Am 10. Sonntag nach Trinitatis, das ist dieses Jahr der 9. August, steht der so genannte „Israelsonntag“ auf dem Kalender. An ihm macht die evangelische Kirche ihr erneuertes Verhältnis zum Judentum zum Thema. „Vielen Menschen aus unserer Landeskirche ist das Verhältnis zum Judentum wichtig, viele kennen Jüdinnen und Juden durch persönliche Begegnungen und gemeinsames Lernen“, sagt Dr. Michael Volkmann vom Pfarramt für das Gespräch zwischen Christen und Juden. Im Interview mit Jens Schmitt klärt er darüber auf, warum es diesen Tag gibt und warum wir ihn als Kirche begehen.
Herr Volkmann, was ist der Israelsonntag?
Am 10. Sonntag nach Trinitatis, dem Israelsonntag, macht die evangelische Kirche ihr erneuertes Verhältnis zum Judentum zum Thema. Der Tag liegt in zeitlicher Nähe zum 9. Av, dem jüdischen Gedenktag an die Zerstörungen Jerusalems und des salomonischen Tempels durch die Babylonier um 586 v. Chr. bzw. des herodianischen Tempels durch die Römer 70 n. Chr. Je nach Schwerpunktsetzung und Wahl des Predigttextes kann an diesem Tag der Zerstörung Jerusalems gedacht oder in Auseinandersetzung mit dem christlichen Antijudaismus die Freude und der Segen des Gesprächs zwischen Christen und Juden zur Sprache gebracht werden.
Wieso wurde der Israelsonntag ins Leben gerufen?
Diesen Sonntag als Israelsonntag zu begehen, setzte sich in den deutschen evangelischen Kirchen seit den 1960er Jahren Schritt für Schritt durch. Der Israelsonntag knüpft an den seit der Reformationszeit begangenen „Judensonntag“ an und richtet ihn an der Erneuerung des Verhältnisses von Christen und Juden aus. Am Judensonntag war es lange Zeit üblich gewesen, in mitleidloser Distanz und Abgrenzung gegen Juden an die Zerstörung Jerusalems zu erinnern und diese den christlichen Gemeinden als warnendes Beispiel vor Augen zu führen. Heute begreifen wir mit Hilfe des aktuellen Predigttextes Lukas 19,41-48, dass Jesus zu Jerusalem eine innige Beziehung hat und dass er um die Stadt und ihre Bewohner trauert wie um eine Geliebte. Und wir merken, dass wir selbst lebendige Beziehungen zu Juden brauchen.
Was bedeutet Ihnen dieser Tag?
Mir sind am Israelsonntag mehrere Aspekte wichtig. Wir besinnen uns als Kirche auf unsere jüdischen Wurzeln, die uns tragen und feiern unsere enge Beziehung zum Judentum, unserem geschwisterlichen Partner im interreligiösen Dialog. Wir wünschen Jerusalem Glück und beten für den Frieden der Stadt und des Landes. Außerdem zeigen wir, wie wir jüdische Traditionen und jüdische Bibelauslegung für die Kirche fruchtbar machen können. Wir loben Gott, der Israel und Kirche seine Barmherzigkeit und Treue spüren lässt. Ich persönlich freue mich an diesem Tag besonders über „meine“ jüdische Gemeinde in der russischen Partnerstadt Petrosawodsk, die mich zu ihrem Ehrenmitglied ernannt hat.
Wie wird der Israelsonntag dieses Jahr in den Gemeinden der Evangelischen Landeskirche in Württemberg begangen?
Ich gehe davon aus, dass der Israelsonntag generell immer mehr Beachtung findet und dass einer oder mehrere der oben genannten theologischen Aspekte zu Sprache gebracht werden. Vielen Menschen aus unserer Landeskirche ist unser Verhältnis zum Judentum wichtig, viele kennen Jüdinnen und Juden durch persönliche Begegnungen und gemeinsames Lernen. Vier in unserer Landeskirche verwurzelte Institutionen stellen sich den Gemeinden vor und bitten um das Opfer dieses Sonntags: Aktion Sühnezeichen Friedensdienste, Zedakah, der Evangeliumsdienst für Israel und die Evangelische Israelhilfe Württemberg der Arbeitsgruppe „Wege zum Verständnis des Judentums“. Da der Israelsonntag in den Sommerferien liegt, liegt die Verantwortung für den Gottesdienst vielerorts bei Prädikantinnen und Prädikanten und denen, die sie auf diesen Tag vorbereiten. Ich heiße an diesem Israelsonntag jüdische Lehrerinnen und Lehrer in Bad Boll willkommen, die mit Christen zusammen eine Woche Tora lernen und Sabbat feiern werden.
Herr Volkmann, vielen Dank!