Wer die schmale Treppe am Alten Pfarrhaus in Korb hochsteigt, landet im sumpfigen Jordantal. Weiter hinten, wo der Feigenbaum und eine große Pinie wachsen, befindet sich der waldige Norden Israels. Dazwischen blühen Blumen des Feldes wie die Hundskamille, die Kronenmargerite oder das Sonnenröschen. Der Bauerngarten an der Außenmauer symbolisiert die fruchtbare Jesreelebene zwischen Galiäa und Samaria. Dort wachsen Gewürze, Kichererbsen, Hirse und Weizen. Dahinter sprießen die Disteln und Dornen. Ein Garten wie das Heilige Land – das ist der Bibelgarten der Evangelischen Kirchengemeinde Korb im Remstal. Der liebe Gott hätte sein Wohlgefallen daran.
Das „Stückle“ schmiegt sich oberhalb der Straße eng an das Alte Pfarrhaus. Auf nur siebzig Quadratmetern wachsen über 80 verschiedene Pflanzen, die in der Bibel vorkommen oder schon zu Jesu Zeiten in der östlichen Mittelmeerregion heimisch waren. In der Bibel selbst sind 110 Pflanzenarten erwähnt. Die Idee für den Bibelgarten kam 2006 vom damaligen Pfarrersehepaar. Die beiden fanden keine Zeit für den kleinen Pfarrgarten, der zunehmend verwilderte. Umgesetzt hat die Idee Christa Hahn, die als passionierte Gärtnerin in der Gemeinde bekannt war. „Ich habe den ganzen Winter lang recherchiert“, erzählt die heute 73-Jährige. Sie las Bücher über Pflanzen der Bibel, besuchte die Gärten der Universität Hohenheim, wo vereinzelt biblische Pflanzen wachsen, durchforstete das Internet – und natürlich die Bibel. Schließlich kam ihr der Gedanke, die Bepflanzung der Landkarte Israels nachzuempfinden. Das bot sich aufgrund der langen und schmalen Fläche des Pfarrgartens an.
Planzen selbst gezogen
Im Frühjahr ging es dann los: Zusammen mit zehn weiteren Mitstreiterinnen und Mitstreitern entfernte sie alle bisherigen Pflanzen. Tagelang rissen sie den Giersch und andere Unkräuter heraus. Ein Winzer half mit seiner Weinbergfräse aus. „Und dann haben wir gepflanzt“, erzählt Christa Hahn. Etwa 50 verschiedene Pflanzenarten, die auch in der Bibel vorkommen, waren es anfangs. Dass es heute über 80 sind, liegt an Hahns grünem Daumen. „Hier“, sagt sie und zeigt auf eine etwa 15 Meter hohe Pinie, die am oberen Ende des Gartens steht, „diese Pinie habe ich selber gezogen aus einem Samen, den ich vor 18 Jahren vom Gardasee mitgebracht habe. Die stand vorher bei mir im Garten.“ Auch im Bibelgarten selbst sammelt die begeistere Gärtnerin Samen und zieht immer wieder Nachwuchs – so wie eine fast mannshohe Senfpflanze, gezogen aus einem winzig kleinen Samenkorn.
Begeisterte Gärtnerin
Neben dem Bibelgarten kümmert sich Christa Hahn um ihren eigenen Hausgarten sowie um ein sieben Ar großes Gartengrundstück, auf dem sie Gemüse anbaut. Dazu kommt der „Garten der Begegnung“ für Flüchtlinge und Korber, den sie zusammen mit ihrem Mann angestoßen hat. „Ich gärtnere quasi den ganzen Sommer über“, sagt sie lachend. Richtig Zeit dafür findet sie erst, seit sie in Rente ist. Etwa einen halben Tag in der Woche verbringt sie im Bibelgarten. Oft kommt jemand hereingeschneit, denn das Gartentor steht immer offen und Eintritt muss niemand bezahlen. Oder es melden sich Gruppen gezielt für Führungen an. Wie viele Besucher den Bibelgarten schon besucht haben, kann Hahn nicht genau sagen.
Geschichte vom brennenden Dornbusch
Für alle Interessierten hat Christa Hahn so manche kuriose Geschichte parat. Etwa das kleine Apfelbäumchen: „Der Apfel kommt fünf Mal in der Bibel vor, aber nicht da, wo man es vermutet“, erklärt sie. „Bei Adam und Eva ist immer nur von einer ‚Frucht‘ die Rede.“ Oder die Geschichte vom brennenden Dornbusch. Im Mai und Juni treibt der Strauch, der normalerweise in der Wüste gedeiht, violette Blüten, die stark duften. Bei Temperaturen über 40 Grad steigen die ätherischen Öle hoch, entflammen sich und brennen kurz ab. Der Busch selbst bleibt heil. Diese und andere Geschichten stehen neben den entsprechenden Bibelstellen auf den Tafeln, die sie überall aufgestellt hat.
Gärtner-Nachwuchs gesucht
Den Bibelgarten plagen derweil Nachwuchssorgen. Von den zehn Mitstreitern aus der Anfangszeit sind noch zwei übrig geblieben, die sich regelmäßig um den Garten kümmern. Dazu gibt es im Sommer eine Gießmannschaft, bestehend aus sieben Personen. „Der Pfarrer hat bei unserem jährlichen Bibelgartengottesdienst schon Werbung gemacht“, erzählt Hahn. Auch im Gemeindebrief hat Hahn geworben. Daraufhin hat sich eine ältere Frau gefunden, die seither mithilft. Das sei schön, doch ob das langfristig reicht, da ist sich die Gärtnerin nicht sicher.
Über 160 Bibelgärten gibt es im deutschsprachigen Raum. Viele von den Gärtnerinnen und Gärtnern haben sich in einem Netzwerk Bibelgarten zusammengeschlossen. Alle zwei Jahre treffen sie sich für ein verlängertes Wochenende, um zu fachsimpeln. Auch Christa Hahn ist immer dabei. Im kommenden Frühjahr soll es dann sogar nach Israel gehen, um noch mehr über die Flora des Heiligen Landes zu erfahren.
Ute Dilg
Den Bibelgarten in Korb gibt es seit 2006. Er liegt am Alten Pfarrhaus in der J.F. Weishaarstraße 6 in 71404 Korb im Remstal, ist täglich geöffnet und kostenlos zugänglich.