Nach den Attentaten von Paris sind Kirchen und Gesellschaft nach Ansicht des kirchlichen Bildungsexperten Stefan Hermann aufgefordert, öffentlich "Zeichen des Friedens" zu setzen. Der Terror in Frankreich dürfe nicht mit der Flüchtlingsfrage verknüpft werden, betonte Hermann am Montag in Stuttgart. "Es gibt viele Rattenfänger, die Krisenzeiten nutzen, um Wasser auf ihre Mühlen zu lenken. Das dürfen Bildungsverantwortliche nicht zulassen", sagte Hermann, der Direktor des Pädagogisch-Theologischen Zentrums der württembergischen evangelischen Landeskirche ist.
Stuttgart. Hermann wies darauf hin, dass in der gegenwärtigen Säkularisierung der Gesellschaft die Bedeutung von Religion offenbar nicht ab-, sondern zunehme. Gott werde allerdings zum Dämon, wenn man ihn für eigene Interessen missbrauche. Dieser Missbrauch sei Gotteslästerung. Der Direktor sprach bei der Jahrestagung der religionspädagogischen Institute von badischer und evangelischer Landeskirche.
Der Vorstandsvorsitzende der Evangelischen Gesellschaft (eva) in Stuttgart, Heinz Gerstlauer, warnte vor einer Einebnung der Unterschiede zwischen den Religionen. Seine diakonischen Einrichtungen stellten auch muslimische Fachkräfte ein. Mit diesen Mitarbeitern werde aber über die christlichen Grundlagen der Diakonie gesprochen. Dieses Thema auszublenden und Religion zu privatisieren, sei der "größte Fehler", sagte Gerstlauer.
Mahmoud Abdallah vom Zentrum für Islamische Theologie der Universität Tübingen, kritisierte die mangelhafte staatliche Unterstützung für muslimische Hilfswerke. Hier seien Diakonie und Caritas in einer wesentlich besseren Situation. Abdallah räumte ein, dass die muslimischen Vertreter in Deutschland sich nur schwer einigen könnten, um einen ähnlichen rechtlichen Status wie die Kirchen zu bekommen.
Klaus Holz, Generalsekretär der Evangelischen Akademien Deutschlands, riet kirchlichen Repräsentanten zu profilierteren öffentlichen Stellungnahmen, auch wenn damit möglicherweise nicht alle Kirchenmitglieder einverstanden seien. "Ich persönlich finde es nicht schlimm, wenn sich jemand im evangelischen Bereich zu steil positioniert." Sorgen hat Holz nach eigenen Worten eher, dass die Kirchen sich bei gesellschaftlichen Themen zurückhielten, solange diese Themen nicht von unmittelbarem kirchlichen Interesse seien.
Der Kirchenrechtler Heinrich de Wall verteidigte die Zusammenarbeit von Kirche und Staat etwa in Bildungsfragen. Diese Zusammenarbeit stehe der grundgesetzlich geforderten Trennung von Kirche und Staat nicht entgegen. Allerdings müsse sie genau geregelt werden, um nicht das Selbstbestimmungsrecht der Religionsgemeinschaften zu verletzen. De Wall konnte aus persönlichen Gründen nicht an der Tagung teilnehmen, sein Referat wurde verlesen.
Quelle: Evangelischer Pressedienst (epd)