76 Rosensträucher, 312 Stauden, mehr als 1.000 Blumenzwiebeln. Dazu 31 Fledermaus- und 25 Mauerseglerkästen. Es wurde fleißig gebuddelt und gepflanzt, gesägt und gehämmert in den sechs teilnehmenden Gemeinden des Projekts „Kirchen im Biosphärengebiet Schwäbische Alb“. Am Samstag, 20. Oktober, erhält das Projekt die Auszeichnung der UN-Dekade „Biologische Vielfalt“.
Im April 2017 hatten der Naturschutzbund (NABU) Baden-Württemberg und das Umweltbüro der Evangelischen Landeskirche in Württemberg das Projekt „Kirchen im Biosphärengebiet Schwäbische Alb“ gestartet. Ziel war es, die Grünflächen von Kirchengemeinden ökologisch aufzuwerten. Wildbienen, Zauneidechsen, Schmetterlinge und Igel sollten in Kirch- und Pfarrgärten wieder eine Heimat, Vögel und Fledermäuse einen Platz zum Nisten und genug Nahrung finden. Und einen Hintergedanken gab es zudem: „Die Grundstücke der Kirchengemeinden liegen oft zentral in der Ortsmitte“, sagt die Biologin und NABU-Projektleiterin Karin Kilchling-Hink. „Wir möchten, dass sie Anregungen bieten für die Menschen, einen Vorbildcharakter annehmen.“
Sechs Kirchengemeinden machten mit, fünf evangelische und eine katholische. Karin Kilchling-Hink schaute sich zuerst alle Flächen der Gemeinden an: die Kirchgärten, Friedhöfe, Pfarrgärten, Kindergärten und sogar ein Stück eines Landschaftsschutzgebiets, das sich in Kircheneigentum befindet. Wo können Nisthilfen für Vögel und Fledermauskästen angebracht werden? Wo ist Platz für heimische Stauden und Rosensträucher? Wie kann der Pfarrgarten, der bisher nur aus einer großen Rasenfläche besteht, zu einer Oase für Bienen und Insekten werden? Gemeinsam mit den Kirchengemeinderäten erarbeitete Kilchling-Hink einen Plan für jede Kirchengemeinde. Und dann ging es an die Arbeit.
In Münsingen zum Beispiel gestaltete sie zusammen mit Helfern aus der Kirchengemeinde und der örtlichen NABU-Gruppe den Dekanatsgarten um. „Ich habe unheimlich viele Stauden, Sträucher und Blumenzwiebeln bestellt“, erzählt die Biologin. „Und die haben wir alle an dem Tag in die Erde gebracht.“ In Zwiefalten packten die Konfirmandinnen und Konfirmanden mit an. Zusammen mit anderen Gemeindegliedern und einigen Flüchtlingen halfen sie bei der Umgestaltung des Pfarrgartens, bauten Fledermauskästen und eine Eidechsenburg. Zuvor hatte Kilchling-Hink mit den Jugendlichen im Konfirmandenunterricht über Naturschutz und das Insektensterben gesprochen und verschiedene Möglichkeiten aufgezeigt, selbst aktiv zu werden.
„Die Schöpfung ist uns anvertraut. Das ist uns an diesem schönen Flecken hier sehr bewusst“, sagt Maren Müller-Klingler, Pfarrerin in Traiflingen. Der Kirchengemeinde war es wichtig, die Gestaltung ihrer Flächen möglichst einfach und trotzdem ökologisch wertvoll zu gestalten. „Eine Wildblumenwiese ist sicher etwas Wunderbares“, erklärt die Pfarrerin, „aber wenn die Jungschar darauf Fußball spielen will, darf sie eben nicht so hoch sein.“ So sind es vor allem die Eckenflächen, die neu gestaltet werden, wie ein Beet im Pfarrgarten, wo künftig Wildrosen mit Hagebutten stehen werden. „Blüten für die Bienen, Beeren für die Vögel, Insekten für die Fledermäuse“, sagt Müller-Klingler. Und Nistkästen für die Vögel hängen jetzt im Garten des evangelischen Kindergartens. Die Kinder haben sie selbst gebaut.
„Kirchengemeinden können Leuchttürme für die Artenvielfalt sein“, sagte der Reutlinger Regionalbischof zur Auszeichnung des Projekts. Sie würdige „den großen Einsatz all derjenigen, die sich in den letzten zwei Jahren für den Erhalt der eindrücklich schönen Schöpfung hier oben auf der Alb eingesetzt haben: Konfirmandinnen und Konfirmanden, Geflüchtete und alteingesessene Gemeindeglieder, Schaffer und Entscheider, Pfarrerinnen und Kirchengemeinderäte in den Kirchengemeinden“, so der Prälat.
Ende 2018 läuft das Projekt aus. Und dann? Der NABU steht bereits mit einem neuen Projekt in den Startlöchern. Es heißt „Blühende Gärten“ und richtet sich an Kirchengemeinden, Unternehmen und Privatleute in ganz Baden-Württemberg. „Einige Kirchengemeinden haben schon Interesse gezeigt“, berichtet Kilchling-Hink. Sie werden eine Gartenberatung bekommen und Zuschüsse für Materialkosten wie Blumenzwiebeln und Sträuchern, um ihre Gärten „ökologisch aufzuwerten“. Noch mehr Blüten für die Bienen also.
Ute Dilg