Weihnachten wird von Menschen weltweit gefeiert, aber natürlich unterscheiden sich die Bräuche. Wie spiegelt sich das in Württemberg? Wie feiern die internationalen Gemeinden in Württemberg Weihnachten? Und welche Besonderheiten aus ihrer Heimat pflegen sie? Fünf Mitglieder internationaler Gemeinden erzählen von ihrem Weihnachtsfest.
An Weihnachten wird viel gesungen, getanzt, gelacht, gemeinsam gegessen, Kontakt zu alten Freunden und ferner Verwandtschaft gesucht und gemeinsam gefeiert. Es ist die Zeit, in der alle Sorgen vergessen werden und viel unternommen wird. Am 25. Dezember darf der gemeinsame Gottesdienst nicht fehlen. Kinder freuen sich besonders auf den Tag, weil sie neben den vielen Geschenke auch ihre „Bronya Atadie“, ihr „Weihnachtskleid“, zum Gottesdienst anziehen können, das Beste und Schönste, was man für das schönste Fest des Jahres zum Anziehen hat.
In der Regel wird von der Gemeinde an Weihnachten ein sogenannter „Love Feast“, eine Agapefeier, veranstaltet. Alle Gemeindeglieder samt Familie und Freunden werden zum gemeinsamen Essen in der Gemeinde eingeladen. Das soll alleinstehenden Mitgliedern die Möglichkeit geben, sich in dieser besonderen Zeit, in der viel Zeit mit der Familie verbracht und gemeinsam gefeiert wird, nicht einsam zu fühlen. Das Essen wird in der Regel von den Gemeindegliedern daheim und zum Teil auch mit anderen Gemeindegliedern zusammen vorbereitet. Außerdem laden sich die Mitglieder während der gesamten Weihnachtszeit gegenseitig zum Essen ein.
Das gemeinsame Essen innerhalb der Gemeinde, der „Love Feast“, und das Kontaktieren alter Freunde und ferner Verwandte, um „Afihyia Pa“ , ein „Frohes Neues Jahr“, zu wünschen, was wir in der gesamten Weihnachtszeit bis ins Neujahr hinaus als Standard-Grußwort wählen. Außerdem können die Gottesdienstbesucher in dieser Zeit Danksagungen für das, was Gott das ganze Jahr über für sie getan hat, vor der Gemeinde zum Ausdruck bringen. Viele erzählen gerne von ihren besonderen Erlebnissen im gesamten Jahr und tätigen als Dank an den Herrn teils besonders hohe Spenden für die Gemeindearbeit.
Das Krippenspiel, weil es den geschichtlichen Hintergrund von Weihnachten noch einmal wiedergibt. Manche vergessen ja vor lauter Feiern und dem gegenseitigen Beschenken den eigentlichen Grund für die Weihnachtsfeier. Außerdem den Adventskranz, eine tolle Erfindung, um ungeduldigen Kinder schnell zu erklären, wann Weihnachten ist. Den Heiligabend, weil er neben dem Familiengottesdienst besonders mit der Familie gefeiert wird, und den Weihnachtsmarkt. Aber auch das gemeinsame Backen von Weihnachtsplätzchen zusammen mit der Familie. Das habe ich dieses Jahr mit meinen drei Kinder machen dürfen, sie freuen sich immer sehr darauf. Und den Weihnachtsbaum.
Vor der Corona-Pandemie haben wir Weihnachten 2019 in der evangelischen madagassischen Gemeinde in Stuttgart am 25. Dezember mit einem Gottesdienst und anschließendem Abendmahl gefeiert. Dann kamen wir an einem großen Tisch zu einem gemeinsamen Abendessen zusammen. Außerdem hat unser Chor mit Liedern und Sketchen für Unterhaltung gesorgt. Wir waren damals 107 Gemeindeglieder.
