29.01.2020

„Kirche elektrisiert“: Funke springt über

Der Nagolder Pfarrer Fabian Keller hatte die Idee zu „Kirche elektrisiert“.

Großes Interesse bei Kick-off-Veranstaltung der Landeskirche

Stuttgart. Die Evangelische Landeskirche in Württemberg will künftig nicht mehr „Gas“ geben, sondern ihre Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter möglichst emissionsarm fahren lassen. Das ist Ziel des Projekts „Kirche elektrisiert“, das sie am Mittwoch mit einer Kick-off-Veranstaltung im Hospitalhof in Stuttgart offiziell gestartet hat.

Initiator der Aktion ist Pfarrer Fabian Keller aus der 22.000-Einwohner-Stadt Nagold: Ihn stört schon lange, dass abseits der Zentren der Öffentliche Personennahverkehr „in den allermeisten Fällen leider keine hinreichende Alternative“ zum Auto darstelle. Angesichts der durch Fusionen oft größer werdenden Gemeindegebiete seien „viele Pfarrerinnen und Pfarrer auf einen Zweitwagen angewiesen, um ihren Dienst adäquat ausüben zu können“. Das heißt: Mobilität werde immer wichtiger.

Zwei Ziele auf einmal im Blick

Mit „Kirche elektrisiert“ will die Landeskirche deshalb zwei Ziele gleichzeitig erreichen: In Kooperation mit Herstellern von Elektroautos - zunächst beteiligen sich VW und Renault an dem Projekt - sind erstens besonders günstige Leasingangebote für Pfarrerinnen und Pfarrer sowie für Angestellte möglich. Den elektrifizierten VW Up beispielsweise gibt's in der einfachsten Ausführung demnach für monatlich 99 Euro, den etwas größeren Renault Zoe für 113 Euro. Und zweitens soll die kirchliche Mobilität möglichst umweltschonend sein.

Der VW E-Up von vorne mit dem Logo „Kirche elektrisiert“.
Nicht nur die Hersteller Renault und VW waren mit Ständen vertreten, sondern auch das Umweltbüro der Evangelischen Landeskirche in Württemberg.
In der Mittagspause nutzten viele Teilnehmer der Kick-off-Veranstaltung die Möglichkeit, sich an Ständen der Hersteller über die konkreten Angebote zu informieren.
Die schwarze Variante des Renault Zoe.
Die Beifahrerseite des Renault Zoe mit dem „Kirche elektrisiert“-Logo.
Die Fahrerseite des Renault Zoe.
Der Renault Zoe von vorne.
Auch vom Logo „Kirche elektrisiert“ gibt's mehrere Varianten: Dieses ist ganz in Weiß gehalten.
Den Wagen gibt's außer in Weiß auch in anderen Farbvarianten, beispielsweise in Schwarz.
Und hier die Beifahrerseite des E-Up.
Die Fahrerseite des E-Up mit dem Logo „Kirche elektrisiert“.
Ein goldfarbenes E-Auto wurde am Mittwoch ebenfalls präsentiert: Marc-Oliver Prinzing (Fuhrpark-Beratung carmacon GmbH, v.l.), Paul Lohmeyer und Alexander Wüstner (VW), Projektverantwortlicher Dr. Winfried Klein sowie Initiator Fabian Keller (Pfarrer in Nagold).

Pedelecs: Noch offene Fragen

Auch E-Bikes gehören zum „Kirche elektrisiert“-Programm. Allerdings sind Angebote von Kooperationspartner Bikeleasing aus dem niedersächsischen Uslar aus steuerrechtlichen Gründen zunächst nur an die Pfarrerschaft möglich. Projektleiter Dr. Winfried Klein zeigte sich bei der Kick-Off-Veranstaltung im Hospitalhof aber zuversichtlich, dass bis zum Sommer auch eine „Pedelec-Lösung“ für die Angestellten vorliegt.

„Kein Allheilmittel“, aber...

Unterdessen betonte Stefan Werner, Direktor des Oberkirchenrates, dass E-Mobilität zwar „kein Allheilmittel bedeutet“. Allerdings sei die Kirchenleitung überzeugt davon, dass Elektrofahrzeuge "in diesem Stadium einen wichtigen Beitrag zum Erreichen der Klimaziele" leisten könnten.

