Im Rahmen des 500-jährigen Reformationsjubiläums feierten Gemeinden der württembergischen und badischen Landeskirchen am Freitag, 12. Mai, die so genannte "Nacht der Freiheit". Als zentraler Begriff der Reformation stand das Thema „Freiheit“ im Mittelpunkt der Veranstaltungen. Die letzten Vorbereitungen dominierte aber ein ganz anderes Thema: das Wetter.
Wird es halten oder macht das Wetter einen Strich durch die Rechnung? Diese Frage beschäftigte viele Veranstalter der „Nacht der Freiheit“. Der „Nachtschicht“-Gottesdienst, der auf dem Stuttgarter Marktplatz hätte stattfinden sollen, wurde sicherheitshalber in den großen Saal des Rathauses verlegt. Dort drängelten sich dann auch zahlreiche Besucher, als Pfarrer Ralf Vogel den Gottesdienst schließlich unter musikalischer Begleitung des „Orchesters der Kulturen“ um 20.30 Uhr eröffnete. „Was du nicht siehst“ war das Thema, über das er mit seinen Gästen, dem Stuttgarter Oberbürgermeister Fritz Kuhn, der Stuttgarter Prälatin Gabriele Arnold und dem schwäbischen Kabarettisten Dominik Kuhn alias Dodokay, sprach. „Menschen müssen sich weiterentwickeln können – und das geht nur durch Freiheit als einem Grundrecht“, sagte Dodokay, der sich auf der Bühne die Freiheit herausnimmt, über seine Landsleute, die Schwaben, zu witzeln. Für Prälatin Gabriele Arnold bedeutet Freiheit, das sagen zu können, was sie denkt und glaubt, die zentrale Errungenschaft der Reformation. Und das, so Arnold, sei wahrlich ein Grund zu feiern.
Gefeiert wurde die Freiheit auch in Esslingen. Doch auch hier bangten die Organisatoren wetterbedingt um die Durchführung ihres Programms. „Wir hatten noch drei Notfall- und Ausweichpläne vorbereitet“, erzählt Pfarrer Christoph Schweizer. Doch erstmal wurde wie geplant die mittelalterliche Kirche St. Bernhardt nur mit Bühnenlampen und Kerzen erleuchtet. Musikalisch führte Martin Schnabel auf einer Elektro-Geige durch den Abend. Mit Stirnlampen trugen Mitarbeiter im Dunkel der Kirche Freiheitszitate von Martin Luther bis Martin Luther King vor. Luthers Schrift „Von der Freiheit eines Christenmenschen“ wurde gelesen, und über den Freiheitsbegriff diskutierten die Kommunalpolitikerin Dr. Annette Silberhorn-Hemminger, der stellvertretende Esslinger Museumsleiter Christian Rilling sowie der Musiker Martin Schnabel. Ähnlich der Diskussionsrunde im Stuttgarter Rathaus kamen sie zu dem Schluss, dass Verantwortung der Gegenpol zu Freiheit ist und demnach mehr Rücksichtnahme auf die anderen gefordert ist.
Während die Gäste sich anschließend mit Kerzen ausgestattet auf einen Spaziergang durch Esslingens Norden machten, der sie unter anderem am Mahnmal für die Opfer der beiden Weltkriege vorbeiführte, wurde in Windeseile die nächste Station an der Hohenkreuzkirche aufgebaut. „Das war der knifflige Teil des Abends, weil unser Plan nur ohne Regen funktionieren konnte“, erklärt Pfarrer Christoph Schweizer. Doch der Regen machte eine Pause, und so wurden die Besucher von einem beleuchteten Kirchturm empfangen, auf den ihr eigenes Verständnis von „Freiheit“ projiziert wurde – ihre Antworten darauf konnten sie zu Beginn des Abends auf Kärtchen schreiben und abgeben.
Überraschend, bunt, musikalisch und mit Tiefgang: So präsentierte sich die „Nacht der Freiheit“ aber nicht nur in Esslingen und Stuttgart. Weitere Veranstaltungen fanden unter anderem in Tübingen, Nürtingen, Schorndorf, Ulm, Karlsruhe und Villingen statt.
Anna Gieche