Stuttgart/Hannover. Die Corona-Pandemie hat der evangelischen Kirche einen Digitalisierungsboom beschert. Mehr als vier von fünf befragten Gemeinden geben in einer repräsentativen EKD-Studie an, während der Krise digitale Verkündigungsformate angeboten zu haben. Und es zeigt sich: Württemberg war schon vor der Pandemie vergleichsweise fortschrittlich.
Einen wahren Schub in Sachen Digitalisierung sieht die Evangelische Kirche in Deutschland (EKD) nach Auswertung der Ad-hoc-Studie mit insgesamt 116 beteiligten Kirchenkreisen aus vier Landeskirchen. Die württembergische Landeskirche (ELKW) ist mit 44 Kirchenkreisen ganz vorn mit dabei, andere Antworten kommen aus der Nordkirche, der Mitteldeutschen Kirche (EKM) und der Evangelischen Kirche in Kurhessen Waldeck (EKKW).
Insgesamt 81 Prozent der befragten Gemeinden geben an, infolge der Krise und der daraus resultierenden Einschränkungen digitale Verkündigungsformate angeboten zu haben.
Und das mit großem Erfolg. Der Vergleich zwischen Gottesdienstbesuchern an einem normalen Sonntagsgottesdienst vor der Krise und einem digitalen Gottesdienst an einem normalen Sonntag während der Krise zeigt einen Zuwachs von 287 Prozent. Die Studie spricht hier von einem „Nachfrage-Boom“. Zusammengenommen erzielen die digitalen Verkündigungsangebote der vier befragten Landeskirchen eine Reichweite von 6.548.279 Menschen.
Landesbischof Dr. h. c. Frank Otfried July ist dankbar für das große Engagement der Gemeinden: „Ich freue mich sehr darüber, dass die Kirchengemeinden so schnell und gut die analog mögliche Arbeit mit starken digitalen Angeboten ergänzt haben. Und dass sie damit weitermachen wollen.“
Denn auch das macht die repräsentative Erhebung deutlich: Mehr als zwei Drittel der beteiligten Gemeinden wollen auch nach dem Lockdown an den digitalen Formaten festhalten. In Württemberg sind es sogar 73,6 Prozent – und damit die meisten.
July verspricht: „Das werden wir als Landeskirche weiter unterstützen. Dieses Engagement macht mich zuversichtlich für die Zukunft unserer Kirche, die sich auch strukturell für neue Zeiten aufstellen will und an dieser Stelle gezeigt hat: Das ist nicht nur möglich, sondern gelingt auch.“
Das digitale Engagement von ELKW passt ins Bild, denn Württemberg ist schon vor der Corona-Pandemie vergleichsweise fortschrittlich: Mehr als ein Viertel der Befragten hat hierzulande schon vorher digitale Verkündigungsformate angeboten. Das ist im Vergleich der Studie der höchste Anteil.
Der digitale Gottesdienst steht besonders hoch in der Gunst der Württemberger während der Krise: Eine deutliche Mehrheit der hiesigen Gemeinden (83,8 Prozent) bietet solche Gottesdienste an, dagegen ist etwa in der EKM und der Nordkirche der Anteil der Andachten höher.
Eine Veränderung gibt es während des Shutdowns hinsichtlich der Plattformen und Medien. Vor der Krise besteht das Angebot noch vor allem aus Verkündigungstexten, die auf Webseiten vermittelt werden.
Das wandelt sich in den vergangenen Wochen und Monaten deutlich: Während diese Angebote auf der Website in der Krise um fast ein Viertel zurückgehen, boomen andere Angebotsformen, allen voran Youtube mit einem satten Plus von 30,9 Prozent. Zulegen können aber auch Facebook (7,9 Prozent) und Instagram (2,7 Prozent). Insgesamt werden mehr als 60 Prozent der Inhalte über klassische soziale Plattformen angeboten – das entspricht einer Zunahme um 41,5 Prozent.
Darüber hinaus streamt in dieser Zeit rund jede vierte befragte Gemeinde Verkündigungsformate live, bei etwa jeder dritten gibt es die Möglichkeit, Gebetsanliegen einzubringen. Mehr als die Hälfte arbeitet mit unterschiedlichen Blickwinkeln, mehr als ein Drittel auch mit dynamischen Elementen, beispielsweise Drohnen-Aufnahmen.
Nicht zuletzt stellt die Studie fest: „Während der Corona-Krise wurde einem das ‚Fremdgehen‘ leichtgemacht.“ Rein christlich, versteht sich. So können Gläubige trotz des Shutdowns leicht mal einen Blick auf Gottesdienste und -formate anderer Gemeinden werfen. Ein Fazit der Erhebung lautet dann auch: „In Anbetracht des allgemeinen Nutzerverhaltens ist zu vermuten, dass eine Verkündigung ‚on demand‘ (auf Nachfrage) künftig an Bedeutung gewinnen wird.“
Die Evangelische Landeskirche in Württemberg hatte bereits 2017 ihr eigenes Digitalisierungsprojekt gestartet und daraus eine Roadmap und organisatorische Strukturen abgeleitet und umgesetzt, die in der Krise geholfen haben, rasch die wichtigen Themen zu erkennen und anzugehen.
Wenke Böhm / elk-wue.de