03.04.2017

Bündnis gegen Altersarmut

Baden-Württemberg fordert Kurswechsel in der Rentenpolitik

31 Organisationen, Verbände und Gewerkschaften aus Baden-Württemberg haben sich am 3. April in Stuttgart zu einem breiten gesellschaftlichen Bündnis gegen Altersarmut zusammengefunden, um noch vor der Bundestagswahl für einen Kurswechsel in der Rentenpolitik einzutreten. Bei der Konstituierung im Haus der Katholischen Kirche in Stuttgart wurde das Bündnispapier am späten Vormittag unterzeichnet. Mehr als 50 Veranstaltungen sind allein bis zu den Sommerferien geplant.

Die Bündnispartner eint die Sorge, dass bereits ab 2030 Millionen ältere Mitbürgerinnen und Mitbürger auf den Gang zum Sozialamt angewiesen sein werden, wenn nicht heute gegengesteuert wird. Die damit verbundenen Folgen für den Zusammenhalt unserer Gesellschaft seien dramatisch.

Im Bündnispapier halten die Partnerinnen und Partner fest: „Eine reiche und soziale Gesellschaft darf es nicht länger zulassen, dass Menschen, die ein Leben lang gearbeitet haben, in Armut geraten. Ein Wechsel in der Rentenpolitik ist dringend nötig und auch möglich. Die gesetzliche Rente soll wieder die Wahrung des Lebensstandards im Alter ermöglichen. Sie muss Armut im Alter verhindern! Wir halten ein Rentenniveau von wenigstens 50 Prozent für erforderlich!“

Martin Gross, ver.di Landesbezirksleiter: „Wir hatten die Initiative für dieses Bündnis ergriffen, weil wir schon seit Jahren wissen: Insbesondere bei den unterdurchschnittlich bezahlten Berufen im Dienstleistungsbereich, das betrifft zig Millionen Menschen in Deutschland, tickt eine soziale Zeitbombe. Wer den Mindestlohn erhält, muss 58,7 Jahre Vollzeit arbeiten, um im Alter mehr als Grundsicherung zu erhalten. Das ist ein gesellschaftspolitischer Skandal.“

Martin Kunzmann, Vorsitzender DGB-Bezirk Baden-Württemberg: „Anfang des Jahrhunderts ist der rentenpolitische Sündenfall passiert, als die paritätische Finanzierung der Rentenbeiträge aufgegeben wurde. Den Beitrag zur privaten Vorsorge tragen die Beschäftigten weitgehend alleine. Doch vielen Menschen fehlt das Geld, privat vorzusorgen. Zudem sind die angebotenen Finanzprodukte bei Weitem nicht so leistungsfähig und kostengünstig wie die gesetzliche Rentenversicherung. Die Schwächung der gesetzlichen Rente geht vor allem zulasten der jungen Generation. Junge Menschen brauchen eine planbare und verlässliche Alterssicherung. Das geht nur mit einer solidarischen, umlagefinanzierten Rente. Mit vernünftigen Konzepten ist es zu schaffen, die Beiträge hierfür zu schultern.“

Oberkirchenrat Dieter Kaufmann, Vorstandsvorsitzender des Diakonischen Werks Württemberg: „Alt zu werden ist mit Veränderungen verbunden. Soziale Beziehungen und Aufgaben gehen verloren, Gesundheit und Mobilität sind eingeschränkt. Wenn die Rente nicht für Kontaktpflege oder Miete reicht, belastet das ungemein. Es gibt aber auch die andere Seite: Es sind gerade die Menschen mit einer guten Alterssicherung, die bereit und in der Lage sind, sich für den sozialen Zusammenhalt in der Gesellschaft einzusetzen. Deshalb ist eine gute Alterssicherung für uns alle wichtig. Wer heute Angst vor dem Alter haben muss, weil unsere Gesellschaft nicht in der Lage ist, eine gute Alterssicherung für alle zu organisieren, wird im Alter keinen Anlass haben, sich für diese Gesellschaft zu engagieren.“

Manuela Rukavina, Vorsitzende des Landesfrauenrates: „In Baden-Württemberg verdienen Frauen durchschnittlich 26 Prozent weniger als Männer, mit gravierenden Folgen für ihre Rente. Der alte Spruch „Frauen leben länger- aber wovon?“ wird immer aktueller. Wir als Gesellschaft und die Politik bauen in weiten Teilen darauf, dass Frauen ihre Erwerbsbiographien am Wohle anderer ausrichten, bezahlen sie dafür schlechter und am Ende ihres Lebens stehen diese Frauen zum Dank dafür mit Minirenten da. Bei der aktuellen Lage und der Weiterentwicklung beim Thema Rente sieht man deutlich, warum sich der Landesfrauenrat und seine über 2,5 Millionen organisierten Frauen dem Bündnis angeschlossen haben.“

Bernhard Appel, Direktor des Caritasverbandes der Erzdiözese Freiburg: „Tiefgreifende wirtschaftliche Veränderungen bringen zunehmend gesellschaftliche ‚Verlierer‘ und ‚Gewinner‘ hervor. Hier mehr sozialen Ausgleich zu schaffen, kommt unserer gesamten Gesellschaft zugute, weil es den Zusammenhalt stärkt. Deshalb fordern wir politische Maßnahmen, die einer fortschreitenden sozialen Ungleichheit und der weiteren Polarisierung von Armut und Reichtum in unserer Gesellschaft wirksam entgegensteuern. Dazu gehören auch faire und gerechte Arbeits- und Einkommensverhältnisse, die letztlich die Voraussetzung für ein finanziell abgesichertes Leben im Alter sind.“

Brigitte Rösiger, Geschäftsführerin Landesverband alleinerziehender Mütter und Väter (VAMV): „Alleinerziehende arbeiten praktisch ohne Aussicht auf Rente, sie steuern auf Altersarmut zu!“

Roland Sing, VdK-Vizepräsident und baden-württembergischer Landesvorsitzender des Sozialverbands VdK und Vorsitzender des Landesseniorenrats: „Die Absenkung des Rentenniveaus führt dazu, dass Menschen zu Bittstellern gemacht werden. Ihnen wird im Alter die Würde genommen, wenn sie nach ihrem Arbeitsleben Grundsicherung brauchen. Das ist bitter!“

Ursel Wolfgramm, Vorstandsvorsitzende des Paritätischen Wohlfahrtsverbandes Baden-Württemberg: „Altersarmut ist und wird vor allem weiblich sein. Insbesondere dann, wenn Frauen im Laufe ihrer Erwerbsbiographie vorwiegend Kinder betreut oder Angehörige gepflegt haben. Häufig können sie dadurch nur einer Teilzeitbeschäftigung nachgehen, nicht selten im Niedriglohnsektor. Die Rentenansprüche bewegen sich damit auf die Armutsschwelle zu oder sogar darunter. Armut im Alter darf kein Schicksal sein. Die Weichen der Alterssicherungspolitik müssen endlich neu gestellt werden und der Zusammenhang zwischen Erwerbstätigkeit und Altersarmut durch eine gerechtere Einkommenspolitik durchbrochen werden.“

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