Karlsruhe/Stuttgart. Der württembergische Landesbischof Dr. h. c. Frank Otfried July hat mit Bedauern auf das Urteil des Bundesverfassungsgerichts reagiert, wonach das bisherige Verbot geschäftsmäßiger Sterbehilfe verfassungswidrig ist.
July machte in seiner Reaktion auf das am Mittwochvormittag verkündete Urteil des höchsten deutschen Gerichts deutlich, dass die württembergische Landeskirche sich gemeinsam mit dem Diakonischen Werk schon seit langer Zeit um Patienten in Hospizen und Palliativstationen kümmert. „Wir verstehen Sterbebegleitung als Lebenshilfe.“
Das Urteil aus Karlsruhe sieht der Landesbischof nun als Anlass, „unsere Beratungs- und Betreuungsarbeit zu erweitern und zu vertiefen. Wir wollen Patienten und Angehörige noch besser über die Möglichkeiten der Palliativmedizin informieren".
Das Bundesverfassungsgericht sieht die Entscheidung eines Einzelnen, „seiner eigenen Existenz ein Ende zu setzen", als weder durch Gesetze noch durch die Religion einschränkbar an. Es sei Ausdruck der grundgesetzlich garantierten persönlichen Autonomie, „über das Sterben selbstbestimmt zu entscheiden“.
In seiner Urteilsverkündung betonte Gerichtspräsident Andreas Voßkuhle: „Das allgemeine Persönlichkeitsrecht umfasst ein Recht auf selbstbestimmtes Sterben. Dieses Recht schließt die Freiheit ein, sich das Leben zu nehmen und hierbei auf die freiwillige Hilfe Dritter zurückzugreifen.“ Dies sei „von Staat und Gesellschaft zu respektieren“. Deshalb sei der Paragraph 217 des Strafgesetzbuches - er stellt die sogenannte geschäftsmäßige Förderung der Selbsttötung unter Strafe - in seiner derzeitigen Form verfassungswidrig.
Gleichzeitig stellte das Gericht aber klar, dass der Gesetzgeber die Hilfe zum Suizid durchaus regeln darf. Außerdem bleibt auch nach dem Urteilsspruch aus Karlsruhe die sogenannte aktive Sterbehilfe verboten.
Mehrere Schwerkranke sowie Ärzte und Sterbehilfe-Vereine hatten gegen die bisherige Regelung geklagt: Die einen sahen ihre allgemeinen Persönlichkeitsrechte verletzt, die anderen ihre Berufsfreiheit unzulässig eingeschränkt. Insgesamt lagen dem Gericht sechs Klagen zur Entscheidung vor.
Eine Reaktion auf das Urteil des Bundesverfassungsgerichts kommt auch von der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD). Sie sieht die Gefahr, „dass Suizidbeihilfe zur alltäglichen Selbstverständlichkeit werden könnte und dass sich hierdurch das Wertefundament des Zusammenlebens entscheidend verändert“.
In einer ersten Stellungnahme sieht die EKD letztlich sogar die generell unantastbare Würde jedes Menschen in Frage gestellt. „Die Gefahr besteht, dass das menschliche Leben gerade in seiner verletztlichsten Phase in nicht hinnehmbarer Weise gefährdet wird.“ Auch am Ende des Lebens müssten Menschen die Gewissheit haben, bestmöglichst versorgt zu werden. „Sie dürfen nicht verunsichert werden, um dann aus ökonomischen Gründen vielleicht nicht alle Hilfe in Anspruch zu nehmen, die sie benötigen.“
Gleichzeitig erneuerte die Evangelische Kirche in Deutschland ihre Forderung, die Hospizarbeit und Palliativversorgung zu stärken. Damit solle erreicht werden, „dass Menschen in ihrer letzten Lebensphase so selbstbestimmt und würdevoll wie möglich leben und schließlich auch einfühsam begleitet sterben können“.