Das sagen die Teilnehmer

Diakonin Miriam Günderoth, Stuttgart: „Ich bin bewusst hierher gekommen, um zu schauen, was für mich als Angestellte möglich ist“ - und zwar in Sachen E-Bikes. Aus ihrer Sicht muss es schnellstens möglich sein, dass auch die kirchlichen Angestellten von „Kirche elektrisiert“ auf zwei Rädern profitieren. Ein E-Auto sei für sie hingegen nicht interessant: Seit gut 20 Jahren sei sie Carsharing-Kundin.
Daniel Fehrle, Leiter der kirchlichen Verwaltungsstelle Reutlingen: „Ich finde es ganz toll, dass die Landeskirche damit einen Beitrag zur Bewahrung der Schöpfung leisten will.“ Er selbst muss von den Vorteilen der E-Mobilität gar nicht mehr überzeugt werden - Daniel Fehrle fährt schon seit mehreren Jahren einen strombetriebenen Wagen. Er will aber die am Mittwoch gesammelten neuen Informationen an seine Mitarbeiter weitergeben.
Heiko Zürn, Pfarrer in Reutlingen-Ohmenhausen, sieht nur eine einzige Hürde, die vor seinem persönlichen Einstieg in die E-Mobilität genommen werden muss: „Es geht los, wenn die Frage geklärt ist, wie's mit der Wallbox in Pfarrhäusern ist“ - sprich: ob die Ladevorrichtung dort ohne Probleme installiert werden kann.
Dorothea Kik, Pfarrerin in Stuttgart-Weilimdorf, findet „Kirche elektrisiert“ vor allem wegen der E-Bikes „sehr interessant“. Sie erledigt die meisten ihrer Dienstfahrten in Stuttgart mit dem Fahrrad - „ich schaffe noch alles ohne E“, schildert die Pfarrerin schmunzelnd. Aber für die Zukunft kann sie sich die Nutzung eines Elektrorades durchaus vorstellen. Und weil die Familie einen - zwar erst wenige Jahre alten - Euro-5-Diesel fährt, könnte ein Elektroauto ebenfalls interessant werden. Nur ein Aspekt stört Dorothea Kik an „Kirche elektrisiert“: dass ausgerechnet VW zum Start des Projekts Kooperationspartner ist. „Aus ethischen Gründen finde ich das nicht gut", verweist sie auf die Rolle von Volkswagen im Diesel-Abgasskandal.
Pfarrer Rainer Holweger aus Gäufelden-Öschelbronn ist schon mit grundsätzlichem Interesse an der Elektromobilität zur Kick-off-Veranstaltung gekommen. Und nachdem er die konkreten Leasingangebote vernommen hatte, soll's nun „so schnell wie möglich losgehen“ mit der Elektromobilität: Die Konditionen seien einfach besser als auf dem freien Markt. Nun werde der Familienrat noch die Vor- und Nachteile der beiden zum Start verfügbaren Modelle abwägen, dann will der Pfarrer bei „Kirche elektrisiert“ starten.

Bei den meisten Teilnehmern der Kick-off-Veranstaltung stößt „Kirche elektrisiert“ auf ein positives Echo. „Ich finde es ganz toll, dass die Landeskirche damit einen Beitrag zur Bewahrung der Schöpfung leisten will", meint beispielsweise Daniel Fehrle, Leiter der kirchlichen Verwaltungsstelle in Reutlingen.

Er selbst fahre zwar schon seit mehreren Jahren ein Elektroauto. Die am Mittwoch gesammelten Informationen aber will er nun an seine Mitarbeiter weitergeben - um auch diese für den Start ins „Elektro-Zeitalter“ zu gewinnen.

Dorothea Kik, Pfarrerin in Stuttgart-Weilimdorf,  erledigt die meisten ihrer Dienstfahrten zwar mit dem klassischen Fahrrad - „ich schaffe noch alles ohne E“, meint sie schmunztelnd. Aber für die Zukunft kann sie sich die Nutzung eines Elektrorades durchaus vorstellen. Und weil die Familie einen - zwar erst wenige Jahre alten - Euro 5-Diesel fährt, könnte ein Elektroauto ebenfalls interessant werden.

Florian Römer, Vertriebsleiter bei der Uslarer Firma Bikeleasing, erläutert bei der Kick-of-Veranstaltung die Konditionen für Elektrofahrräder.

Die Frage der Umweltbilanz

Bei einer anschließenden Podiumsdiskussion über Chancen und Grenzen der Elektromobilität erwähnte Professor Dr. Rainer Klein von der Dualen Hochschule Baden-Württemberg „viele Mythen“, wonach E-Autos gar nicht umweltfreundlicher seien als Verbrenner. „Da wird viel zitiert, aber es gibt keine Rechnungen“, betonte er.

Doch selbst mit dem deutschen Strommix erzeuge das E-Auto unterm Strich nur die Hälfte des CO2-Ausstoßes eines Autos mit Verbrennungsmotor. In der Kritik sei unter anderem der Lithiumabbau, etwa in Chile. Hier sei Lithium ein Nebenprodukt der Salzgewinnung - man verdunste Salzwasser und nehme kein Trink- oder Grundwasser in Anspruch.

Elektroautos und Pedelecs für die Kirche in Württemberg
Direktor Stefan Werner.

„E-SUV mit 600 PS geht nicht“

Stefan Werner, Direktor im Oberkirchenrat, erwartet, dass Teilnehmer von „Kirche elektrisiert“ sich mit umweltpolitischen Fragen auseinandersetzen müssen.  „Jeder wird in diese Diskussionen verwickelt werden.“ Und er stellte klar: Bei Elektromobilität gebe es noch einiges an Optimierungspotenzial.

Trotzdem hält er das E-Auto bei den Anforderungen von „Kirche elektrisiert“ für sehr gut geeignet. Denkbar sei, dass eines Tages vielleicht auch ein Elektro-Familienfahrzeug im Rahmen des Projekts angeboten werden kann. Allerdings machte Werner deutlich: „Ein E-SUV mit 600 PS – das geht nicht.“ Landesbischof Dr. h. c. Frank Otffried July lege kurze und mittlere Distanzen derzeit mit einem batteriebetriebenen Kompaktwagen des Typs BMW i3 zurück.

Siegfried Denzel/Wenke Böhm

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