Gottesdienste mit Krippenspielen gehören zu den beliebtesten des Jahres. Im Corona-Jahr 2020 braucht es dafür ganz neue und kreative Ideen. Wir stellen drei innovative Projekte vor.
Das Krippenspiel an Heiligabend ist vor Allem für Familien mit Kindern ein liebgewonnenes Ritual. In den eng besetzten, stimmungsvoll beleuchteten Kirchen sitzen kirchennahe und -ferne Familien und freuen sich, die Kinder als Maria, Sterndeuter oder Hirten zu erleben. Dieses Jahr wird alles anders. Abstandsregeln, begrenzte Teilnehmerzahlen, Singverbot zwingen zum Umdenken.
Mit dem SWR-Fernsehkoch Timo Böckle bereitet die Stadtkirchenpfarrerin Gerlinde Feine aus Böblingen das diesjährige Krippenspiel vor. Er öffnet die Türen seines Hotels „Reußenstein“ für das Team der Kinderkirche. „Ich bin ein Stadtkirchenkind, wurde dort getauft und konfirmiert und fühle mich immer noch verbunden,“ antwortet er auf die Frage, warum er bei diesem Projekt mitmacht. „Die Lage hier ist ideal: zwei Eingänge, eine Bank vor dem Hotel, eine verkehrsberuhigte Zone und ein Wirt im Familienbetrieb. Beim TV-Koch einen Film drehen, das passt gut zu unserer Idee“, erzählt Gerlinde Feine.
„Nur Profis am Werk, die ich ohne Corona so gar nicht im Team hätte“, freut sie sich über die positiven Folgen dieser Not-Idee. Menschen, die im normalen kirchlichen Betrieb keinen Platz fänden, könnten plötzlich mit ihren Fähigkeiten Kirche mitgestalten. Da sei die Landschaftspflegerin Sabine Krüger, die den Hirten und Engeln ihre Schafherde zur Verfügung stellt, oder Steffen Braun, Inhaber der Produktionsfirma Netzwerk Schnittbild, der die Dreharbeiten ehrenamtlich in die Hand nahm, oder der Profifotograf Ingo Reimer, Vater von Josef und Maria, der plötzlich mit seiner Kamera da stand und Pressefotos machte. Auch Wolfgang Schaal, der Heimleiter des Alten- und Pflegeheimes Sonnenhalde, der den Besuchereingang wegen den Dreharbeiten extra nach hinten verlegte, oder eben der Fernsehkoch Böckle, der zwischendurch aus der Türe ruft: „Wenn jemand einen warmen Kakao braucht, kann er gerne reinkommen, ich bin da.“
„Die Kirche muss aus dem Häuschen sein“, lacht Pfarrerin Feine und erzählt, wie das Team unterwegs Aufmerksamkeit erregt. „Wir haben vom Ordnungsamt eine Genehmigung, nicht dass uns noch jemand anzeigt“, sagt Feine. Aber das Gegenteil ist der Fall: Die Menschen bleiben stehen, fragen nach, interessieren und freuen sich, dass die Kirche raus geht. Das Krippenspiel findet nicht wie immer hinter verschlossenen Türen statt, sondern kommt zu den Menschen.
Vier Drehtage seien geplant und der Film, dessen Rahmenhandlung die Weihnachtsgeschichte nach Lukas sei, soll in mehreren Sequenzen beim Weihnachtsgottesdienst in der Kongresshalle in Böblingen gezeigt werden. Für die Filmmusik sorge Kantor Eckhart Böhm. So solle es am Ende ein Zusammenspiel von Analog und Digital, von Film und Lesung, von „zu Hause und vor Ort“ sein. Der gesamte Film soll zudem auf dem Youtube-Kanal der Evangelische Gesamtkirchengemeinde Böblingen zu sehen sein. So können Menschen Weihnachten auch zu Hause im eigenen Wohnzimmer mitfeiern.
