Am Sonntag endet der evangelische Kirchentag in Stuttgart. Wenn es nach dem baden-württembergischen Ministerpräsidenten Winfried Kretschmann geht, sollte es bald nur noch ökumenische Kirchentage geben.
Baden-Württembergs Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) hält die Trennung zwischen evangelischen Kirchentagen und Katholikentagen für überholt. "Wir sollten das grundsätzlich gemeinsam machen", sagte der Katholik Kretschmann den "Stuttgarter Nachrichten" (Samstagsausgabe). In Stuttgart endet am Sonntag der 35. Deutsche Evangelische Kirchentag, zu dem rund 97.000 Dauerteilnehmer angereist sind.
Das Protestantentreffen findet alle zwei Jahre statt. In den Jahren dazwischen gibt es jeweils Katholikentage. Zweimal, 2003 in Berlin und 2010 in München, wurden bislang Ökumenische Kirchentag gefeiert. "Ich hoffe, es kommt auch mal bald die Zeit, in der es nur noch ökumenische Kirchentage gibt", sagte Kretschmann. Wenn er vom Ritus des Gottesdiensts absehe, könne er keine Unterschied zwischen Katholikentagen und evangelischen Kirchentagen feststellen.
Kretschmann sprach sich für allgemein für eine stärkere Ökumene aus: "Insgesamt wünsche ich mir mehr Einheit - keinen Einheitsbrei, aber eine Einheit in versöhnter Verschiedenheit", sagte er der Zeitung. "Ich bin davon überzeugt: Wenn das zusammenkäme, was die großen christlichen Kirchen jeweils stark macht - die Universalität der Katholiken, die Freiheit des Christenmenschen bei den Protestanten und die Spiritualität der Orthodoxie -, dann würde etwas entstehen, das man neudeutsch Synergieeffekt nennt - nämlich mehr als die Summe der Teile", sagte Kretschmann: "Eine solche mutige Ökumene würde die Christenheit wieder attraktiver machen und sie stärken."
Bei dem am Mittwoch eröffneten Protestantentreffen in Stuttgart waren erneut zahlreiche Spitzenpolitiker zu Gast, unter ihnen Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) und Bundespräsident Joachim Gauck. Für Samstag wird unter anderem der ehemalige UN-Generalsekretär Kofi Annan erwartet. Zusammen mit Außenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD) diskutiert er über die Krisen und Konflikte in der Welt.
Am Freitagabend erlebten die Kirchentagsbesucher einen der Konzerthöhepunkte: Der Popsänger Andreas Bourani trat vor 15.000 Menschen auf dem Cannstatter Wasen auf.
Ebenfalls am Freitagabend gab der ehemalige Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Nikolaus Schneider, persönliche Einblicke in sein Verhältnis zu Gott. Sein Glaube habe durch den Krebstod seiner Tochter Meike nach eigenen Worten "Risse und Schrunden" davongetragen, sagte er. Zwar habe er nach dieser kaum auszuhaltenden Erfahrung im Jahr 2005 nicht die Existenz Gottes infrage gestellt. Er sei jedoch ins Grübeln gekommen, ob es Gott wirklich gut mit ihm meine. "Gott ist nicht der Kumpel um die Ecke", sagte Schneider. "Da gibt es auch dunkle Seiten."
Letzten Endes habe er das tragische Ereignis vor zehn Jahren aber nur überlebt, weil Gott ihn trotzdem gehalten habe, ergänzte Schneider.
Schneiders Ehefrau Anne, die seit rund einem Jahr gegen eine Krebserkrankung kämpft, verglich ihre Beziehung zu Gott mit einer langen Ehe. Der Glaube an Gott müsse eine Mischung aus Geschenk und Beziehungsarbeit sein. "Ich darf auch mein Klagen, Fragen und Zweifeln vor Gott bringen, und nicht nur ergebene Ehrfurcht", sagte sie.
Nach einer Chemotherapie gehe es ihr derzeit "wunderbar", ergänzte Anne Schneider. Die Ärzte hätten ihr gesagt, dass sie vielleicht doch noch "für einen Zeitraum von fünf bis zehn Jahren planen" könne: "Ich nehme das als großes Geschenk und bin einfach glücklich im Moment."
Quelle: Evangelischer Pressedienst (EPD)