Der Reformator Matthäus Alber formte in seiner Heimatstadt Reutlingen ein evangelisches Modell, das Vorbild für ganz Württemberg werden sollte.
Der Humanismus spielte in Ausbildung und Studium von Matthäus Alber (geboren am 4. Dezember 1495), des Goldschmiedesohns aus Reutlingen, eine wichtige Rolle, nicht zuletzt durch den Einfluss Melanchthons in Tübingen. In seinem Geist richtete der Rat der Reichsstadt Reutlingen 1521 eine Prädikatur ein und berief Alber an die Marienkirche. Seine Aufgabe war es, fundiert und gebildet zu predigen. Dies nutzte er – seinem Vorbild Luther folgend – dazu, die Stadtgemeinschaft zur Reformation zu bewegen. Allerdings geriet die freie Stadt damit zwischen die Mühlsteine der Politik: Auf der einen Seite Herzog Ulrich von Württemberg, der Reutlingen besitzen wollte und 1519 sogar angriff, und auf der anderen Seite der Kaiser, der der Reformationsbewegung wehrte, um die Einheit des Reiches zu wahren.
Als 1524 ein gefährlicher Stadtbrand die Bürgerschaft Reutlingens auf die Beine brachte, blieben die Menschen nach dem Löschen auf dem Marktplatz zusammen und forderten einen Eid des aus Zünften und Patriziern gebildeten Rates, dass er zu Alber und der Reformation stehe. Im gleichen Jahr schuf Alber reformatorische Fakten: Er heiratete – vor seinem Lehrer Luther! – und brach den priesterlichen Zölibat. Er feierte die Messe auf Deutsch und das Heilige Abendmahl in beiderlei Gestalt, also mit Brot und Wein. Deshalb wurde er mit seinen Mitstreitern vor dem Reichsregiment in Esslingen verhört.
Mit der Unterschrift des Reutlinger Bürgermeisters Jos Weis unter das Augsburger Bekenntnis der Lutheraner 1530 stellte sich die Stadt Reutlingen, als einzige neben Nürnberg, mutig auf die Seite der Reformation. Quelle der Ermutigung waren Predigt und Gottesdienst. Ihm gab Alber eine Form, die Vorbild für Württemberg wurde: nicht die Deutsche Messe Luthers, sondern der Predigtgottesdienst der Prädikanten, was Luther ihm 1526 ausdrücklich erlaubte. Seine schlichte Form entsprach dem schwäbischen Gemüt und enthielt doch das Wesentliche: Ermutigung im Glauben.
Alber wurde Theologieprofessor in Tübingen, reformatorischer Berater und Mitglied der Stuttgarter Kirchenleitung, und schließlich 1563 Leiter der Klosterschule in Blaubeuren. Dort rettete er auch den bedeutsamen Marien-Hochaltar der Ulmer Schule vor der Zerstörung rettete. Er starb im selben Jahr wie Johannes Brenz am 1. Dezember 1570 in Blaubeuren, kurz vor seinem 75. Geburtstag.
Pfarrer Dr. Wolfgang Schöllkopf, Privatdozent für Kirchengeschichte an der Ev. Theol. Fakultät der Universität Tübingen