Stuttgart/Heilbronn. „Besonders. Schön. Bewegend“, postet Ralf Albrecht am 28. Juli auf Facebook. Die Ernennungsurkunde zum künftigen Prälaten von Heilbronn ist eben eingetroffen. Landesbischof Dr. h. c. Frank Otfried July hat sie just am Vortag, am 87. Geburtstag von Albrechts Vater, unterzeichnet. Jetzt ist er seit 1. September im Dienst und wird am kommenden Sonntag, 13. September, auf dem Heilbronner Gaffenberg feierlich in sein neues Amt eingeführt.
Als Regionalbischof ist Ralf Albrecht für die 14 Kirchenbezirke der Prälatur zuständig und gehört dem Kollegium des Oberkirchenrats in Stuttgart als eines von dreizehn stimmberechtigten Mitgliedern an.
„Ich komme aus bodenständigen Verhältnissen“
Dass Albrecht mal Prälat werden würde, war ihm nicht an der Wiege gesungen worden. „Ich komme aus ganz bodenständigen Verhältnissen“, sagt er. Die Mutter ist Hausfrau und ab und an im Einzelhandel beschäftigt, der Vater angestellter Schreiner. „Dass da einer studiert, hat man zuhause nicht so gekannt. Dass meine Eltern mir trotzdem das Studium ermöglicht haben, das war schon stark.“ Klar stehe bei solch bodenständigen Menschen ein Kirchenleitender unter einem gewissen Verdacht. „Das gehört sich so“, meint er. Das erdet. „Das hilft mir, nicht so weit von den Leuten wegzurücken.“
Rückkehr ins Unterland
Die Prälatur Heilbronn mit ihrem schwäbischen und ihrem fränkischen Teil, ihren freien Reichsstädten und ihrer Ländlichkeit ist ihm ziemlich vertraut. Seine Familie kommt zu Teilen aus dem Bereich Neuenstadt, die Familie seiner Frau Christa, die als Pfarrerin zur Dienstaushilfe bei der Dekanin in Brackenheim arbeitet, aus der Region Künzelsau. Zudem hat Albrecht sein Vikariat in Hausen an der Zaber im Kirchenbezirk Brackenheim absolviert. Der neue Regionalbischof kann ins Schwärmen geraten über seine Rückkehr ins Unterland und die Weite seiner Prälatur, die weinselige und kernevangelische Gebiete vereint.
Ein hochspannender Mix
Andererseits sieht er knapp 500.000 evangelische Christen und eine Vielfalt an großen Einrichtungen von der Diakonie Stetten bis zum Diak Schwäbisch Hall, das sich jüngst mit der Diakonie aus dem bayerischen Neuendettelsau zu dem neuen diakonischen Unternehmen Diakoneo zusammengeschlossen hat; vom Kloster Maulbronn bis zur Ländlichen Heimvolkshochschule Hohebuch als zentrale Bildungseinrichtung der kirchlichen Bauernarbeit. Und da sind noch die Tagungsstätte Löwenstein und viele andere mehr.
Er kennt die Herausforderungen und weiß, dass er sich trotz seiner Erfahrungen den neuen Aufgaben „in Demut zuwenden“ muss. Zugleich reizt es ihn, „als Prälat mit einer problemlosen, freispielenden Machtlosigkeit und zugleich hoher Amtsautorität“ ausgestattet zu sein. Er will anpacken und betont: „Dieser Mix ist hochspannend. Es gibt viel Freiraum, um zu gestalten.“
„Strukturen sind kein Allheilmittel“
Anpacken, das scheint ihm zu liegen. Als er im Jahr 2007 nach Nagold kommt, ist er mit 43 Jahren der jüngste Dekan der Landeskirche. Rückblickend sagt er: „Ich wäre heute nicht Prälat, wenn es Nagold nicht gäbe.“ Gleich drei Kirchengemeinden führt Albrecht in einer Fusion zusammen, auch die Kirchenbezirke Calw und Nagold werden in dieser Zeit fusioniert. Aber er weiß auch, „die Lösungen müssen passgenau sein und die Menschen brauchen Zeit. Tempo hilft nicht.“ Albrecht betont: „Strukturen sind kein Allheilmittel.“ Viel wichtiger sind ihm die theologische Substanz und die Frage, mit welchen Inhalten denn neue Strukturen gefüllt werden sollen. „Wenn wir die Kirche nicht geistlich leiten, können wir das auch den Betriebswirtschaftlern überlassen.“
„Kirche wächst zu jeder Zeit“
Als die Landesgartenschau 2012 nach Nagold kommt, verständigen sich die Konfessionen auf den Bau einer Weidenkirche, eine Installation, die Aufmerksamkeit erregt und Albrecht noch heute begeistert. „Wir haben ihr provokant den Namen ,Wachsende Kirche‘ gegeben, weil wir zeigen wollten, dass Kirche Frühling, Sommer, Herbst und Winter braucht und zu jeder Zeit wächst.“ Gäbe es nur Frühling, gäbe es keine Früchte, so Albrecht. Aber er sagt auch: „Nicht ich, das ganze Team hat gezeigt, was möglich ist.“ Das Miteinander der Konfessionen funktioniere eben, wenn man sich auf Augenhöhe begegne.
