Stuttgart. Mit dem Lockdown wurden auch die Konfirmationen in den Kirchengemeinden der Evangelischen Landeskirche abgesagt. Von diesem Zeitpunkt an hieß es für die Konfirmandinnen und Konfirmanden vor allem: Geduld haben. Jetzt fanden die ersten Konfirmationen in diesem Jahr statt. Trotz vieler Einschränkungen erlebten die jungen Menschen freudige Feiern mit ihren Familien. Auch der Konfirmandenunterricht läuft wieder an.
In der Evangelischen Kirchengemeinde Knittlingen war die Konfirmation im Mai geplant, dann kam die Corona-Krise. Nach Monaten des Wartens rückten die Lockerungen im Juni eine Konfirmation wieder in den Bereich des Möglichen. Pfarrer Hans Veit bot drei Termine an: Juli, Oktober oder März 2021. Das Ergebnis: Je ein Drittel stimmte für einen Termin.
Wer im Oktober oder März feiern will, berichtet Veit, wolle mehr Gäste einladen, vor allem auch die Großeltern. Dies erscheine manchen jetzt noch zu riskant. Für die erste Gruppe war es am 12. Juli soweit: Im historischen Pfleghof, in dem derzeit auch die Gottesdienste stattfinden, erlebten die Konfirmanden ihren großen Tag. Endlich.
In zwei Gottesdiensten mit drei und vier Konfirmanden feierte man in Knittlingen. Dass es zwei Mal der gleiche Gottesdienst war, bezeichnet Pfarrer Veit als „gewöhnungsbedürftig“, die Konfirmanden störte es nicht. Alle sieben waren beide Male dabei, und beteiligten sich mit XXL-Legosteinen, aus denen sie zum Thema „Lebendige Steine“ ein Haus bauten.
„Sehr familiär“ fand Hans Veit die Feiern, jede Familie umfasste etwa 20 bis 30 Gäste, die Abstandsregeln funktionierten. Bei der Einsegnung knieten die Konfirmanden in zwei Metern Abstand vom Pfarrer. „Die Kids hatten keine Probleme damit“ berichtet er. Sie saßen auch während des Gottesdienstes einzeln statt zusammen, und sagten ihre Sprüche einzeln auf. Statt Gesang gab es eine Band und einen Familienchor.
Wie kam das Konzept an? „Alle waren begeistert, es war wie ein Gartenfest", sagt er. Hans Veit hat sich vorher viele Gedenken gemacht, wie er eine passende Atmosphäre schaffen könne. „Sich freuen an dem, was möglich ist, und sich nicht daran aufhalten, was nicht geht", lautete seine Mahnung im Vorfeld. Er versprach eine Konfirmation, die in die Geschichte eingehen werde.
Bis zu den Konfirmationen im Oktober und im März gelte es jetzt, den Spannungsbogen zu halten, sagt Pfarrer Veit. Dann plant er, mit allen Konfirmanden des aktuellen Jahrgangs zusammen Abendmahl zu feiern.
Auch Pfarrer Matthias Krauter von der Kirchengemeinde Vaihingen/Enz sieht die Herausforderungen, die mehrere Konfirmationstermine mit sich bringen. Er feiert mit den diesjährigen Konfirmanden zwei Mal im September, zwei Mal im Mai 2021, zum Teil zusammen mit dem neuen Jahrgang. Um die Gemeinschaft der jetzigen Gruppe zu bewahren, plant er einen Konfi-Treff, an dem alle teilnehmen dürfen. „Es gibt viel nachzuholen", sagt er.
Die Hygiene-Regeln, die derzeit wegen der Corona-Pandemie gelten, werden auch diese Konfirmation prägen. In Vaihingen/Enz wird in der Kirche konfirmiert, der Platz ist begrenzt: „Die Familien müssen sich überlegen, wer mitgehen darf", äußert Matthias Krauter mit Bedauern. Bislang vertraute Elemente, wie ein Gruppenbild aller Konfirmanden und Chorgesang, sind gestrichen. Die Einsegnung wird einzeln, mit Maske und Abstand erfolgen, ohne Paten.
Trotzdem soll es ein Festgottesdienst werden. „Ich plane eine Probe mehr ein als sonst", weiß Krauter schon jetzt, denn die genauen Abläufe zeigten sich erst vor Ort, bis hin zu den Wegen, die man in der Kirche nimmt.
Noch offen ist für Pfarrer Jens Keil von der Kirchengemeinde Aldingen Süd, wie genau er die Einsegnung vornimmt. Eine Idee ist, die Eltern die Hand auflegen zu lassen und dann die Gruppe zu segnen. In seiner Kirchengemeinde in Aldingen Süd gibt es an zwei Wochenenden im Oktober 16 Konfirmationen. 15 Minuten hat Pfarrer Keil pro Konfirmation, dazwischen wird desinfiziert. Das hat den Vorteil, dass die Familien mehr Gäste mitbringen können. Er habe es nicht übers Herz gebracht, die Familien außen vor zu lassen, ihnen eine geringe Anzahl Gäste vorzuschreiben, sagt er.
