Stuttgart. Die württembergische Landessynode hat am Samstag, 23. März, mit einer Zweidrittelmehrheit ein Gesetz beschlossen, das künftig Segnungsgottesdienste für gleichgeschlechtliche Paare ermöglicht. Das Gesetz war im November 2018 von Landesbischof Dr. h. c. Frank Otfried July in die Synode eingebracht worden und zwischen den Synodaltagungen in den synodalen Ausschüssen bearbeitet worden. Bereits am Donnerstag hat sich der Landesbischof in seinem Bischofsbericht für eine europäische Synode ausgesprochen und zur Beteiligung an der Europawahl aufgerufen. Außerdem setzte die Landessynode ein Signal für den Klimaschutz mit einem Beschluss, demzufolge sie ihre Treibhausgasemissionen kompensieren will und beschloss einen ersten Nachtragshaushalt. Die dreitägige Tagung ging am Samstag zu Ende.
In Zukunft ist in der württembergischen Landeskirche die öffentliche gottesdienstliche Segnung von gleichgeschlechtlichen Paaren möglich. 65 Synodale sprachen sich für das Gesetz aus, 23 stimmten dagegen und zwei enthielten sich. Die jetzt beschlossene Regelung ermöglicht zunächst bis zu einem Viertel der rund 1.300 Kirchengemeinden der Landeskirche, Segnungsgottesdienste für gleichgeschlechtliche Paare in ihre örtliche Gottesdienstordnung aufzunehmen. Sollte diese Zahl erreicht sein, befasst sich die Landessynode erneut mit dem Thema. Voraussetzung dafür ist, dass sich Dreiviertel der Pfarrerinnen und Pfarrer einer Kirchengemeinde sowie des Kirchengemeinderates für diese Möglichkeit aussprechen.
Landesbischof Dr. h. c. Frank Otfried July nannte den Beschluss einen wichtigen Schritt für gleichgeschlechtliche Paare, die um den Segen in einem öffentlichen Gottesdienst bitten und zeigte sich erleichtert darüber, dass die Synode das Gesetz mit großer Mehrheit beschlossen hat. „Die Landessynode und damit die gesamte Landeskirche hat ihre Handlungsfähigkeit in einem wichtigen und konfliktreichen Thema gezeigt. Wir haben Einigkeit bewiesen trotz unterschiedlicher Überzeugungen und setzen damit auch ein Zeichen in dieser Gesellschaft.“ Das Gesetz schaffe Rechtssicherheit und fördere innerkirchlichen Frieden, so der Landesbischof.
Synodalpräsidentin Inge Schneider erinnerte an den langen Weg, den die Synode bis zur Verabschiedung des Gesetzes zurückgelegt habe. „Dennoch sind wir diesen Weg miteinander gegangen, als Schwestern und Brüder in Christus, und haben um eine gemeinsame Lösung gerungen, nicht losgelassen.“ In der Präambel des Gesetzes sei festgehalten, dass Christen aufgrund unterschiedlicher Bibelauslegung verschiedene Meinungen haben. Trotz dieser Unterschiede könnten sie zu gemeinsam getragenen Beschlüssen kommen. „Ich finde das auch für unsere Gesellschaft ein gutes, ermutigendes Zeichen. Denn wir sehen, wie es derzeit immer schwerer wird, zwischen Maximalforderungen einen Ausgleich herzustellen, im politischen wie im persönlichen Bereich. Ich möchte das beispielhaft demokratisch nennen.“
Mit der Forderung nach europäischen Synoden und der Kritik am laizistischen Modell im Verhältnis von Staat und Kirche ermutigte der Landesbischof in seinem Bericht, die kirchlichen Netzwerke noch stärker auszubauen und zu nutzen. „Die Stimme derer, die um ein Europa der Werte, des Glaubens und der Nächstenliebe ringen, müssen lauter und vernehmlicher werden“. Synodalversammlungen eigneten sich als Modell, weil Kirchen in ökumenischer Haltung Pluralismusfähigkeit über Jahrzehnte hinweg eingeübt hätten. Die Synode verabschiedete im Anschluss einen Wahlaufruf zur Europawahl am 26. Mai 2019, der gemeinsam mit der badischen Synode bzw. den Diözesanräten der römisch-katholischen Kirchen in Baden-Württemberg herausgegeben werden soll.
