Im Konfirmandenunterricht reden die Jugendlichen über das, was den christlichen Glauben ausmacht. Sie sprechen über die Sakramente Taufe und Abendmahl, denken über das Sterben und den Tod nach, lernen wie Christen beten, lesen ausgewählte Teile der Bibel und Luthers Katechismus und beschäftigen sich mit dem Kirchenjahr. In der Kirchengemeinde Aich-Neuenhaus kam sogar die Polizei ins Haus.
„Das sieht ja nach Frühlingsanfang aus“, sagt Ralf Sedlak, Pfarrer in der Kirchengemeinde Aich-Neuenhaus, und zeigt auf die Emojis* auf dem Tisch. Die gelben Gesichter lachen, schauen verschmitzt drein, haben Herzchen in den Augen oder Sonnenbrillen auf den Nasen. Jede Woche fragt Sedlak in bester WhatsApp-Manier vor dem Unterricht so die Stimmung seiner elf Konfirmandinnen und Konfirmanden ab. Neben vorwiegend guter Laune haben die Jugendlichen zu dieser Konfirmandenstunde auch viele Fragen mitgebracht, denn Polizeihauptkommissar Andreas Menz vom Polizeiposten in Neckartenzlingen ist zu Besuch im Gemeindehaus Zehntscheuer in Aich.
Die erste Frage stellt jedoch Andreas Menz: „Warum brauchen wir überhaupt Gesetze?“ Damit nicht jeder machen kann, was er will. Damit man weiß, was man darf und was nicht. Um für Gleichberechtigung zu sorgen, um Unfälle zu vermeiden. Gemeinsam tragen Ina, Jens, Ron und die anderen Konfis Antworten zusammen. Die Konfi-Stunde mit der Polizei ist für sie der Schlusspunkt einer inhaltlichen Einheit zum Thema „10 Gebote“, was diese heute für die Menschen bedeuten können, inwieweit weltliche Gesetze damit zu tun haben.
Bekenntnis zum christlichen Glauben
Die Aicher Konfis gehen alle in die 8. Klasse, sind also 13 oder 14 Jahre alt. Das ist traditionell das Alter, in dem die Evangelische Landeskirche in Württemberg Jugendliche konfirmiert. Die meisten wurden als Babys oder Kleinkinder getauft. Die Eltern und Paten haben damals den Segen für ihre Kinder erbeten. Mit der Konfirmation bekennen sich die Jugendlichen selbst zum christlichen Glauben und zu ihrer Kirchenzugehörigkeit. Insgesamt 19.000 Konfirmandinnen und Konfirmanden gibt es in diesem Jahr in Württemberg. Etwa 600 von ihnen lassen sich erst im Rahmen des Konfirmationsgottesdiensts taufen, berichtet Dr. Thomas Ebinger, Pfarrer und Dozent für die Konfirmandenarbeit beim Pädagogisch-Theologischen Zentrum in Stuttgart-Birkach. „Es gibt den Trend, dass Eltern ihren Kindern die Entscheidung überlassen, sich taufen oder konfirmieren zu lassen.“
Im Konfirmandenunterricht, für den die Schulen traditionell den Mittwochnachmittag freihalten, reden die Jugendlichen über das, was den christlichen Glauben ausmacht. Sie sprechen über die Sakramente Taufe und Abendmahl, denken über das Sterben und den Tod nach, lernen wie Christen beten, lesen ausgewählte Teile der Bibel und Luthers Katechismus und beschäftigen sich mit dem Kirchenjahr. Gegen Ende des einjährigen Konfirmandenunterrichts behandelt Pfarrer Ralf Sedlak die Frage der gesellschaftlichen Verantwortung der Christen, eben auch im Zusammenhang mit den Zehn Geboten und den weltlichen Gesetzen. Und so kommt Andreas Menz ins Spiel, Polizeibeamter und Christ, der als Prädikant der Württembergischen Landeskirche selbst hin und wieder Gottesdienste hält.