Als Christen feiern auch die Magassinnen und Madagassen Weihnachten. Das Fest ist für uns gleichbedeutend mit Freude, Feiern und Zusammensein, aber all dies in Jesus Christus. Auch in Madagaskar wird alles geschmückt und dekoriert, mit Lichtern, Girlanden und vor allem großen grünen Weihnachtsbäumen. Es ist hauptsächlich ein Fest für Kinder, eine Zeit, um viele Süßigkeiten zu essen und Geschenke zu bekommen.
Hinzu kommen Veranstaltungen in der Kirche. Den ganzen Monat Dezember über und an Heiligabend spielen junge Menschen in christlichen Kirchen Weihnachtstheater und geben Weihnachtskonzerte. Während dieser Feste werden die Kirchen oft von 100 bis 300 Gemeindemitgliedern gefüllt. Wir hoffen, dass diese schönen Momente trotz Corona nach und nach zurückkehren.
Weihnachten in der Arabischen Evangelischen Gemeinde ist ein ziemlich bunter Mix. Eben deshalb, weil die Menschen unserer Gemeinde aus sehr unterschiedlichen „Kulturen“ kommen, sowohl geographisch – aus Syrien, Irak, Libanon, Ägypten und Nordafrika – als auch kirchlich. Die meisten kommen ursprünglich aus orientalisch-orthodoxen Kirchen. So bringt jeder seine eigenen Bräuche und Traditionen mit und kann feiern, wie er es gewohnt ist. Das bedeutet reiche und üppige Weihnachtsdekoration, Weihnachtsbaum, Lichterketten und Krippenfiguren: Je mehr, desto schöner. Wobei der Weihnachtsbaum im Nahen Osten inzwischen allgegenwärtig ist: Reich geschmückte, funkelnde Bäume stehen selbst in den Malls der Golfstaaten.
Nach der vorweihnachtlichen Fastenzeit wird kräftig gekocht und gebacken, je nach Herkunftsland ganz unterschiedlich: Zum Beispiel Maamul, Grießplätzchen, gefüllt mit Nüssen oder Datteln, und Kletcha, Hefegebäck, gefüllt mit Datteln.
Die Konvertiten in unserer Gemeinde, die keine eigene Weihnachtstradition haben, orientieren sich an den Bräuchen, die sie hier in Deutschland kennengelernt haben. Neu ist für fast alle der Adventskranz und Arrangements mit Adventskerzen.
Da Weihnachten ein Gemeinschaftsfest ist und viele unserer Gemeindeglieder das soziale Netz der Großfamilie schmerzlich vermissen, kommt der Feier in der Gemeinde hier in der Diaspora besondere Bedeutung zu. Vor allem Menschen, die alleine oder in Gemeinschaftsunterkünften leben und keine Familie in Deutschland haben, nutzen die Gemeinde als neue Familie, mit Gottesdienst, gemeinsamem Essensbuffet und fröhlicher Gemeinschaft.
Es ist zur Tradition geworden, am 25. Dezember einen Gottesdienst für Familien mit Kindern zu feiern. Da einige Besucherinnen und Besucher mit anderssprachigen Partnern kommen, wird der Gottesdienst auf Lettisch und Deutsch gehalten. Es schließt sich ein Gemeindenachmittag an. Die Kinder, manchmal auch Erwachsene, tragen Gedichte vor, spielen kleine Sketche oder spielen etwas auf ihrem Musikinstrument vor. Jeder bringt sein Weihnachtsgebäck mit. Das beliebteste lettische Gebäck ist Pfefferkuchen. Auf Lettisch heißen sie „Piparkukas“.
