12.05.2021

„Die Menschen sterben auf der Straße“

Helfer schildern die Lage in Indien – Spenden für Essen und Nahrung benötigt

Corona beherrscht Indien, und vielen Menschen fehlt es an fast allem. Sauerstoff ist Mangelware, Impfungen, Masken, Fieberthermometer, Schmerzmittel auch, und vielen Familien fehlt selbst Nahrung. Helfer in Deutschland und in den indischen Partnerkirchen tun ihr Möglichstes, um den Menschen zu helfen - und berichten Erschütterndes. Wie Sie selbst helfen können, lesen Sie weiter unten auf dieser Seite.

Die Partnerkirchen der deutschen Hilfsvereine unterstützen Erdbestattungen, wenn diese gewünscht werden. Dabei gelten strenge Sicherheitsregeln.

Solomon Benjamin, Verbindungsreferent Ostasien/Indien bei der Evangelischen Mission in Solidarität (EMS), wirkt zielstrebig. Er kennt Indien, er weiß, wie dort die Lage im Moment ist, und er möchte vor allem helfen. Doch manchmal wird er ganz leise: Wenn es um seine Geschwister geht, die auf der Intensivstation lagen. „Gott hat geschenkt, dass sie überlebt haben.“ Wenn er von seiner Frau berichtet, die Ihre Mutter zum 80.Geburstag besuchen wollte und in Indien festsaß. Vor allem aber, wenn er die momentanen Zustände in dem bevölkerungsreichen Land schildert.

Die Hilfe kommt nicht selten zu spät

„Unsere Partnerkirchen helfen, dass die Erkrankten zum nächsten Hospital kommen. Vor der Intensivstation ist eine Schlange von einer Meile Länge. Die Menschen sterben auf der Straße“, sagt er bedrückt. Wenn sie es in Krankenhaus schaffen, fehle oft Sauerstoff, um sie am Leben zu halten.

Benjamin war 2020 dreimal in Indien. Anfangs habe es ausgesehen, als habe die Regierung die Lage halbwegs gut im Griff, sagt er, doch dann sei der Leichtsinn eingekehrt: Beim Kumbh-Mela-Fest hätten sich Hunderttausende von Menschen ohne Masken im Fluss Ganges getummelt – mitten in der Pandemie und sogar ein Jahr vor dem eigentlich vorgesehenen Fest-Termin. Auch weitere große Feiern und Veranstaltungen hätten unter mangelhaften Hygienevorkehrungen stattgefunden.

Die EMS-Partnerkirche Church of South India verteilt Lebensmittel und medizinische Ausstattung an die Corona-gebeutelte indische Bevölkerung,

Die zweite Corona-Welle trifft das Land dann mit voller Wucht, vor allem die Dörfer und die Slums. Die Situation ist außer Kontrolle. „Vor einigen Tagen sind 12.000 Menschen an einem einzigen Tag gestorben“, berichtet der EMS-Mitarbeiter. Im Ganges würden mittlerweile Leichen schwimmen. Das Trinkwasser sei aber zum Glück noch nicht verseucht.

Die EMS ist auch für die württembergische Landeskirche im Einsatz und unterstützt die indischen Partnerkirchen nach Kräften. Mit der Church of South-India, seit jüngerer Zeit auch mit der Church of North-India, fördert sie verschiedene Maßnahmen.

Unabhängig von Religion und Status

Neben dem Transport von kranken Menschen aus rund 170 Dörfern in die nahen Krankenhäuser, versorgen die Helfer Menschen mit dem elementarsten medizinischen Bedarf: Masken, Desinfektionsmitteln, Fieberthermometern, Schmerztabletten, Corona-Selbsttestes und Vitamin C. Sie unterrichten die jungen Inder, damit die Bildung unter Corona nicht zu sehr leidet. Für die Kinder aus acht Heimen stellen sie zudem Lebensmittel zur Verfügung. Und zunehmend ermöglichen sie Christen eine Erdbestattung im Sarg statt der in Indien sonst oft schnell durchgeführten Verbrennung.

