Am 15. November 1968 war es endlich so weit: Die Landessynode hat mit breiter Mehrheit beschlossen, dass Theologinnen die Amtsbezeichnung „Pfarrerin“ führen, ordiniert werden sowie ständig und im sakramentsverwaltenden Gemeindepfarramt tätig sein dürfen. Am Sonntag, 23. September, wird das Jubiläum im Stuttgarter Hospitalhof gefeiert. Prälatin Gabriele Arnold hat uns vorab von ihren Erfahrungen und Erlebnissen erzählt.
Meine Patentante war Pfarrerin, aber sie unterrichtete an einem Gymnasium Evangelische Religionslehre. Meine Religionslehrerin war promovierte Theologin, wurde aber erst Anfang der 80er Jahren nach meinem Abitur ordiniert. Ich habe mir dabei nichts gedacht. Beide Frauen haben mich sehr geprägt. Und irgendwann wollte ich Theologie studieren und dann selber Pfarrerin werden. Für mich war das eben so, einfach so, völlig normal.
Als ich in Tübingen mit dem Theologiestudium begann war ich ein wenig überrascht. So wenige Frauen. Aber auch da habe ich mich noch nicht gewundert. Ich war auf einem Mädchengymnasium und dachte mir: „So ist das Leben halt außerhalb der Schule“. Erst kurz vor meinem Examen begann ich, mich mit der Geschichte der Frauen im Pfarramt zu beschäftigen. Und dann verstand ich. Meine Religionslehrerin war zwar promoviert, aber hätte nicht als Pfarrerin arbeiten dürfen. Höchstens als Pfarrgehilfin und dann nur in der Arbeit mit Kindern und Frauen. Das selbständige Feiern von Gottesdiensten, Taufen und Abendmahl und jede Form der Gemeindeleitung waren ihr verboten. Das hat sich erst 1968 geändert. Meine Patentante war verheiratet und durfte deswegen auch dann noch nicht in den Pfarrdienst. Das wurde erst 1977 geändert. Da fühlte sie sich dann zu alt und blieb in der Schule.
Am 23. September laden der Konvent Evangelischer Theologinnen, die Evangelischen Frauen in Württemberg und das Bildungszentrum Hospitalhof zur Feier von 50 Jahren Frauenordination ein. 16:00 Uhr: Festgottesdienst in der Stiftskirche mit Prälatin Gabriele Arnold, 17:30 Uhr: Empfang im Hospitalhof.
In ganz kleinen Schritten und über sehr lange Zeit konnten die Frauen ihre Diskriminierung in der Kirche beenden. Theologinnen haben mit langem Atem um ihre Anerkennung gekämpft. Dabei wurden sie von vielen Gemeinden und manch klugem Kollegen unterstützt. Die Frauen haben sich unentbehrlich gemacht in der Kirche und durch die Qualität ihrer Arbeit überzeugt. Als ich neulich einem befreundeten, sehr kirchlich engagierten Paar davon erzählte, waren sie schockiert. Sie dachten in der Evangelischen Kirche seien Frauen seit der Reformation gleichberechtigt.
Ich musste nicht mehr kämpfen. Aber ich habe skurrile Situationen erlebt. Der Dekan des Kirchenbezirks, in dem ich mein Vikariat machte, war freundlich, aber so hilflos, dass er mich die ersten Monate mit „Dame Vikarin“ anredete. Aber er hat mich wohlwollend unterstützt. So wie später viele andere, Frauen und Männer. Ich habe es nie bereut, Pfarrerin geworden zu sein. Und wie meine geliebte Patentante habe ich drei Söhne. Eine meiner Schwiegertöchter ist Theologin. Wir haben viel erreicht. Auch wenn es lange gedauert hat. Trotzdem sind wir sind noch nicht zufrieden.
Nur 20 Prozent der großen geschäftsführenden Pfarrämter werden von Frauen geleitet. 18 Prozent der Dekanstellen sind mit Frauen besetzt. Im Kollegium des Oberkirchenrates sitzen ausschließlich männliche Dezernenten. Allein auf der Ebene der Prälaturen haben wir eine Gleichstellung. Zwei Prälatinnen und zwei Prälaten. Es ist also zu früh um sich entspannt zurückzulehnen.