Damit trotzdem alle Konfirmanden „anwesend“ sind, gibt es ein Musikvideo, zu dem alle - getrennt - beigetragen haben und das danach zusammengeschnitten wird. Die vielen kreativen Lösungen in der Krise, die oft gelobt werden, findet er positiv, sieht aber auch die Anstrengung, die sie bedeuten. Das Grundproblem sei nicht gelöst: „Wir sind unserer Kernkompetenz beraubt: Kontakt und Gemeinschaft“, erklärt er. „Das macht uns nackt.“ Aber man dürfe nicht aufgeben; die Kirche müsse sich verändern, jetzt geschehe das im Eiltempo.
Pfarrer Markus Gneiting plant wie seine Kollegen im Herbst mehrere Konfirmationen mit bis zu sechs Konfirmanden in den Gemeinden Pfeffingen, Burgfelden und Onstmettingen, wenn möglich draußen, sonst in der Kirche mit Hygienekonzept. Er denkt auch an einen möglichen neuen Lockdown: Dann will er eine Familiensegnung machen, notfalls bei den Konfirmanden zu Hause. Die Details plant er lieber erst kurzfristig, und stellt sich aufgrund der Erfahrungen der letzten Monate auf Änderungen ein.
Schon fest steht, dass es kurze Gottesdienste ohne Gesang sein werden, für die Einsegnung trägt er ein Visier. „Ich will auf keinen Fall noch einmal verschieben", sagt er; es sei schon bis Herbst schwer, die Spannung aufrechtzuerhalten. Für das Gemeinschaftsgefühl unter den Konfis soll es – wenn möglich – für alle eine „One-Year-After-Party“ geben.
Bernd Wildermuth, Landesjugendpfarrer der Evangelischen Landeskirche in Württemberg, sieht in den „anderen“ Konfirmationen, die in diesem Jahr gefeiert werden, Chancen für neue Erkenntnisse. Er berichtet von der Evangelischen Kirchengemeinde in Jagstfeld, in der ein Konfirmand selbst vorschlug, die Einsegnung mit viel Abstand, stehend, von Angesicht zu Angesicht mit der Pfarrerin vorzunehmen. Das sei für alle stimmig gewesen, und danach sei die Bitte aufgekommen, das in Zukunft immer so zu handhaben.
„Das Individuelle erhält eine größere Rolle“, so Wildermuth. Eine andere positive Erfahrung sei es, die Familien sichtbarer zu machen - gerade durch das getrennte Sitzen der einzelnen Familien. „Die Familienfeier verbindet sich noch mehr mit dem kirchlichen Fest“, sagt er, indem auch weniger kirchenaffine Familien sichtbar werden.
Wie erhält man die Gemeinschaft in Corona-Zeiten? Vor dieser Herausforderung stand auch der Konfirmandenunterricht in den letzten Monaten. Es war schwer, in dieser unsicheren Zeit den Kontakt zu halten, berichtete Markus Gneiting, es habe wenig Rückmeldung gegeben. „Worauf arbeite ich hin?“, diese Frage beschäftigte ihn selbst auch. Jetzt hält er noch vor den Sommerferien einige Stunden Konfirmandenunterricht mit dem aktuellen Jahrgang ab. Es sei wichtig, zu zeigen, dass nicht alles wegfalle in der Corona-Krise, sondern vielmehr zu fragen: „Was hat der Glaube mit Corona zu tun?“ Und zu zeigen: „Kirche ist da.“ Die Konfirmanden schätzten den Unterricht wieder. Die Konfirmanden des neuen Jahrgangs hat er gerade in Freiluftgottesdiensten begrüßt.
Pfarrer Jens Keil beschreibt den Unterricht mit Abstand als nicht möglich. Stattdessen hat er sich mit den Konfirmanden einzeln und in Dreiergruppen getroffen. Er sorgt sich um die Jugendarbeit insgesamt, als Folge der Corona-Krise: Normalerweise engagierten sich bis zu drei Viertel der Konfirmanden nach der Konfirmation weiter in der Jugendarbeit. „Jetzt gibt es kein Wir-Gefühl“, es sei etwas abgebrochen. Für ihn ist es deshalb fraglich, ob jemand weitermache.
Pfarrer Markus Gneiting teilt diese Besorgnis; umso wichtiger sei es, wieder präsent zu sein, und dafür zu sorgen, dass junge Menschen zeitgemäß Kirche erleben. Das Signal müsse sein: „Es geht weiter, aber anders. Wir Christen nehmen unseren Platz in der Gesellschaft ein.“
Judith Hammer