 „Kirchen, in denen derzeit keine Gottesdienste gefeiert werden können, werden zu Corona-Zentren, in denen Menschen Hilfe finden - und zwar unabhängig von ihrer Religion und ihrem Status“, erzählt Benjamin. So erreiche man Hundertausende von Menschen. Für ihren humanitären Einsatz müssten die christlichen Helfer als unterdrückte Minderheit Repressalien fürchten, aber das halte sie nicht davon ab zu helfen, sagte Benjamin, und etwas Rührung schwingt mit.

So können Sie helfen:

EMS-Spendenkonto: Evangelische Mission in Solidarität e.V., Evangelische Bank, IBAN: DE85 5206 0410 0000 0001 24, BIC: GENODEF1EK1, Verwendungszweck „EMS-Corona-Hilfe“

In den Corona-Zentren bieten Helfer den Menschen Unterstützung an - und zwar ungeachtet der Religion oder des gesellschaftlichen Status.

In vielen Punkten ähnlich klingt die Schilderung von Pfarrer Markus Schanz, Geschäftsführer des Vereins „Kinderheim Nethanja“ in Flein: „Zunächst war es nur eine humanitäre Katastrophe, jetzt ist es auch eine medizinische.“ Die Ansteckungszahlen seien immens hoch, die Dunkelziffer auch.

Zu hören sei von 450.000 bis 500.000 Ansteckungen pro Tag. „Das muss man mal zehn nehmen. Sie testen ja nur die Leute, die im Krankenhaus ankommen.“ Dort fehle Sauerstoff, beklagt der 56-Jährige.  „Unsere Organisation versucht, so gut wie möglich Sauerstoffkonzentratoren zu kriegen, sowie Schutzkleidung fürs Krankenhaus und für Helfer.“

Essen, Medizin und ein würdiger Abschied

Mit seinen vier Partnern konzentrierte sich ihr Verein im Kern auf drei Bereiche, führt Schanz aus: Zunächst seien dies die Lebensmittelhilfe und die medizinische Hilfe. „Und was mich sehr berührt: Es sterben viele Menschen, und Christen wollen erdbestattet werden. So eine Erdbestattung kostet mit Platz auf dem Friedhof rund 400 Euro.“ Zum Vergleich: Ein Tagelöhner verdiene – je nach Arbeit - zwischen zwei und fünf Euro am Tag. Die Helfer der Partnerkirche führten in Schutzkleidung Beerdigungen durch. „Sie stehen dann in der blauen Vollmontur auf dem Friedhof.“

Millionen von Tagelöhnern gebe es in Indien, führt Schanz aus. „Gibt es einen Lockdown, haben sie sofort kein Geld mehr – das geht von einem Tag auf den anderen. Deshalb ist auch die Lebensmittelhilfe ganz wichtig, vor allem in den Slums und den abgelegenen Dschungeldörfern, mit denen wir verbunden sind.“

Ein Bild aus besseren Tagen: 2020, vor dem Corona-Ausbruch, war Pfarrer Markus Schanz noch in Indien und hat mit den Menschen dort Gottesdienst gefeiert.

Besonders bedrückt ihn die Situation der Waisenkinder: Wegen Corona seien nur noch die Vollwaisen in den Heimen, also nur rund 10 Prozent der Kinder, berichtet Schanz. „Die anderen sind irgendwo untergekommen.“ Wenn sie noch Eltern hätten, litten sie dort oft unter Armut, Krankheiten wie Aids, Kriminalität, Drogen und Alkohol. „Das beschäftigt uns sehr, sie waren schließlich nicht ohne Grund im Heim.“ Nicht nur in Deutschland werden psychische Probleme größer. „Wir versuchen, sie wenigstens einmal im Monat zu besuchen und Sachen vorbeizubringen.“

