Es war kein stolzes Pferd, sondern ein kleiner Esel, auf dem Jesus damals in Jerusalem eingeritten ist. Was er mit der Wahl seines Reittiers sagen wollte? Eins auf jeden Fall: Ich, Jesus, bin nicht nur für die Mächtigen, sondern für alle Menschen da. Der kleine Esel aber hat das gewusst: Er kannte Jesus wirklich. Eine Andacht zum Palmsonntag von Pfarrerin Sabine Drecoll.
Heute, also am Palmsonntag, kommt ein Esel in unseren Gottesdienst. Wir feiern Familiengottesdienst und erinnern uns an den Einzug von Jesus nach Jerusalem. Die Bibel erzählt davon, dass er dort mit seinen Freunden ein Fest feiern wollte, obwohl das nicht ungefährlich für ihn war. Die Religionsbehörde war auf ihn aufmerksam geworden und hat ihn verfolgt. Trotzdem reitet er auf einem Esel mitten hinein in die Hauptstadt, die von Spitzeln und Soldaten wimmelt. Damit brechen die letzten Tage im Leben von Jesus an. Aber zunächst ist noch alles voller Hoffnung. Fröhlich und erwartungsvoll stehen die Leute am Straßenrand. Eigentlich sind sie auch gekommen, um das jüdische Passafest zu feiern. Aber dann haben sie gehört, dass Jesus kommen wird. Jesus – der große Gelehrte. Wunder soll er tun, Menschen soll er heilen. Ist er der von Gott geschickte Retter, ist er der neue König, auf den sie schon so lange warten?
Aber nicht die Leute am Straßenrand sind die Hauptpersonen in unserem Familiengottesdienst. Wir haben ein kleines Theaterstück vorbereitet, darin sind besonders zwei Pferde und ein Esel wichtig. Auch sie haben schon von Jesus gehört. Die Spatzen pfeifen es von den Dächern. Auch dass Jesus ein Reittier braucht, um in Jerusalem einzuziehen. Die stolzen Pferde sind überzeugt: Eines von ihnen wird es sein! Sie sind schließlich schön und stark – genau richtig für einen König! Über den kleinen Esel neben ihnen lachen sie nur. Auch weil der ganz anders von Jesus erzählt. Der gute Hirte soll der sein, gut zu Menschen und Tieren – so ein Quatsch! Mächtig ist Jesus und stark. Und deshalb braucht er ein stattliches Reittier, um in Jerusalem einzureiten – eben eines von ihnen.
Aber in unserem Anspiel kommt dann alles anders, als die Pferde es sich gedacht haben. Die Jünger von Jesus gehen einfach an den stolzen Pferden vorbei und auf den kleinen Esel zu. Denn den hat sich Jesus als Reittier ausgesucht. Die Pferde verstehen die Welt nicht mehr.
Aber so zeigt sich: Jesus ist eben nicht nur für die Schönen und Mächtigen auf die Welt gekommen, sondern für alle Menschen. Er will für alle da sein, vor allem für die, denen es schlecht geht. Die von anderen ausgelacht werden. Die sich allein oder einsam oder traurig oder hässlich fühlen. Er kommt auch zu den Schwachen und Armen und nicht Besonderen. Um das zu zeigen, hat Jesus sich den Esel ausgesucht für seinen Einzug nach Jerusalem. Damit alle gleich sehen: Jesus ist der gute Hirte für die ganze Welt. Der kleine Esel in unserem Gottesdienst weiß das. Er ist der Schlaue in dieser Geschichte. Er kennt Jesus wirklich.
Ursprünglich ein Beitrag für SWR 1 und SWR 4.