Stuttgart/Magdeburg. „Erntedank birgt die existentielle Erkenntnis: Wir leben von Voraussetzungen, die wir uns selbst nicht schaffen können.“ Das sagte Landesbischof Dr. h. c. Frank Otfried July am Sonntag, 4. Oktober, in Magdeburg. Dort predigte er im Rahme der Predigtreihe „500 Jahre Magdeburger Dom". Elk-wue.de dokumentiert den Auszug seiner Predigt, der auf das Erntedankfest Bezug nimmt. Grundlage ist ein Text aus dem Galater-Brief: "Irret euch nicht! Gott lässt sich nicht spotten. Denn was der Mensch sät, das wird er ernten." (Gal 6,7).
Heute feiern wir Erntedankfest. Und da sehe ich eine Gnade. Denn ich muss nicht alles, was ich an Bösem gesät habe, auch ernten. Ich ernte umgekehrt an Gutem so unendlich viel mehr, als ich jemals hätte säen und selbst hervorbringen können.
Pflanzen sind ein Geschenk
In der Landwirtschaft wird daran Jahr für Jahr erinnert. Zwar arbeiten Landwirtinnen und Landwirte hart, um eine Ernte mit modernen Methoden und neuen Erkenntnissen zu ermöglichen. Manchmal führt das in fast industrielle Methoden. Viele Landwirte, mit denen ich gesprochen habe, erkennen dies – auch Fehlentwicklungen, für die wir alle miteinander verantwortlich sind.
Aber seit jeher feiern sie und feiern wir gerade in der Erntezeit einen Gottesdienst. Denn das Wachstum, die Reife der Pflanzen und Früchte bringen nicht wir Menschen hervor. Sie sind ein Geschenk.
Verantwortung für die, die nach uns kommen
Erntedank birgt die existentielle Erkenntnis: Wir leben von Voraussetzungen, die wir uns selbst nicht schaffen können.
Wir leben aus den vielen Errungenschaften unserer Vorväter und -mütter, aus ihren Mühen, ihrer Weisheit, ihrer Erfahrung.
Und wir leben in der Verantwortung für die, die nach uns kommen. Bewahrung der Schöpfung und Klimaschutz gehören auch zum Säen und Ernten. Und zum Nachdenken.
Wir leben aus der Liebe unserer Eltern, unserer Familien. Wie tief prägt uns jedes liebevolle Wort, alles Gute, was uns widerfahren ist.
Wir leben aus dem Miteinander in unserer Gemeinschaft, unserer Gesellschaft. Wenn wir das teilen, was wir erarbeitet haben, dann werden wir gehalten, wenn wir schwach sind. Die Weisheit anderer trägt uns in so vieler Hinsicht.
Vor allem aber trägt uns die Gnade Gottes. Sie ist überfließend. Amazing Grace. Gott schenkt uns so viel mehr, als wir uns jemals verdienen könnten oder sollen. Darum heute: Erntedank. Dank für so viel Gnade.
Gott lässt sich nicht spotten
Unser Gott ist gnädig. Ja, das ist wahr. Aber ein anderes ist auch wahr. Gott lässt sich nicht spotten! Das ist uns gesagt. So steht es im Galaterbrief: Irret euch nicht! Gott lässt sich nicht spotten. Denn was der Mensch sät, das wird er ernten.
Gott lässt sich nicht spotten. Er will das Gute. Er hasst aber das Unrecht. Er hört vor allem die Schreie der Opfer, der Unterdrückten, all derer, die unter der Ungerechtigkeit leiden. Er hört die Schreie derer, die unterwegs sind und neue Perspektiven suchen. Elend, am Ende, ohne Hilfe. Gott lässt sich nicht spotten.
Lasst uns aber Gutes tun und nicht müde werden; denn zu seiner Zeit werden wir auch ernten, wenn wir nicht nachlassen. Darum, solange wir noch Zeit haben, lasst uns Gutes tun an jedermann, allermeist aber an des Glaubens Genossen.
Es ist noch Zeit
Und doch wieder zurück zum Anfang: Es stimmt auch manchmal: Was der Mensch sät, das wird er ernten.
Das kann auch eine Verheißung sein. Wenn es um unsere Berufung geht, hier auf dieser Erde etwas Gutes tun zu dürfen. Gerade weil Gott gnädig mit uns ist, mit uns allen gnädig sein will, sollen und können wir Gutes, das er schenkt, aussäen. Es ist noch Zeit dazu. Es ist noch Zeit, die Türen aufzumachen, die Menschen sattzumachen.
Es ist noch Zeit, Gottes Schöpfung zu achten. Es ist noch Zeit, in dieser Gesellschaft das Gemeinsame in der Vielfalt zu suchen und die böse Saat des Rassismus in die Schranken zu weisen. Es ist noch Zeit, etwas von dem zurückzugeben, was wir bekommen haben.
Das wäre ein echter Ernte-Dank. Gott und den Menschen zur Ehre und zum Segen.
Ich bitte und bete darum, dass wir dazu bereit werden.
Amen.