Der Bischof der größten ihrer vier Partnerkirchen, die allein etwa die Hälfte der Arbeit ihres Vereins ausmache, habe jetzt mal eine Rechnung aufgemacht, berichtet der Geschäftsführer – nur für Mai und Juni. „Das war wahnsinnig viel“, sagt er: Reis, Öl oder Linsen für Familien, 500 mal 10 Euro, medizinische Hilfe für Pastoren und arme Gläubige in Slum oder im Dschungel, 100 mal 500 Euro, 25 mal 3000 Euro für verarmte Menschen auf Intensivstationen, 50 mal 400 Euro für Begräbnisse. „Sie sehen die Not und haben ein Riesenherz und ein Riesengottvertrauen.“ Der Verein könne davon – wenn es hoch komme – 5 bis 10 Prozent abdecken.

Spenden machen Helfern und Betroffenen Mut

Hoffnungsfroh stimme ihn, so Schanz, dass die Spenden durch Corona nicht eingebrochen seien. Im Gegenteil: „Wir haben 2020 rund 50 Prozent mehr Spenden bekommen als 2019 – das war unglaublich.“  Auch im vorigen Monat sei das Spendenaufkommen hoch gewesen, sagt er dankbar. „Zumindest erst einmal bis Juni geht alles, was reinkommt, sofort nach Indien.“ Außerdem macht er klar: „Gebet ist uns mindestens genauso wichtig wie finanzielle Unterstützung.“

So können Sie helfen:

Nethanja-Spendenkonto: Nethanja Indien e.V., Volksbank Herrenberg-Nagold-Rottenburg, IBAN: DE04 6039 1310 0673 0360 06, BIC: GENODES1VBH

Im Folgenden finden Sie den EMS-Spendenaufruf sowie zwei Gebets-Vorschläge:

EMS: Die Evangelische Mission in Solidarität (EMS) e. V. ist eine Gemeinschaft von Kirchen und Missionsgesellschaften auf drei Kontinenten. 25 evangelische Kirchen und fünf Missionsgesellschaften in Europa, Afrika, Asien und dem Nahen Osten bilden ein internationales Netzwerk langfristiger Partnerschaften. In Deutschland gehören der EMS die evangelischen Landeskirchen in Baden, Hessen-Nassau, Kurhessen-Waldeck, Pfalz, Württemberg und die Evangelische Brüder-Unität (Herrnhuter Brüdergemeine) sowie die Deutsche Ostasienmission (DOAM), die Basler Mission Deutscher Zweig (BMDZ) und der Evangelische Verein für die Schneller Schulen (EVS) an. Die EMS unterstützt mit ihrer Corona-Hilfe alle Mitgliedskirchen, die besonders von der Corona-Pandemie betroffen sind.

 

EMS-SPENDENKONTO: Evangelische Mission in Solidarität e.V., Evangelische Bank, IBAN: DE85 5206 0410 0000 0001 24, BIC: GENODEF1EK1, Verwendungszweck „EMS-Corona-Hilfe“

Nethanja Indien: Die indische Nethanja-Kirche hat zwei große Hauptanliegen: den Ärmsten der Armen beizustehen und die frohe Botschaft von Jesus Christus zu verkündigen. „Nethanja“ ist hebräisch und bedeutet „Gott hat gegeben“. Markus Schanz ist zu 100 Prozent Pfarrer – aber zu 50 % freigestellt für die Arbeit als Geschäftsführer von Nethanja. Die Landeskirche beteiligt sich bis 2024 zur Hälfte an den Versorgungskosten für Nethanja. Vorsitzender des Vereins ist der Marbacher Dekan Dr. Ekkehard Graf. Auch über die Württembergische Evangelische Arbeitsgemeinschaft für Weltmission (WAW) ist der Verein mit der Landeskirche verbunden. Nethanja Indien können Sie hier unterstützen: www.nethanja-indien.de.

 

NETHANJA-SPENDENKONTO: Nethanja Indien e.V., Volksbank Herrenberg-Nagold-Rottenburg, IBAN: DE04 6039 1310 0673 0360 06, BIC: GENODES1VBH

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