01.11.2018

„Pflege ist eine Kunst“

Pflegekräfte wollen mehr Wertschätzung

Wer im Alter gut versorgt sein will, muss früh die Weichen stellen. Und sich gesellschaftspolitisch engagieren, so lange noch genug Energie da ist. Davon ist Margarete Mühlbauer als ehemalige Leiterin der Ambulanten Dienste des Evangelischen Diakoniewerks Schwäbisch Hall überzeugt. 

Margarete Mühlbauer

Die Pflege alter Menschen steht auf wackligen Beinen. Es fehlen Pflegekräfte und auch Experten in den Bereichen Management und digitale Technologie. Es sind immer mehr Informationen nötig, aber nicht transparent verfügbar. Und es fehlt auch am Geld. Trotzdem, und obwohl sie wissen, dass sich dies nicht schnell mal eben korrigieren lässt, sind die beiden Schwäbisch Haller Pflegeexpertinnen Margarete Mühlbauer und Andrea Beck zuversichtlich: Alt werden kann man auch künftig noch mit einem guten Gefühl.

Man müsse früh genug anfangen, sein Hilfenetz fürs Alter zu knüpfen mit Freunden und Verwandten, schon ab 30 Jahren. „Pflege ist eine Kunst und muss erlernt werden“, betonen Mühlbauer und Beck. „Denn man kann nie alles zahlen, was man später mal an Hilfestellung braucht“, sagt Mühlbauer, die jetzt selbst in den Ruhestand ging und fast 30 Jahre die Ambulanten Dienste des Evangelischen Diakoniewerks Schwäbisch Hall geleitet hat.

Jeder müsse zur richtigen Zeit etwas tun in den Bereichen Gesundheit, Finanzen, Informationen und soziales Umfeld. „Wobei wir nur auf die beiden letzten Faktoren wirklich Einfluss haben“, sagt sie. Auch kleine Schritte helfen. So gebe es in Schwäbisch Hall eine Gruppe, die die Bewegungsübungen „5 Esslinger“ regelmäßig im Grünen absolviert. „Das hält beweglich, körperlich und mental“, sagt Mühlbauer.

Im Pflegefall brauche man dann ein Netzwerk, zu dem sie auch die mehr als 125 Jahre alte Gemeindekrankenpflege zählt. Damit die funktionsfähig und für die Pflegekräfte attraktiv bleibt, sei viel politisches Engagement nötig, sagt Mühlbauer. Sie selbst war in der Kommunalpolitik und ist seit 1995 ununterbrochen Mitglied der württembergischen Landessynode.

„Ich suche seit 1989 Pflegekräfte - der Notstand in den 1970ern war höher als heute“, ist Mühlbauers Einschätzung. Sogar der Landespolitik fiel das damals auf und sie unterstützte Neues. Es entstanden die Diakonie-Sozialstationen. „Das aus der Not geborene Konzept einte Ortschaften - auch solche, die sich eigentlich nicht riechen konnten“, schmunzelt Mühlbauer. Sie schöpft daraus Zuversicht, dass im Ernstfall neue Möglichkeiten entstehen.

Krankenpflege brauche Planungssicherheit und Nachhaltigkeit, betont sie: „Denn jede Anstellung ist eine Verantwortung.“ Und: „Der Schlüssel zu guter Pflege ist der Personalschlüssel.“

Andrea Beck, die Mühlbauers Aufgaben in den Ambulanten Diensten übernommen hat, verweist auf den aktuellen immensen bürokratischen Aufwand: „Vier verschiedene Rechnungen für einen Hausbesuch - das ist verrückt.“ Verwaltungsverbünde entlasten die einzelnen Stationen zwar organisatorisch, „aber die lassen sich nicht erzwingen“.

Pflegekräfte brauchten heutzutage nicht nur Fachwissen, sie müssten sich auch im Dschungel der Gesetze auskennen. „Das erfordert eine unglaubliche Schulung und ist teuer im Alltag, denn: fehlt das Wissen, aus welchem Budget Kosten gedeckt werden können, bleiben die offen“, erklärt Andrea Beck.

Auch die Patienten brauchen eigentlich Lotsen, weil nicht nur die einzelne Dienstleistung, sondern auch das Gesamtbudget betrachtet werden müssen. Ist im laufenden Jahr noch Kurzzeitpflege in einem Heim nötig zur Entlastung Angehöriger oder nicht? Welche Hilfsmittel von Inkontinenzeinlagen bis Rollstuhl stehen den Patienten zu, was davon müssen sie selbst bezahlen? „Manche Patienten fordern unglaublich viel, andere bekommen mangels Wissen nicht bezahlt, was ihnen zustehen würde“, sagt Beck. 

„Pflege ist eine Kunst und muss erlernt werden“, betonen Mühlbauer und Beck. Von der Pflege der „Schwester mit Haube“ bis zum Pflege-Team heute war es ein langer Weg. Und es sind längst nicht alle Probleme beseitigt. Lücken tun sich immer wieder auf, wo familiäre Bindungen und Nachbarschaftshilfe wegfallen, wissen die Expertinnen.

Dass vor rund 20 Jahren in der Bundespolitik der Satz fiel „Pflegen kann jeder“, habe bis heute fatale Auswirkungen. Die Expertinnen fordern für Pflegekräfte mehr öffentliche Wertschätzung. Pflege sei „ein besonderer Beruf“, und nicht zuletzt mittlerweile akademisiert.

Für Frustration im Beruf sorge auch, dass derzeit nur der Preis bezahlt werde „für ausreichende Pflege, aber nicht entsprechend für die sehr gute, die erlernt wurde“, sagt Mühlbauer. Da brauche es Gesetze, die den Rahmen sichern. Andrea Beck beobachtet, dass gute Entscheidungen nur fallen, wenn Betroffene mitreden. Doch wer akut von einem Pflegefall betroffen sei, habe meist keine Kraft zum Kämpfen. Deshalb müsse die Gesellschaft als Ganzes „lernen, Pflege zu schätzen und zu entlohnen“.

Quelle: Evangelischer Pressedienst (epd)

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