Schuld und Vergebung
Im Zusammenhang mit Fragen der Konfirmanden weist Andreas Menz auf die Präambel des Grundgesetzes hin, in dem von der „Verantwortung vor Gott und den Menschen“ die Rede ist. Das empfinde er als Hilfe in seinem Beruf. Dennoch habe er neutral zu sein. „Wir Polizisten müssen uns an die Gesetze und Dienstanweisungen halten, egal welcher Religion wir angehören“, betont er. „Gesetze sind nicht da, um uns zu ärgern“, erklärt Andreas Menz weiter. „Sie sind zu unserem Schutz da, wie zum Beispiel das Jugendschutzgesetz.“ Genau erläutert er den Jungen und Mädchen, welche Rechte und Pflichten sie in ihrem Alter haben, ob und wann sie einen Ferienjob machen können, ob und ab wann sie alkoholhaltiges oder „vermeintlich alkoholfreies“ Bier kaufen dürfen und was passiert, wenn sie bei einem Ladendiebstahl erwischt werden.
Mit dem Thema Schuld hatten sich die Aicher Konfis bereits in der Konfirmandenfreizeit beschäftigt – auch auf ganz persönliche Weise. Jeder hatte ein Schuldbekenntnis aufgeschrieben. Beim gemeinsamen Töpfern formten die Jugendlichen Abendmahlskelche aus Ton, in dem sie ihren Zettel versteckten. Während des Brennens verbrannte er, die Schuld löste sich buchstäblich in Rauch auf – ein Symbol für die Vergebung der Sünde.
So funktioniert das bei einer Straftat nicht. Dennoch kann es gerade im Bereich des Jugendstrafrechts zu einer Art „Vergebung“ kommen. Andreas Menz erklärt den Jugendlichen das am Beispiel des Ladendiebstahls. „Wer ist noch 13?“ fragt er. Einige Hände gehen nach oben. „Ihr seid noch nicht strafmündig. Da würde das Verfahren durch die Staatsanwaltschaft eingestellt. Es gäbe aber ein sogenanntes ‚normenverdeutlichendes Gespräch‘, dass im Beisein der Eltern stattfindet“, betont Menz. Schließlich sollen alle aus so einem Vorfall lernen. Ab dem 14. Lebensjahr können Jugendliche strafrechtlich belangt werden. Hier gibt es insbesondere bei jugendlichen Straftätern die Möglichkeit eines „Täter-Opfer-Ausgleichs“. Es geht darum, dass die jugendlichen Täter ihre Fehler erkennen und die Möglichkeit haben, sich zum Positiven zu verändern. Am Ende steht hier ein moderiertes Gespräch zwischen „Täter und Opfer“, bei dem der Dieb sich entschuldigen, der Schaden ausgeglichen und der Geschädigte „vergeben“ kann.
Schritt ins Erwachsenenleben
Nach eineinhalb Stunden Fragen und Antworten verabschiedet sich Andreas Menz. Ralf Sedlak weist die Konfis auf das Projekt „Konfi-Zeitung“ hin und teilt dazu Vorlagen aus. Und er erinnert sie an die Katechismus-Texte, die sie noch zu lernen haben. Denn bald ist Konfirmation. Im Abendmahlsgottesdienst am Vorabend des Konfirmationssonntags Rogate (6. Mai) wird jede Konfirmandin und jeder Konfirmand dann den eigenen Abendmahlskelch ausgehändigt bekommen. Als Erinnerung an diesen wichtigen Tag. „Die Jugendlichen haben während des Konfirmandenunterrichts einen Reifeprozess durchgemacht“, davon ist Pfarrer Sedlak überzeugt. Sie haben sich eine Position erarbeitet in ihrer Konfi-Gruppe, in ihrem Verhältnis zu Gott und zu ihrer Gemeinde.
Ute Dilg
* Emoji sind kleine Symbole wie Smileys oder Alltagsobjekte, die der Kommunikation im Internet und mit Smartphones dienen. Meist werden damit Gefühle ausgedrückt. Sie stammen ursprünglich aus Japan. Die Piktogramme werden vor allem bei Kurznachrichten über Messenger-Dienste wie WhatsApp verwendet.