13 Pfarrer und Pfarrerinnen aus Württemberg sind im Auftrag der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) zurzeit in aller Welt im Einsatz. Eine von ihnen ist Jutta Seifert aus Stuttgart. Ihr Berufsalltag in der indonesischen Hauptstadt Jakarta ist nicht nur wegen der Temperaturen eine Herausforderung.
Jutta Seifert schwitzt. Die Außentemperatur beträgt 36 Grad, im Auto ist es nicht viel kühler. Was ein entspannter Ausflug zu den etwa 40 Kilometer entfernten Reisterrassen werden sollte, ist zu einer dreistündigen Geduldsprobe in den überfüllten Straßen Jakartas verkommen. In diesem Moment vermisst die 60-jährige Pfarrerin der Deutschen Evangelischen Gemeinde in Indonesien ihre alte Heimat: „In Stuttgart konnte ich jederzeit mal schnell ins Grüne. Als ich meine indonesische Vermieterin fragte, wo ich hier spazieren gehen kann, sagte sie nur: ‚Na, in der Shopping-Mall‘“.
Vor 20 Jahren hatte sich Seifert schon einmal auf eine Stelle in den Arabischen Emiraten beworben, hat sie letztendlich aber nicht bekommen, weil ihre Kinder noch zu klein waren. In den folgenden Jahren gab es auch in Stuttgart genug zu tun. Erst als ihr 60. Geburtstag näher rückte, erwachte das Fernweh wieder. Jetzt oder nie, dachte sie sich.
Herausforderungen hat Jutta Seifert in Jakarta viele zu meistern. Indonesien ist muslimisch geprägt. Allein Wein für das Abendmahl aufzutreiben, kann daher zum Problem werden. Verkauft wird der nur in speziellen Fachgeschäften, eine Flasche kostet schnell über 30 Euro. „Oft gibt es deswegen Traubensaft“, sagt Seifert und lacht.
Seiferts Gemeinde gehören etwas mehr als 70 Menschen an. Sie leben in Jakarta und einem Umkreis von 80 Kilometern um die Stadt. Zusätzlich betreut sie noch vier deutsche Familien auf Bali und eine kleine Gemeinde in Bandung, 120 Kilometer von Jakarta entfernt. In Vietnam plant die EKD die Einrichtung eines deutschen Gemeindezentrums, auch hier müsste Seifert dann mindestens einmal im Monat hinfliegen.
In ihrer ehemaligen Stuttgarter Gemeinde kannten sich die meisten Gottesdienstbesucher untereinander, der Großteil sind Stuttgarter, die schon seit Jahrzehnten in der Stadt wohnen. Seifferts Gemeinde in Indonesien setzt sich völlig anders zusammen. Auf der einen Seite gibt es die Deutschen mittleren Alters, die einen indonesischen Partner haben und schon seit Jahren in Jakarta leben. Auf der anderen Seite stehen junge Geschäftsleute, die von deutschen Firmen für die Dauer eines Projektes nach Jakarta geschickt wurden und nach ein paar Monaten wieder heim beordert werden. Manche Gemeindeglieder haben eine zweistündige Anfahrt. Sie kommen deshalb nur alle paar Wochen in den Gottesdienst. „Im Alltag begegnen sich die meisten Gottesdienstbesucher so gut wie nie“, berichtet Seifert.
Gerade deswegen sind Gottesdienste mehr als nur das Abhalten eines Rituals. „Im Anschluss sitzen wir alle zusammen, essen noch etwas und halten ein Schwätzchen. Der lange Weg, den viele auf sich nehmen, soll sich ja auch lohnen“, sagt Seifert. Oft kommen auch indonesische Studentinnen und Studenten, die Deutsch lernen, zu den Gottesdiensten und dem anschließenden Beisammensein. Nicht alle Gottesdienstfeiern von Seifert finden in Jakarta statt. Einmal im Monat setzt sich die Pfarrerin hinters Steuer und fährt über Straßen voller Schlaglöcher nach Bandung. Die Großstadt von West-Java ist umgeben von Vulkanen und Teeplantagen. Wenn Seifert freitagabends nach drei Stunden Fahrt bei schwüler Hitze in der Stadt ankommt, bleibt ihr nicht viel Zeit zum Verschnaufen. Ihre dortige Gemeinde freut sich auf eine Abendmahlsfeier mit ihr und die muss vorbereitet werden.
Jutta Seifert stellt Brot, Fleisch, Gemüse, Wein oder eben Traubensaft auf den Tisch. Denn das Abendmahl besteht hier nicht nur aus einer Oblate und einem Schluck aus dem Kelch. Die Gemeindemitglieder sitzen gemeinsam am Tisch und teilen Brot und Gedanken miteinander. In Bandung leben auch viele Senioren, die körperlich nicht mehr ganz fit sind. Sie besucht Seifert zu Hause und feiert mit ihnen das Abendmahl im eigenen Heim.
Nicht nur die holprigen Straßen machen Seifert in Indonesien zu schaffen, auch manche bürokratischen Hürden, muss sie umschiffen: Da die deutschsprachige evangelische Gemeinde im Auftrag der EKD in Indonesien rechtlich nicht anerkannt ist, ist Seifert offiziell bei der Indonesisch-Evangelischen Gemeinde (IEG) angestellt. Aus diesem Grunde hat sie aber kein eigenes Gotteshaus, sondern muss sich mit der IEG arrangieren und genaue Absprachen treffen, wann Seifferts Gemeinde deren Kirchen nutzen kann. Religiöse Feiern in Privathäusern abzuhalten, ist in Indonesien verboten. „Da muss man improvisieren, Weihnachten sind die Kirchen der IEG voll, deswegen feiert meine Gemeinde dann in meinem Haus eben keinen Gottesdienst, sondern eine Jesus-Party“, erklärt sie.
Trotz dem Mangel an Spazierwegen, Wein und Gotteshäusern bereut die Pfarrerin ihre Entscheidung für drei Jahre nach Jakarta zu gehen keine Sekunde: „Ich liebe das sonnige Wetter, die atemberaubende Natur und das scharfe Essen.“ Auch beruflich bietet ihr ihr neuer Standort gegenüber Stuttgart einen großen Vorteil: „Ich muss an weniger Sitzungen und Ausschüssen teilnehmen und außerdem meckern die Leute hier weniger“, sagt sie und lacht herzlich.
Marie-Louise Neumann