04.10.2021

„Raum für den Austausch geben“

Interview mit Oberkirchenrätin Carmen Rivuzumwami über die wichtige Rolle des Religionsunterrichts in der Pandemie

Wie hilft Religionsunterricht Kinder im Umgang mit ihren Sorgen und Sinnfragen - gerade in Zeiten der Corona-Pandemie? Darüber spricht im Interview Oberkirchenrätin Carmen Rivuzumwami, die am 28. September feierlich in ihr Amt als Bildungsdezernentin der Landeskirche eingeführt worden ist.

Der Religionsunterricht wurde in der Corona-Pandemie zu einem Ort, an dem sich Schülerinnen und Schüler über Ängste und Fragen austauschen können.

Frau Rivuzumwami, das dritte Schuljahr unter Pandemiebedingungen hat soeben begonnen. Was für Auswirkungen hat Corona für den evangelischen Religionsunterricht in Württemberg?

Carmen Rivuzumwami: Das ist je nach Klassenstufe unterschiedlich. Für Grundschüler wurden viele Vorfreuden enttäuscht; hier war es wichtig, Raum für den Austausch zu geben und zu hören, was den Kindern Angst macht, aber auch Trost gibt. Den Größeren ging es mehr um Sinnfragen: Nach der schwerwiegenden Corona-Erfahrung war die Frage nach dem „Warum lässt Gott das zu?“ noch aktueller und drängender, ebenso wie die Frage nach der Zukunft.

Es ist nicht neu, dass sich eine junge Generation Gedanken um die Zukunft macht - zu Beginn der 80er-Jahre gab es auch schon die „No Future“-Bewegung. Doch jetzt ist die Frage „Hat die Erde eine Zukunft und habe ich darin eine Zukunft?“ viel existenzieller. Es geht darum, eine Religionspädagogik der Hoffnung zu entwickeln, die betont, dass es gut ist, dass wir in dieser Welt sind und die ermutigt, hoffnungsfroh in die Zukunft zu blicken, Verantwortung zu übernehmen und die Welt zu gestalten.

Oberkirchenrätin Carmen Rivuzumwami leitet das Dezernat „Kirche und Bildung“ der Evangelischen Landeskirche.

Haben Sie den Eindruck, dass der Religionsunterricht in der Corona-Zeit wesentlicher für das Schulleben geworden ist?

Rivuzumwami: Absolut. Das bekommen wir auch im Gespräch mit dem Ministerium und Schulleitungen zurückgemeldet. Religionsunterricht ist vielleicht nicht systemrelevant, aber existenzrelevant. Es ist keine Plauderstunde, sondern ein ordentliches Schulfach, indem wir selbstverständlich auch Wissen vermitteln. Aber wir schaffen insgesamt Raum und Zeit, um das Wissen einzubetten in die Traditionsgeschichte des Christentums. Da haben wir den Gott, der bei den Menschen war, ist und sein wird, der auch heute für uns da ist.

Die Corona-Erfahrung hat wie durch ein Brennglas mehr als deutlich gezeigt, dass wir insgesamt Schule neu denken müssen: Alte Lernstrukturen müssen über den Haufen geworfen werden und stattdessen braucht es mehr als zuvor eine Pädagogik, die sich an den Bedürfnissen der Kinder und Jugendlichen ausrichtet.

Könnte auch die Schulseelsorge ihren Teil dazu beitragen, auf die Bedürfnisse der Schülerinnen und Schüler einzugehen?

Rivuzumwami: Schon vor der Pandemie haben wir die Schulseelsorge in Kooperation mit der Diözese Rottenburg-Stuttgart ausgebaut. Wir bieten diese als ökumenisches Tandem an, und sie ist ein Angebot an alle, auch an Schülerinnen und Schüler, die nicht am Religionsunterricht teilnehmen. Ausgebildete Schulseelsorger bieten Sprechstunden oder Tage der Orientierung an oder sind in der großen Pause auf dem Schulhof ansprechbar.

Außerdem haben wir - das Pädagogisch-Theologische Zentrum (PTZ) und mein Dezernat - in der Pandemie einen Schulseelsorgechat aufgebaut, in dem ausgebildete Schulseelsorger für eine gewisse Zeit jeden Tag zum Chat zur Verfügung stehen. Die Schüler gelangen über einen Button auf ihrer Schulhomepage zum sogenannten „Soulchat“, der eine sehr große Resonanz hat. Letztes Jahr war der Chat in den Sommerferien vollkommen ausgelastet. Viele Landeskirchen haben die Idee eines Seelsorgechats seitdem übernommen.

Wie viele Erstklässler besuchen etwa den Religionsunterricht in Württemberg im neuen Schuljahr?

Rivuzumwami: Es ist sehr schön, dass über die Jahre die Teilnahme am evangelischen Religionsunterricht mit kleinen Schwankungen gleichgeblieben ist. Etwa 44 Prozent der Erstklässler nehmen an ihm teil. Wir beobachten, dass innerhalb dieser Gruppe die Zahl der evangelisch getauften Kinder abnimmt und die Zahl der nichtkonfessionell gebundenen Kinder stetig zunimmt. Im letzten Schuljahr waren 27,9 Prozent der Kinder, die am Religionsunterricht teilnahmen, nicht getauft.

Und eine weitere Entwicklung gibt es: Wir Kirchen setzen sehr auf den Ausbau des „konfessionell kooperativen Unterrichts“. Jedes Jahr gibt es vor allem im Grundschulbereich mehr Klassen, an dem evangelische und katholische Schülerinnen und Schüler gemeinsam von Lehrkräften beider Konfessionen im Wechsel unterrichtet werden. Dadurch lernen die Kinder und Jugendlichen ihre je eigene Konfession authentisch kennen und erkennen zugleich die Gemeinsamkeiten und die Unterschiede.

Zum Schulstart gab es für Erstklässler von unserer Landeskirche ein Schultagebuch, das diese beim Schulstart begleiten möchte. Spielerisch können die ABC-Schützen damit den großen Fragen des Daseins nachgehen - mit ihren Eltern oder im Religionsunterricht.

epd

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