Weiter haben die Synodalen den ersten Nachtragshaushalt 2019 mit einem Volumen von 5,4 Millionen Euro verabschiedet. Für die Planung des Neubaus eines Dienstgebäudes für den Oberkirchenrat am Standort Gänsheidestraße sind in diesem Jahr 3,5 Millionen Euro vorgesehen. Weitere 1,5 Millionen Euro werden in das Digitalisierungsprojekt der Landeskirche investiert. „Zahlreiche Startup-Ideen haben zu einer weitgehenden Vorbelegung der bisherigen Mittel geführt. Da weiterhin ständig gute, förderungswürdige Konzepte eingereicht werden, befürwortet der Oberkirchenrat ergänzende Mittel“, so Finanzdezernent Dr. Martin Kastrup. Weitere 300.000 Euro seien für archäologische Grabungen in Denkendorf erforderlich. Dort entsteht eine Altenpflegeeinrichtung im Kloster. Alle weiteren Änderungen im Nachtrag nähmen Budgetrücklagen in Anspruch. Darin seien unter anderem 380.000 Euro für den umfassenden professionellen Umgang mit sexualisierter Gewalt in der Evangelischen Landeskirche in Württemberg veranschlagt.
Am Donnerstagabend wurde die Landessynode über den aktuellen Stand der Planung zum Neubau des Dienstgebäudes des Oberkirchenrats in der Gänseheidestraße informiert. Die bestehenden Gebäude hätten brandschutztechnische Mängel und seien sanierungsbedürftig. Deshalb habe der Oberkirchenrat nach Abwägen von Alternativen, auch alternativer Standorte, sich für einen Neubau entschieden, erklärte Direktor Stephan Werner vor der Synode. Die neuen Gebäude würden den energetischen und ökologischen Gebäudestandard enorm verbessern. Auch ermögliche sie zeitgemäße Bürokonzepte. Die Synode nahm die Pläne sehr positiv auf und beschloss einstimmig, die vorgelegten Planungen zu unterstützen.
In der „Aktuellen Stunde“ zur Bewegung „Fridays for Future“ betonte die Synodale Elke Dangelmaier-Vinçon, dass „die jungen Menschen gegen einen Lebensstil demonstrieren, den wir leben. Wir gehören jetzt an ihre Seite. Wir sollten raus und mit ihnen diskutieren und Ideen entwickeln, um diese Erde zu erhalten.“ In der Debatte kam zur Sprache, welche Impulse aus der Jugendbewegung in die Evangelische Landeskirche in Württemberg aufgenommen werden können. „Das Besondere für die Jugendlichen an der Bewegung ist, dass sie nicht von Erwachsenen organisiert worden ist. Sie merken: ‚Es geht es um uns, wir können hier etwas machen‘“, sagte Tobias Geiger. „Junge Menschen fordern Gestaltungs- und Beteiligungsmöglichkeiten ein. Dies können wir aus der der Bewegung lernen“, so Geiger weiter. Matthias Böhler bekräftigte diesen Gedanken: „Junge Menschen müssen befähigt werden zur Übernahme von Verantwortung und dabei begleitet werden.“ Den Anliegen von Jugendlichen müsse mehr Gehör verschafft werden. „Die Jugendlichen halten uns den Spiegel vor und fordern uns zum Handeln auf“, betonte Eva Glock. Die Landessynode ist sich darin einig, wie wichtig das Engagement der Jugend für die Bewahrung der Schöpfung ist.
Sie selbst hat am Samstag beschlossen, mit einer Kompensationszahlung von jährlichen 3.000 Euro ab 2019 den CO2-Verbrauch der Synode auszugleichen. Der Missionsprojekte-Ausschuss soll hierfür geeignete Emissionsausgleichprojekte finden. Die Ausgleichszahlungen könnten aber nur ein Zeichen dafür sein, dass sich die Synode ihrer Verantwortung gegenüber der Umwelt bewusst sei, so Franziska Stocker-Schwarz, Vorsitzende des Ausschusses für Kirche, Gesellschaft und Öffentlichkeit. Das übergeordnete Ziel sei die weitere Senkung der Emissionen. Das müsse in allen Synodenprojekten berücksichtigt werden, um die Schöpfung zu bewahren.
Ebenso am Samstagvormittag hat die Landessynode den Beitritt der Landeskirche zur Aktion „Rotlicht aus“ beschlossen. Das Aktionsbündnis will Kräfte von verschiedenen Initiativen bündeln, um gegen Prostitution anzukämpfen und setzt sich für ein Sexkaufverbot ein. An diesem Aktionsbündnis könnten sich einzelne Personen als Unterstützer beteiligen, aber auch Einrichtungen und Organisationen.
Voraussichtlich 2021 kann die in Planung befindliche Autobahnkirche „Sindelfinger Wald“ an der A8 eröffnet werden, so Oberkirchenrat Prof. Dr. Ulrich Heckel. Dieser Zeitplan sei zwar ambitioniert, aber „bei wohlwollendem Engagement aller Beteiligten“ möglich. Rund 2,4 Millionen Euro wird das ökumenische Projekt kosten. Die württembergische Landeskirche und die römisch-katholische Diözese Rottenburg-Stuttgart beteiligen sich mit je einer Million Euro, zur Finanzierung sollen auch Spenden in Höhe von einer halben Million Euro beitragen.
Die nächste Tagung der Landessynode findet vom 4. bis 6. Juli im Hospitalhof Stuttgart statt.
Oliver Hoesch
Sprecher der Landeskirche