Laute und leise Töne, tiefe und hohe Töne, Blech- und Streicherklänge, Singstimmen und Sprechgesang. An diesem Wochenende zeigt sich das volle Repertoire der Kirchenmusik beim Landeskirchenmusikfest in Stuttgart. Anna Gieche war dabei.
„... da klingt Freiheit“: Am Freitag, 14. Juli, eröffnete Landesbischof Dr. h. c. Frank Otfried July unter diesem Motto in der Stuttgarter Stiftskirche das Landeskirchenmusikfest. Die Stuttgarter Kantorei unter der Leitung von Kay Johannsen und die Christopherus-Kantorei Altensteig unter Leitung von Michael Nonnenmann führten auf höchstem Niveau durch Chormusik aus 500 Jahren. Nicht nur die Bandbreite ihrer Stimmlagen, auch der Raum der Stiftskirche wurde voll ausgenutzt. Als die beiden Kantoreien beim letzten Stück einen Kreis um die Zuhörer bilden, ist es bei diesem „analogen Dolby Surround Effekt“ schwierig, eine Gänsehaut zu vermeiden. Doch das war erst der Anfang
Über fünfzig Workshops
Als „einzigartig in Form und Größe“ hatte Kirchenmusikdirektor Matthias Hanke das Fest, das ganz im Zeichen des Reformationsjubiläums steht, angekündigt. Recht sollte er behalten. Über fünfzig Workshops stehen auf dem Programm. Das Angebot reicht vom Cajon-Workshop über „Singen ohne Noten“ bis hin zu „Bachkantate für versierte Sänger/innen“. Dank dieser großen Vielfalt erklingt Stuttgart ein Wochenende lang in den unterschiedlichsten Tönen.
Aufwärmen für Sängerinnen und Sänger
Am Samstag, 15. Juli, quietschte und krähte es mancherorts sogar, Jodeln und Tiergeräusche gefolgt von herzhaftem Körper-Ausklopfen. Das sind die Aufwärmübungen beim Workshop „Zum Singen bringen“, bei dem den Teilnehmerinnen und Teilnehmern gezeigt wird, mit einfachen Übungen die Stimme zu trainieren. In der Friedenskirche Stuttgart wird bei „Das Instrument Stimme in der Chormusik“ zeitgleich erklärt, wie man sich durch Stimmbildung die Chorarbeit erleichtern kann. Dazu erklärt der Chorleiter der Hymnus Chorknaben, Rainer Johannes Homburg, die Theorie, ein vierstimmiges Ensemble zeigt die Umsetzung in der Praxis, dann üben die Workshopteilnehmer selbst. Die Stimmung ist locker, aber konzentriert.
Beatboxing beim Rap-Workshop
Spätestens ein paar Meter von der klassischen Chormusik entfernt, zeigt sich im nächsten Workshop die extreme Bandbreite der Kirchenmusik: „Bist du bekifft, kotzt du auf die Tischdecke“ bekommen die Teilnehmer hier mit auf den Weg gegeben. Kein Scherz, dahinter steckt die erste Lektion des Rap-Workshops. Denn spricht man den Satz ohne Vokale aus, lernt man eine Grundlage des Beatboxing – Rhythmus- und Effektgeräusche mit dem Mund erzeugen. Außerdem lässt sich auf diese Silbenlängen gut dichten. Gesagt, getan, der erste eigene Rap steht und die Teilnehmer eilen zügig weiter zum Mittagsgebet, das in unterschiedlichen Stuttgarter Kirchen stattfindet. Eine kleine Erholungspause zwischen Workshops und Nahrungssuche.
Luther lauscht Blech und Orgel
Weniger stressig hat es im Vergleich der steinerne Martin Luther, der sich in der Martin-Luther-Kirche in Bad Cannstatt aller Ruhe die Proben des Workshops „Blech und Orgel“ anhören kann. Eineinhalb Stunden haben die Musiker Zeit, die Stücke für das gleichnamige Abendkonzert einzuüben. Nach den ersten Tönen ist klar: alles kein Problem, hier stehen Profis. Ähnlich sieht es in der Cannstatter Stadtkirche aus, wo „Bachkantate für versierte Sänger/innen“ stattfindet. Zusammen mit dem Barockorchester Gaechinger Cantorey wird so klangvoll geübt, dass die ersten neugierigen Zuschauer in die Kirche gelockt werden.
Brass-Flashmob in der Cannstatter Innenstadt
Und überhaupt: Nicht nur die Teilnehmer des Landeskirchenmusikfests erleben klangvolle Momente, auch Passanten bekommen was auf die Ohren. So lässt ein Brass-Flashmob die Cannstatter Innenstadt erschallen, zum Glück steht die Stadtmauer hier sowieso nur noch bruchstückhaft. Noch lauter wird es gegen 17 Uhr in der Porsche-Arena. Hier treffen sich Sängerinnen und Sänger, Bläserinnen und Bläser zum gemeinsamen Musizieren, bevor sich ein Teil von ihnen zurücklehnen darf, um an einem von zehn unterschiedlichen Konzerten teilzunehmen und den Abend damit ausklingen zu lassen.
Landeskinderchortag mit „Luther klingt klasse!“
Am Sonntag, 16. Juli, findet der Landeskinderchortag statt, der für 7.000 Kinder das Musikevent zum Abschluss des seit Monaten eingeübten Projekts „Luther klingt klasse!“ ist. Abgeschlossen wird das Landeskirchenmusikfest am Sonntagabend mit Mendelssohn-Bartholdys „Elias“, das von Vokalsolisten der Stuttgarter Philharmoniker und die Stuttgarter Hymnus-Chorknaben in der Liederhalle Stuttgart aufgeführt wird.
Anna Gieche