Begeistert von neuen Techniken
Landeskirchenweit engagiert er sich unter anderem in der Projektgruppe Digitalisierung, ist selbst seit vielen Jahren auf Facebook unterwegs und stellt Abendandachten auf Youtube. In der Nagolder Stadtkirche steht die vielleicht modernste Orgel Deutschlands. Man wolle testen, wieviel autonomes Spielen möglich ist, wie weit Kirchenbesucher beeinflussen könnten, was die Orgel spielt und welche Spielräume künstliche Intelligenz eröffne. Sein Smartphone ist für Albrecht so etwas wie sein mobiles Büro und die Smartphone-Fotografie hat es ihm angetan. Ebenso wie Sonnenauf- und -untergänge. Die lassen sich in den unterschiedlichsten Varianten auf seiner Seite bewundern. „Ich bin halt viel in Gottes Schöpfung unterwegs und ich liebe die Psalmen, die viel von Sonnenauf- und -untergängen sprechen“, sagt er. Solch ein Foto könnte auch ein Anlass für ein Gebet sein. „Ich glaube, es braucht so Trigger. Der Mensch liebt es, wenn er innerlich angeleitet wird.“
So sehr sich Albrecht für die Möglichkeiten begeistert, die die Digitalisierung bietet, so sehr ist er der festen Überzeugung: „Wir dürfen die digitale und die analoge Welt nicht gegeneinander ausspielen. Und wir können in beiden Welten nur mit Fragmenten leben.“ Das Entscheidende sei nicht die Perfektion. „Hochglanz können andere besser. Unsere Stärke ist die Authentizität, das bekannte Gesicht, die face-to-face-Kommunikation und die Zusammenarbeit in der Gemeinde, in der jede und jeder seine Gaben einbringt.“
Scheint da etwas von seinem Führungsstil durch? Er beschreibt ihn mit den Begriffen wie Teamarbeit, Kooperation, Delegation, eine wertschätzende Sicht auf alle Mitarbeitenden. Aber auch konfrontative Momente seien nötig, um lösungsorientiert Probleme anzusprechen, betont er.
Ein klares, kirchenpolitisches Profil. Aber kein Prälat nur für eine Gruppierung.
Konfrontativ zuspitzen. Das muss man bisweilen auch in der Kirchenpolitik. Da hat Ralf Albrecht ein klares Profil. Er war Studienassistent am konservativ-pietistischen Albrecht-Bengel-Haus in Tübingen, Sprecher des Gesprächskreises „Lebendige Gemeinde“ in der Landessynode und unter anderem Vorsitzender der Projekte ProChrist 2013 sowie mehrerer Christustage mit Tausenden Besuchern. Solch kirchenpolitisch profilierte Ämter hat er fast alle abgegeben. Bis auf seine Mitgliedschaft im Hauptvorstand der Evangelischen Allianz. „Ich mache das weiter, weil mir die Zusammenarbeit zwischen den Konfessionen wichtig ist, auch mit den Freikirchen“, betont Albrecht.
Und er stellt klar: „Ich war Sprecher einer bestimmten Gruppierung. Auch als Prälat habe ich meine Wurzeln genau dort. Aber ich bin nicht nur der Prälat der Lebendigen Gemeinde, die wie jede andere Gruppierung ihren Fokus auf bestimmte Fragen legt.“ Er werde sich nicht auf diesen Blickwinkel beschränken. Der Pietismus habe in seiner Kirche einen ganz wichtigen Stellenwert. „Aber diese Kirche ist nicht per se pietistisch. Gott bewahre.“
Mit Blick auf sein neues Amt hat er sich ein Bibelwort ausgesucht, über das er auch bei seiner Einführung sprechen wird: „Dienet einander, ein jeder mit der Gabe, die er empfangen hat, als die guten Haushalter der mancherlei Gnade Gottes.“ (1. Petrus 4, 10)
Stephan Braun
Der Gottesdienst wird im Fernsehen übertragen und ist auch online abrufbar - und zwar auf bwFamily.tv am 27.9.2020 um 10 Uhr, 17.00 Uhr und 19.30 Uhr, auf bibel.TV am 4.10.2020 um 11 Uhr, über www.elkwue.de oder ab dem 27.9. auf www.kirchenfernsehen.de .