Warten - das kann eine Zeit der Vorbereitung sein, aber auch eine echte Prüfung. Ob es sich lohnt, wissen wir vielleicht selbst nicht so genau. Aber wer weiß? Manchmal lässt Gott sich überraschend anders entdecken, meint Prälat Traugott Schächtele zum 2. Advent. Dieser Text wird heute auch in "Advent Online" veröffentlich - dem gemeinsamen digitalen Adventskalender der vier großen Kirchen in Baden-Württemberg, den Sie hier gratis abonnieren können.
„Es kommt nicht darauf an, wie lange man wartet, sondern auf wen man wartet!“ Der Saxophonist Joe beruhigt mit diesem Satz die Sängerin Sugar - wunderbar gespielt von Marilyn Monroe -, die auch bei diesem Rendezvous wieder viel zu spät auftaucht. Ich war zwei Jahre alt, als der Filmklassiker „Manche mögen‘s heiß“ im Jahr 1959 in die Kinos kam. Aber gut zwei Jahrzehnte später hat er sich für mich immer noch gelohnt.
Ich frage mich schon: Wann habe ich zum letzten Mal beim Warten einfach die Zeit vergessen? Zumal in Coronazeiten, in denen ja sowieso niemand kommen soll.
Warten – wenn es aus Liebe geschieht, spielen die Zeit und die Umstände eigentlich doch gar keine Rolle. Alles vorbereitet für einen Menschen, der mir vor allen anderen wichtig ist. Die Wohnung mit einem Hauch von liebevoller drapierter Unordnung wohnlich gemacht, das Essen gekocht, den Tisch gedeckt, den Rechner mit schöner Musik an die Anlage angeschlossen, voller Erwartung auf das, was dieser Abend verheißt.
Das „Hohelied der Liebe“ macht daraus gleich ein ganzes Büchlein in der Bibliothek der Bibel. Es lässt keinen Zweifel daran, dass die Liebe, die es beschreibt, sich nicht nur im Genuss köstlicher Früchte erschöpft. So in Kapitel 7 Vers 14:
„Die Liebesäpfel duften;
an unsren Türen warten alle köstlichen Früchte,
frische und solche vom Vorjahr;
für dich hab ich sie aufgehoben, mein Geliebter.“
Es freut mich immer wieder, dass sich durch die Hintertür des Irrtums, hier würde die Liebe zwischen Gott und den Menschen beschrieben, Lust und Erotik mitten hinein in die biblische Vielfalt geschmuggelt hat!
Wenn das Klingeln ausbleibt, macht sich zuerst Sorge breit, ehe Verärgerung und Enttäuschung folgen. Dabei will die Vereinbarung einer gemeinsamen Zeit die Liebe nur berechenbarer machen. Davon abhängen kann sie nicht. Zumindest wenn es Liebe ist.
Jahr für Jahr übe ich mich im Advent in diesem Warten aus Liebe – und weiß am Ende oft nicht einmal, ob ich nicht doch vergeblich gewartet habe. Manchmal lässt Gott sich eben überraschend anders entdecken.
Manchmal klingelt es am Ende doch noch an der Tür. Und ein unbekümmertes „Da bin ich schon!“ lässt allen Ärger auf einen Schlag zusammenfallen. Das vorausgegangene Warten mit all seinen aufschäumenden Emotionen lässt die Liebe mit einem Mal in ihrer Schönheit und Größe aufscheinen.
Pfarrer Traugott Schächtele aus Schwetzingen