Der Hugenotten- und Waldenserpfad folgt den Hauptfluchtrouten evangelischer Christen Ende des 17. Jahrhunderts aus der südfranzösischen Dauphiné und den piemontesischen Tälern Italiens. Er führt über die Gegend des Genfer Sees bis Schaffhausen und durch Baden-Württemberg bis ins nordhessische Bad Karlshafen: 1.800 Kilometer europäischer Kulturwanderweg, der auch an Flucht, Exil und Integration erinnert.
Etliche der Glaubensflüchtlingen fanden in Deutschland eine neue Heimat, etwa 3.000 aus dem Piemont kommende Waldenser hauptsächlich in Württemberg.
Privilegien sollten zum Bleiben ermuntern
Eberhard Ludwig von Württemberg (1676 – 1733) versprach sich durch die Ansiedelung der Glaubensflüchtlinge Wirtschaftsimpulse und einen rascheren Aufbau des durch den Dreißigjährigen Krieg und den Pfälzer Erbfolgekrieg zerstörten Landes.
Pilgern boomt. Seit Jahren schon. Und auch in Corona-Zeiten sind Pilger unterwegs, vor allem einzeln, nur tageweise und auf regionalen Pilgerwegen. Elk-wue.de stellt in diesem Jahr in unregelmäßigen Abständen Glaubens- und Pilgerwege vor und spricht mit Menschen über ihre Pilgererfahrungen.
Privilegien sollten die Anhänger dieser ältesten reformatorischen Glaubensbewegung zum Bleiben bewegen. Gegründet worden waren die Waldenser bereits im 12. Jahrhundert durch den reichen Lyoner Kaufmann Petrus Waldes, der ganze Texte der Bibel in die okzitanische Volkssprache übersetzen ließ. Folgendes wurde ihnen nun in Aussicht gestellt: Religionsfreiheit, das Recht auf Selbstverwaltung, das Recht, weiterhin öffentlich Französisch zu sprechen, eine zeitlich begrenzte Gewerbefreiheit sowie die Befreiung von Steuern und Frondiensten – ganz zum Missfallen mancher Einheimischer.
Neue Berufe kommen – Privilegien gehen
Neue Orte entstanden. Perouse, Pinache und Serres, Groß- und Kleinvillar gehören etwa zu den Ortsgründungen aus dieser Zeit. Ebenso Wurmberg und Dürrmenz mit seinen Filialen Corres, Sengach und Schönenberg, um nur einige zu nennen. Und die Neuankömmlinge brachten neue Berufe mit.
So siedelten sich etwa Perückenmacher, Uhrmacher, Hutmacher und Seidenweber an. Der erhoffte Wirtschaftsaufschwung blieb aber aus.
Später verloren sie ihre Privilegien wieder. Sie wurden den anderen Bürgern gleichgestellt. Ihre Kirchengemeinden wurden in die evangelischen Landeskirchen aufgenommen, die französische Sprache im Gottesdienst und im Schulunterricht untersagt.
Sitz der Deutschen Waldenservereinigung
In Schönenberg, einem Teilort des nicht einmal 5.000 Einwohner zählenden Fleckens Ötisheim nahe Mühlacker und Pforzheim findet sich heute das wohl bedeutendste Waldensermuseum mit dem größten Archiv außerhalb des Piemont. Gleichzeitig ist das von Henri Arnaud gebaute und nach ihm benannte Haus Sitz der Deutschen Waldenservereinigung. „Arnaud war in ganz Europa unterwegs, um für die Waldenser Zufluchtsorte und Heimat zu finden“, betont Dorothea Vinçon, die Präsidentin der Deutschen Waldenservereinigung.
Arnaud – ein europäisches Leben
1643 in Embrun in Frankreich geboren, wurde Arnaud später einer der einflussreichsten Pfarrer in den piemontesischen Waldensertälern. Er regte den bewaffneten Widerstand gegen den Herzog von Savoyen an, als den Waldenser die Ausübung ihres Glaubens verboten wurde. Nach der Niederlage und Vertreibung setzte er sich für die erfolgreiche Rückkehr in die Waldensertäler ein. Als die aus Frankreich stammenden Waldenser erneut aus dem Piemont vertrieben werden sollten, ließ er sich in Württemberg nieder und wurde Pfarrer der französischen Kolonie in Dürrmenz. Zu seinen Gemeinden gehörten auch die Waldenser und Hugenotten in Schönenberg, Corres und Sengach.
Lux lucis in tenebris
Das von Arnaud 1702 gebaute Fachwerkhaus liegt eingebettet im satten Grün der Bäume. Hinter dem Gebäude findet sich ein „Garten der Erinnerung“ mit jüngeren und älteren Grabsteinen, die waldensische Nachnamen zieren. Rechts am Eingang zu den Büros und dem Museum prangt das Waldenserlogo.
Eine brennende Kerze in einem Leuchter auf einer Bibel stehend, umgeben von sieben Sternen und dem lateinischen Schriftzug „lux lucit in tenebris“ – Licht leuchtet in der Finsternis, ein Zitat aus dem Johannesevangelium.
Und eine Erinnerung an Torre Pellice, das historische Zentrum der Waldenserkirche im Piemont, das früher Torre di Luserna hieß, und eine Abwandlung des Wappens der Grafen von Luserna.
Die sieben Sterne symbolisieren die sieben Gemeinden aus der Offenbarung des Johannes, die aller Bedrängnis zum Trotz dem Evangelium treu geblieben sind.
Innen im Haus, mit seiner ausgetretenen Treppe und den niedrigen Decken finden sich zahlreiche Schautafeln, die 800 Jahre Waldensergeschichte in Erinnerung rufen.
Ihre vorreformatorische Herkunft, die sie von den Hugenotten unterscheidet und der Bezug zu Calvin, der sie mit den Hugenotten verbindet, die Fluchtgeschichte und die Wiederbelebung des Waldensererbes in Deutschland.
Aber auch die bäuerliche Küche mit mächtig gemauertem Herd und Backofen, die Wohnstube und Henri Arnauds Studierzimmer mit Schreibtisch, Feder und Bibel legen Zeugnis vom Alltagsleben des waldensischen Pfarrers ab.
Gott braucht keine Vertreter
Auch die Figur eines „Barba“, eines Wanderpredigers, tief über die Bibel gebeugt, erzählt aus dem Leben der Waldenser. Diese Barben – Männer und Frauen in der Nachfolge des Petrus Waldes, die in Armut und unverheiratet lebten, zogen von Dorf zu Dorf, predigten, luden zu Abendmahl und Beichte ein, unterwiesen die Gläubigen und machten ihnen Mut.
Auch eine wichtige Aufgabe einer Untergrundkirche. „Barba“, das auf Italienisch „Onkel“ heißt, markiert einen bewussten Gegensatz zum katholischen „Padre“, Vater. Denn im waldensischen Verständnis sind Barben eher Ratgeber denn amtlich legitimierte Autoritäten. Gott spricht allein durch die Bibel zu den Menschen, das glauben und bezeugen die Waldenser. Insofern ist in ihren Augen die Kirche immer nur Gottes Dienerin, keinesfalls seine Vertreterin, weil Gott - ihrer festen Überzeugung nach - keine Vertreter braucht.
Stephan Braun
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Eine generelle Öffnungszeit kann derzeit bis auf weiteres nicht angeboten werden.