Ganz ohne Profis, dafür mit viel persönlichem Einsatz und Originalität macht sich die Kinderkirche aus Möglingen auf den Weg. Zwei frühere Kindergottesdienst-Kinder, Marie Ebert und Lisa Engelfried, haben ein „Corona-Krippenspiel“ geschrieben. In dieser Weihnachtsgeschichte kommen zwar alle klassischen Rollen vor, aber die Handlung springt immer wieder in unsere Corona-Realität. Da freue sich zum Beispiel Josef, dass die Herberge gar nicht voll ist, bis er erfährt, dass auf Grund der Hygienevorschriften gar keine Gäste aufgenommen werden. Für die Reise nach Betlehem müssen Maria und Josef den Esel nehmen, weil Busse und Bahnen auf Grund der Reisewarnung ausgefallen sind. Und das Lammfell, das Geschenk des kleinen Hirten für Jesus, muss zuerst für 14 Tage in Quarantäne.
„Beim zweiten Grundkurs für Kinderkirchmitarbeiterinnen in Beilstein hatten wir die Idee und stießen damit auf sehr viel Resonanz“, erzählt Marie Ebert. „Wir nehmen die Pandemie sehr ernst, halten alle Vorschriften ein, die Kinder spielen mit Masken und Abständen. Aber ein bisschen Schmunzeln darf man trotzdem“, sagt die 19jährige Studentin und fügt hinzu: „Die Kinder freuen sich so sehr über ein wenig Normalität in dieser seltsamen Zeit.“
Es war nicht das erste „Outdoor-Krippenspiel“ in Möglingen, doch mussten diesmal die Drehtage genauer und vorsichtiger geplant werden. Seit Mitte November wird jeden Sonntag eine Szene gedreht. Bis zu 30 Kindern sind dabei, begleitet von insgesamt 15 Mitarbeitenden. Der Familiengottesdienst mit dem Krippenspiel auf der Leinwand soll an Weihnachten im Bürgerhaus stattfinden. Mit Platzkarten können die Familie hoffentlich live dabei sein. Der Film soll auch auf dem Youtube-Kanal der Evangelischen Kirchengemeinde Möglingen zu sehen sein.
Auch Synodalpräsidentin Sabine Foth aus Stuttgart Heslach, die seit 24 Jahren Krippenspiele für die Kinder ihrer Kirchengemeinde schreibt, musste kreativ werden. Regelmäßige Proben mit Singen wären schwierig, deshalb entschied sich Sabine Foth, einen ganz neuen Weg zu gehen. Auf einer Zugfahrt mitten im Sommer hatte sie die Idee, statt eines Krippenspiels eine Fotobuchstory zu produzieren. Zwölf Kinder zwischen fünf und zwölf Jahren spielen die Weihnachtsgeschichte mitten im Stuttgarter Stadtteil Heslach.
An sechs Orten hat der Fotograf Hanns Maier die einzelnen Szenen fotografiert. Maria und Josef an der der U-Bahn, die direkt nach Betlehem fährt; der kaiserliche Bote, der am Brunnen die Volkszählung ausruft; Maria mit dem Verkündigungsengel im Altarraum der Kreuzkirche; die Hirten, die neben den Ziegen im Garten der Familie Willmanns die frohe Botschaft empfangen. „Die Ziegen wollten nicht so, wie wir, sie mussten mit extra Zweigen gelockt und vom Mitmachen überzeugt werden“, lacht Sabine Foth. Überhaupt habe die Aktion sehr viel Spaß gemacht, ergänzt sie.
Die Grafikerin Sarah Damann erstellt aus den Bildern Fotocollagen und versieht sie mit Texten. Sabine Foth betont, sie habe sich eng an den Originaltext gehalten: „Sätze, wie ‚Euch ist heute der Heiland geboren‘ dürfen ruhig bei den Menschen im Gedächtnis bleiben“. Dieses Weihnachtsbuch erhalten dann alle Familien der Heslacher Kirchengemeinde als Geschenk. Eine Anleitung für „Weihnachten zu Hause“ soll auch dabei sein. „Ich hoffe, dass wir auf diesem Weg sogar mehr Familien erreichen als in den vergangenen Jahren. Schließlich spielt die Story in ihrem eigenen Stadtteil“, sagt Foth.
Dass statt klassischer Proben Bilder im Stadtraum entstanden, fanden auch die Macher der ZDF-Sendung „Volle Kanne“ interessant und begleiteten das Krippenspielteam an einem Tag mit ihrer Kamera.