegen, wenn es einen Konflikt gebe. Dieser könne auch helfen, den anderen wieder als getrennt von sich zu sehen. „Wenn man wütend ist, muss man das auch sagen, aber indem man es als Bitte formuliert: ‚Mir wäre es wichtig, dass du das so machst.‘ Es sei zudem immer besser, über die eigenen Gefühle zu sprechen, als den anderen anzuklagen: ‚Das kränkt mich‘ oder ‚Das fühlt sich für mich so an‘. Nur Gott sei heilig und habe immer alles im Griff, auch Jesus sei manches Mal wütend gewesen. Ewigstreitereien solle man aber nicht führen. „Man muss irgendwann auch mal aufhören.“
Bakaus erklärt: Wenn etwas schiefgehe und man an den eigenen Ansprüchen scheitere, sei es wichtig, sich immer wieder auch selbst zu verzeihen. „Gott verzeiht uns auch immer wieder. Und unsere kleinen Fehler und Schwächen machen uns liebenswert“, so die Psychologin.
Dass man das eigene Leben überprüfe und dabei schmerzhafte Gedanken aufkommen, etwa, dass man gerne eine Familie gehabt hätte, oder wichtige Menschen nicht mehr am Leben seien, könne durch Rituale oder auch bestimmte Zeitpunkte ausgelöst werden, so auch durch Weihnachten. Wichtig sei, es sich an Weihnachten trotzdem schön zu machen, auch wenn man sich einsam und allein fühle oder frisch getrennt sei, und die Feiertage aktiv und schön zu planen. Etwa mit Freunden, Musik, vielen Kerzen und Lichtern, kurzum, mit schönen Dingen. „Es geht darum, dass man nicht in Weihnachten hineinstolpert und drei leere Tage vor sich hat, sonst ist die Gefahr groß, dass man traurig wird und sich darin verliert.“
„Gehen Sie ein Stück von sich weg, hin zu einem anderen Menschen“, empfiehlt die Psychologin. „Gehen Sie in Beziehung.“ Sie rät, sich kleine Geschenke für die Lieben auszudenken. „Selbst gemachte Geschenke wie ein gemaltes Bild sind ausreichend.“ Oder man solle an Freunde, Nachbarn oder Menschen, die Hilfe benötigen, denken. „Man kann der Nachbarin einen kleinen Stern an die Tür hängen oder in der Kirchengemeinde oder im Altersheim fragen, ob es dort eine alte Dame gebe, der man ein Päckchen machen kann.“ Wer allein wohnt, den ermuntert die Psychologin, Freunde oder Nachbarn einzuladen oder mit Telefon und Videokommunikation mit anderen Menschen in Kontakt zu treten. „Verabreden Sie für jeden Weihnachtstag einen schönen Kontakt mit einem netten Menschen“, rät die Psychologin.
Nicht nur eine friedliche ruhige Stimmung macht Weihnachten aus. Freudige Momente und Lebendigkeit seien wichtig, so die Psychologin. Eine vollkommene Ruhe könne auch negativ wirken. „Spielen, singen oder tanzen Sie nach Herzenslust!“