„Du bist schön! 7 Wochen ohne Runtermachen.“ ist das Motto der bundesweiten Fastenaktion der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD). In jeder Woche, beginnend mit dem Aschermittwoch, steht ein anderer Aspekt im Mittelpunkt. Dazu stellen wir Ihnen jeweils Menschen mit einem ganz besonderen Schicksal vor. Als Erstes: „Du bist wunderbar gemacht!“ Sich selbst wunderbar zu finden, ist manchmal schwierig. Anna Gieche hat sich mit Nina getroffen, die an Magersucht erkrankt war.
36 Kilogramm bei einer Größe von 1,66 m. „Ich war nur noch eine leere Hülle – mich selbst gab es eigentlich gar nicht mehr“, so Nina (22) über ihren Tiefpunkt als Magersüchtige. Mit den Kilos schwanden die Emotionen und die Lebenslust. Heute sitzt eine fröhliche junge Frau am Tisch. „Ganz geheilt ist man nach einer Essstörung nie. Aber mittlerweile habe ich das Problem so gut im Griff, dass ich sagen kann: Ich war mal magersüchtig und bin es nicht mehr.“
Angefangen hat alles im Jahr 2009. In Ninas Familie gibt es Probleme und die damals 17-Jährige versucht, für das Familienwohl zurückzustecken. Ein Jahr später, als die Schwierigkeiten überstanden sind, kann Nina nicht weiter stark sein. Sie beginnt Essen zu verweigern und wiegt innerhalb weniger Wochen statt 56 Kilo nur noch 49. Familie und Freunde sorgen sich um sie und auch Nina merkt, dass sie ihr Essverhalten nicht mehr im Griff hat. Eine Situation, aus der sie alleine nicht mehr herauskommt. Schließlich sucht sie Hilfe. „In der ambulanten Beratungsstelle habe ich viel gelernt und Strukturen erkannt, die zu meiner Essstörung geführt haben. Aber essen oder sogar zunehmen, das konnte ich nicht“, erzählt Nina. Als sie trotz ambulanter Therapie weiter abnimmt und schließlich nur noch 36 Kilogramm wiegt, lässt sie sich in das Diakonie-Klinikum in Stuttgart einweisen.
Essstörungen werden oft als Schlankheitswahn bezeichnet, was aber eine eindimensionale Sicht auf die Sucht ist. Wie in Ninas Fall sind es oft andere Schwierigkeiten, die durch die Essensverweigerung zum Ausdruck kommen. Und wie bei allen Süchten muss auch bei einer Essstörung der Betroffene selbst Einsicht erlangen, bevor ihm geholfen werden kann. Angehörigen von Magersüchtigen rät Nina, die Betroffenen auf keinen Fall zum Essen zu zwingen und ihnen stattdessen immer Hilfe und Rückhalt anzubieten. Und auch für sich selbst Hilfe zu suchen, falls man mit der Situation nicht umgehen kann.
Ein halbes Jahr verbringt sie in dieser Klinik. „Die beste Entscheidung, die ich treffen konnte“, so Nina heute. Bilder von damals zeigen eine magere Frau: Die Knochen zeichnen sich durch die dünne Haut ab, die Wangen sind eingefallen. Nina wirkt um Jahre älter. Der Spruch „aus Haut und Knochen bestehen“ erfährt hier eine völlig neue Bedeutung. „Zu dick fand ich mich eigentlich nie. Wenn ich mich im Spiegel gesehen habe, habe ich mich selbst erschrocken. Aber ich konnte eben nicht mehr essen.“
Nina kämpft um jedes Kilo und verlässt die Klinik schließlich mit ihrem Zielgewicht: 48 Kilogramm. Viele Magersüchtige müssen noch ein zweites Mal in die Klinik, weil sie den Absprung doch nicht schaffen. Nina wollte das auf keinen Fall. Ihr Ziel: Raus aus dem kritischen Bereich und noch ein paar Kilo zunehmen! Heute wiegt sie 51 Kilogramm. Ein langer Weg für Nina, denn das Essen musste sie wieder ganz neu lernen. In der Klinik war es noch ein Essen nach Plan, heute ist es wieder ein Genuss: „Ich kann mir gar nicht vorstellen, wie ich zum Beispiel ohne Schokolade leben konnte.“
„Du bist schön! 7 Wochen ohne Runtermachen.“ Das Aktionsmotto der EKD hat Nina für ihr Leben bereits fest in den Alltag integriert. Mit Beginn der Fastenzeit wird sie daher eine andere Herausforderung suchen – und weiß auch schon was: „Es soll ja ein Verzicht sein, der wehtut. Und auf Süßigkeiten zu verzichten, das fällt mir mittlerweile zum Glück richtig schwer.“
Auf Ninas Wunsch hin haben wir auf den Nachnamen verzichtet.