Cornelia Füllkrug-Weitzel, die Präsidentin der Diakonie Katastrophenhilfe, war in den vergangenen Tagen in Jordanien - als Gast einer Delegation von Bundespräsident Joachim Gauck. Er stattete dem Land einen offiziellen Besuch ab, u.a. um sich einen Eindruck von der Situation der Flüchtlinge zu machen.
Etwa 700.000 Geflohene sind in Jordanien registriert – als Teil einer Gesamtbevölkerung von 8,1 Mio. Mehr als die Hälfte von ihnen sind Kinder unter 18 Jahren. Weniger als ein Viertel der Menschen ist in einem Camp untergebracht. „Wenn man das sieht, dann muss man sich für jeden brennenden Dachstuhl von Flüchtlingsheimen in Deutschland noch mehr schämen“, sagt Cornelia Füllkrug-Weitzel.
Die jordanische Regierung hat auf die steigende Zahl und lange Verweildauer der Flüchtlinge derart reagieren müssen, dass die Menschen außerhalb von Camps keinen kostenlosen Zugang zu medizinischer Versorgung haben und nicht jedes Kind in einer Schule aufgenommen werden kann. Das betrifft fast 80.000 Flüchtlingskinder. Viele Kinder müssen stattdessen illegal arbeiten, um zum Familieneinkommen beizutragen. Flüchtlingen ist der Arbeitsmarkt verschlossen, da sie Arbeitslosigkeit unter Jordaniern über 20 Prozent liegt und Konkurrenz durch Flüchtlinge um des sozialen Friedens willen vermieden werden soll.
„Die absolute Mehrheit der Flüchtlinge hier schlägt sich auf eigene Faust durch und verschuldet sich dabei täglich höher – mit verheerenden Konsequenzen für ihre Zukunft“, sagt Cornelia Füllkrug-Weitzel. Die lokalen Partner der Diakonie Katastrophenhilfe suchen sie auf und unterstützen sie mit Mietzuschüssen, mit Schulmaterial für Kinder und Hilfen zur Bewältigung der Gewalttraumata. Für den Winter werden Decken und warme Kleidung verteilt.
Gesprächspartner der Delegation aus Politik, Zivilgesellschaft und UN waren übereinstimmend der Meinung, dass die Integration der Flüchtlinge in Arbeitsmarkt, Ausbildung und Gesellschaft überfällig sei, wenn der soziale Frieden nicht gefährdet und Jordanien – ein Anker der Stabilität in der Region – nicht geschwächt werden solle. „Die jordanische und die Bundesregierung, wie auch EU und UN müssen jetzt in den Nachbarländern Syriens dringend auch auf mittelfristige Stärkung und Entwicklung der Länder und der gastgebenden Gemeinden setzen“, so Füllkrug-Weitzel. „Die Integration der Flüchtlinge ist auch der Schlüssel zu Frieden und Sicherheit. Und es ist wichtig für die Würde der Menschen, dass sie Zugang zu Arbeit bekommen, um auf eigenen Füßen zu stehen, statt in Abhängigkeit zu bleiben. Dass man Flüchtlinge nicht zu lange in Erstaufnahmeländern und –lagern verwahrt, sondern zügig integriert - das wäre für mich eine wichtige Lektion aus den Erfahrungen Jordaniens.“
Gesprächsteilnehmer der Zivilgesellschaft hätten im Übrigen geltend gemacht, dass Terrorismus nicht mit militärischen Maßnahmen und Sicherheitspolitik bekämpft werden könne und eine Intensivierung kriegerischer Interventionen die Zahl der Flüchtlinge in Syrien und der Region kurz- und mittelfristig erheblich erhöhen werde.
Quelle: Diakonie-Katastrophenhilfe