Der Advent ist eine Zeit der Hoffnung, und gerade in diesen Zeiten voller Ungewissheit ist Hoffnung wichtig für den Menschen. Wenn die Sorgen, Nöte und Ängste übermächtig zu werden drohen, kann Leid klagen guttun und Hoffnung geben. Klagen und hoffen gehören zusammen - das betont Pfarrer Malte Jericke in seinem geistlichen Impuls zum 2. Advent.
Ist doch alles nicht so schlimm, jetzt jammere doch mal nicht so rum! Das hab' ich neulich einem Freund gesagt. Er hat sich über alles Mögliche beschwert. Ich fand das irgendwie übertrieben. Man findet doch immer jemanden, dem es noch schlechter geht.
Im Nachhinein hab ich es aber bereut, dass ich ihn so direkt abgewürgt habe. Klar, manchmal beschweren sich Menschen über jede Kleinigkeit. Aber es gibt auch Klagen, die Ausdruck echter Not sind. Und vieles dazwischen. Da sollte ich einfach erstmal zuhören und nicht urteilen. Und vielleicht hätte es meinem Freund auch einfach gut getan, sich mal so richtig auszujammern.
Über seine Ängste und Sorgen klagt auch das Volk der Israeliten in der Bibel im Predigttext des heutigen Sonntags. Die Israeliten haben alles verloren: ihre Heimat, ihren Tempel, also ihr religiöses Zuhause. Das sind wahrlich keine Kleinigkeiten. Sie klagen Gott an:
„Wo sind deine brennende Liebe und deine Macht? Wo ist deine Barmherzigkeit – wir merken nichts davon.“ (Jesaja 63,15)
Die Israeliten haben sich auf Gottes Hilfe verlassen und wurden enttäuscht. Anscheinend hört er Ihnen nicht zu. Er hat seine Macht nicht gezeigt; er war nicht barmherzig. Da hat man allen Grund zur Klage. Und anscheinend tut es den Israeliten gut zu klagen. Sie werden wieder zuversichtlicher. Denn es heißt weiter:
„Keiner hat jemals einen Gott wie dich gesehen. Du tust denen Gutes, die auf dich hoffen. (Jesaja 64,3)
Die Israeliten sind sich sicher: Es kommen irgendwann bessere Zeiten. Gott wird sie irgendwann erhören und wieder gut behandeln. Sie dürfen nur die Hoffnung nicht verlieren. Ja, klagen und hoffen – das gehört bestenfalls zusammen. Und beides hat seine Berechtigung. Wer klagen kann, findet neue Hoffnung. Das mach die Klage erträglicher. Ich denke, das ist besser, als Sorgen und Ängste einfach beiseite zu schieben.
Dass sich zur Klage die Hoffnung gesellt – das ist in der Bibel fast immer so. Und das wünsche ich mir auch für all jene, die heute in Not sind:
Männer und Frauen, die auf der Intensivstation um ihr Leben ringen. Angehörige, die um ihre Liebsten bangen. Pfleger, die unter einem ausbeuterischen System und der Unvernunft mancher Menschen leiden. Menschen, die um ihre wirtschaftliche Existenz fürchten.
Sicher, es ist manchmal fast unmöglich in all der Not, die Hoffnung nicht zu verlieren.
Aber ich glaube, es hilft, die eigene Hoffnung zu zeigen und zu teilen. Heute zünden wir schon zwei Kerzen am Adventskranz an. Für mich sind das Lichter der Hoffnung. Ich zünde sie auch für diejenigen an, die so viel klagen oder Not sehen, dass ihnen die Hoffnung ausgeht. Denn es sind zwar kleine Flammen. Aber sie leuchten hell. Sie vermehren sich von Woche zu Woche. Das lässt mich hoffen.