Weihnachten ist auch in der lettischen evangelisch-lutherischen Kirche ein besonderes Fest. Da das Kirchenleben in Lettland jahrhundelang unter deutscher Leitung stand, sind die Traditionen und Gebräuche den deutschen sehr ähnlich. Das Weihnachtsfest beginnt mit dem Gottesdienst am Heiligen Abend, mit bekannten Liedern in lettischer Übersetzung und dem Weihnachtsbaum. In den Familien sagen die Kinder Gedichte auf und bekommen Geschenke. Dann wird im Familienkreis gegessen, meist geschmortes Sauerkraut, Würstchen und Piroggen, gefüllte Küchlein aus Hefeteig mit Speck. Im Verlauf der Jahrzehnte haben die Letten natürlich auch Bräuche des jeweiligen Gastlandes angenommen.
Als Folge des Zweiten Weltkriegs flohen rund 200.000 Letten aus ihrer Heimat, der größte Teil davon nach Deutschland. Auch ein großer Teil der damaligen Kirchenleitung musste das Land verlassen. Esslingen wurde eines ihrer wichtigsten Zentren. Von hier aus wurde über viele Jahre lang die lettische evangelisch-lutherische Kirche im Ausland geleitet. Im Zuge der Auswanderung nach Übersee gründeten sich Gemeinden weltweit. Es gibt rund 150.
Die Evangelisch-Koreanische Nambugemeinde, eine Teilgemeinde der Friedenskirche Stuttgart, hält traditionell am vierten Adventssonntag Weihnachtsgottesdienste ab. Denn für viele der Gemeindemitglieder, die mit Deutschen verheiratet sind, ist es schwierig, gemäß der deutschen Weihnachtskultur am Weihnachtsgottesdienst der koreanischen Gemeinde teilzunehmen. In unserer Kirche versammeln sich alle Gemeindemitglieder aus Stuttgart, Göppingen, Tübingen und Trossingen zum gemeinsamen Gottesdienst. Es ist eine Zeit voller Lachen und Emotionen, begleitet vom Krippenspiel der Kinderkirche und von wunderschönen Klängen des Kirchenchores.
Für Christinnen und Christen ist Weihnachten eine Zeit, um sozial Benachteiligte und einsame Menschen besonders in den Blick zu nehmen und die christliche Liebe durch Tat zum Ausdruck zu bringen. Zu diesem Zweck sammeln die Mitglieder in vielen Kirchen in Korea zu Beginn des Advents freiwillig Geschenke. Und wenn Weihnachten kommt, teilen sie bei Hausbesuchen Geschenke mit denjenigen, die sich finanziell in einer schwierigen Lage befinden oder einsam sind. Manchmal erhalten die Kirchen Informationen über solche Menschen von der kommunalen Regierung. Darüber hinaus veranstalten viele Kirchenchöre Konzerte in Pflegeheimen, Krankenhäusern und Gefängnissen. Viele Kirchen bieten während der Weihnachtszeit auch Vesper für Obdachlose an. Ich halte es für sehr wünschenswert, dass die Kirche Weihnachten durch diakonische Aktivitäten zu einer Tradition des liebevollen Dienstes macht.
Als ich Weihnachten zum ersten Mal in Deutschland erlebte, war es für mich wie ein Kulturschock. In erster Linie lag das am Weihnachtsmarkt. Denn in Korea kann man zwar in jedem Schaufenster eines Ladens oder Kaufhauses bunten Weihnachtsschmuck finden, es gibt aber keinen Weihnachtsmarkt, der die Straßen und Plätze mit Menschen füllt – und das wochenlang. An Heiligabend und erstem Weihnachtsfeiertag wird es in Deutschland plötzlich still auf den Straßen. Die Menschen bleiben zu Hause, um Zeit mit der Familie zu verbringen. In Korea hingegen sind die Straßen am Heiligabend voller Menschen. Auch Geschäfte und Restaurants bleiben am Weihnachtstag geöffnet.
