Stuttgart. Wochenlang galt der Corona-Lockdown, seit kurzem sind nun wieder Gottesdienste möglich. Den Auftakt macht der württembergische Landesbischof Dr. h. c. Frank Otfried July am Samstag, 9. Mai - mit einer Predigt zu Krieg, Hass und Verantwortung.
Vieles ist zu bedenken, bevor dieser Gottesdienst am Samstag als einer der ersten wieder stattfinden kann: Wie können Gläubige so in der Kirche verteilt werden, dass der Sicherheitsabstand von zwei Metern gewahrt bleibt? Wer muss wann eine Maske tragen? Wo gibt es Desinfektionsmittel? Unter welchen Vorzeichen darf Musik erklingen? „Wir können Verantwortung“, hatte der Landesbischof versprochen - und das Team der Stiftskirche legt sich mächtig ins Zeug, um das zu beweisen.
Am Tag nach dem 75. Jahrestag des Weltkriegsendes trägt Landesbischof July das Thema Krieg vor jeden Einzelnen. „Der Krieg hat eine lange Vorlaufzeit in unseren Köpfen und Herzen. Ja: Dort, wo Du Deinem Bruder mit Worten die Würde nimmst, ihn herabsetzest, ihn beschimpfst, ihn in ein falsches Licht bringst, da bist Du bereits schuldig“, macht er deutlich.
Jesus wisse um diese tödliche Strategie, betont der Landesbischof. Er spreche sie in Worten aus, die Matthäus überliefert: Krieg und Verachtung, Hass fängt in der Sprache an, setzt sich im Kopf fest und wird dann zur Tat.
Mit Worten werde der Boden für Mord und Gewalt bereitet, so July weiter. Die Propagandisten beherrschten diese Klaviatur. „Sie halten sich nicht an Jesu Umkehrruf, sondern treiben die Sprachvergiftung voran, in die Richtung von Schmähung, Herabsetzung, Verdrehung der Tatsachen.“ Ob Goebbels oder Hitler – sie wussten, wie sie einen Krieg in den Köpfen entfachen konnten - und dann auch in der Realität.
Mit einem Appell wendet July sich an die mehreren Dutzend Gläubigen in den Kirchenbänken: „Sind wir mit Jesus Sprachbeobachter: dort, wo neuer Hass in den Köpfen verankert wird. Dort, wo giftiger Samen gesät wird: neuer und alter Antisemitismus, Rassismus, Nationalismus, Ausgrenzung und Abwertung. Dort, wo uns Flüchtlinge egal sind und als lästige Störer empfunden werden. " Eindringlich mahnt er: „Lassen wir das alles nicht zu!“
Neben Landesbischof July wirkt Stiftspfarrer Matthias Vosseler beim Gottesdienst mit. Auch Musik gibt es bei dem ersten Gottesdienst nach dem Versammlungsverbot: Fanie Antonelou singt, Stiftsorganist Kay Johannsen begleitet. Für Sonntag hatten bereits weitere Gemeinden in Württemberg Gottesdienste angekündigt - natürlich ebenfalls unter strengen Schutzmaßnahmen.