Als Christ finde ich es schön, dass man die Weihnachtszeit zusammen mit der Familie feiert. Weihnachten scheint in Korea aus den Händen der Christinnen und Christen in die Hände der Kaufleute übergegangen zu sein, wie eine koreanische Zeitung schon vor langer Zeit kritisierte. Es ist ein Trend geworden, dass man Weihnachten für den richtigen Zeitpunkt hält, um auf eine Reise zu gehen, eine Party zu feiern oder sich für ein Date zu verabreden. Aber es gibt auch die Menschen, die sich an Weihnachten einsamer und depressiver fühlen. Für sie fühlt sich die Weihnachtszeit sehr schwer an. Ich hoffe, dass die koreanische Gesellschaft die wahre Bedeutung des Weihnachtsfestes, dass Jesus Christus als Friedensfürst auf die Erde kam, ernster nimmt, und dass die Menschen in Korea mit ihren Familien und denjenigen, die an den Rand gedrängt werden, liebevolle Zeiten verbringen.
Im Gegensatz zu Deutschland ist Weihnachten in der koreanischen Gesellschaft im Grunde weder ein christliches Fest noch ein Familienfest. Es ist ein Tag des Konsums und des Schlemmens, insbesondere für Nichtchristinnen und Nichtchristen. Es kann als Nachahmung der westlichen Kultur, insbesondere der amerikanischen Kultur, beschrieben werden.
Heiligabend ist der Höhepunkt dafür. Menschen versammeln sich etwa in Restaurants oder Hotels, um Chrismas Dinner oder Party zu feiern. Romantische Dates, insbesondere zwischen Liebespaaren, sind am Heiligabend nicht mehr wegzudenken. Bemerkenswerterweise gab es in der militärischen Diktaturzeit in Korea eine nächtliche Ausgangssperre. Diese wurde an Heiligabend aufgehoben. Die Menschen durften die ganze Nacht draußen bleiben und ihre Freiheit genießen.
Für die Christinnen und Christen in Korea ist Weihnachten eine sehr wichtige religiöse Zeit. Die Kirchen feiern an Heiligabend Gottesdienst, Kinder führen ein Krippenspiel und der Kirchenchor eine Weihnachtskantate auf. Nach dem Abendgottesdienst halten Jugendliche und junge Erwachsenen Kerzen in den Händen, besuchen die Häuser der Gemeindemitglieder und singen vor der Haustür Weihnachtslieder. Die Hausbewohner schenken ihnen Kekse oder Kuchen.
Die Jugendlichen oder junge Erwachsenen übernachten anschließend in der Kirche und feiern gemeinsam. Am nächsten Tag halten einige Kirchen um Mitternacht Gottesdienste ab, andere um fünf oder sechs Uhr morgens. Zu dieser Zeit nehmen die Jugendlichen oder die jungen Erwachsenen am Gottesdienst teil. Und um zehn oder elf Uhr morgens versammeln sich alle Gemeindemitglieder wieder zum Weihnachtsgottesdienst in der Kirche. Einen zweiten Weihnachtstag gibt es in Korea nicht.
Weihnachten ist in Korea kein traditioneller Feiertag. Denn Korea war lange Zeit von Schamanismus, Buddhismus und Konfuzianismus geprägt. Erst im 18. Jahrhundert nahm Korea mit dem Christentum Kontakt auf. Inzwischen ist das Christentum laut der Regierungsstatistik im Jahr 2015 die größte Religion in Korea: Etwa 28% der Gesamtbevölkerung sind Christinnen und Christen. Weihnachten, das an die Geburt des Jesuskindes erinnert, ist in Korea wie auch Buddhas Geburtstag ein gesetzlicher Feiertag. Wenn Weihnachten naht, sind Straßen und Geschäfte voller bunter Weihnachtsbeleuchtung. Viele Leute stellen sogar einen Weihnachtsbaum zur Weihnachtsdekoration zu Hause auf. Übrigens soll der erste Weihnachtsbaum in Korea am 24. Dezember 1886 von einer amerikanischen Missionarin an einer von ihr gegründeten Mädchenschule aufgestellt worden sein.