Wir erzählen viel zu wenig davon, wo der Dialog gelingt, erfreut, weiterbringt, positiv verändert, Gemeinsames schenkt.
Das werde ich auch damit nicht ausgleichen, dass ich hier nun einige Momente festhalte, die für mich in den Beziehungen zu Muslimen und im Gespräch mit ihnen besonders wertvoll sind. Ich versuche dennoch, dem Anliegen ein bisschen Geschmack und Farbe zu geben.
Im Folgenden will ich nicht über ganze Seminare oder Studientage "berichten", aber doch ein paar Eindrücke teilen, die mich persönlich bewegt haben.
Der Württembergische Landessportbund (WLSB) und der Landesarbeitskreis Kirche und Sport haben am 7. Mai 2023 in der Landessportschule Ruit zum ersten Mal gemeinsam ein interreligiöses Sportfest ausgerichtet.
Gut gelaunte Menschen trafen aus dem ganzen Ländle und darüber hinaus ein. Der Anfang wurde mit einem christlichen Gottesdienst gemacht, danach bestritten 8 Mannschaften vom jüdischen Turn- und Sportverband Makkabi Deutschland, von der Evangelischen Landeskirche (ejw und Bezirk Bernhausen), der Islamischen Glaubensgemeinschaft Baden-Württemberg (IGBW), der Gesellschaft für Dialog (GfD) und der Ahmadiyya Muslim Jamaat (AMJ) ein schönes Turnier mit Fußball und Ultimate Frisbee. Familien tummelten sich am Rand der Spielfelder, es gab Leckereien aus verschiedenen Kulturen. Die Teams der Religionsgemeinschaften hatten auch Stände mit eigenem Informationsmaterial aufgebaut.
Der WLSB und die Religionsgemeinschaften setzten mit dem Sportfest ein öffentliches Zeichen für eine weltoffene Gesellschaft, im Mittelpunkt stand die Freude am Zusammenspiel. Fairplay - keine Frage, es brauchte keine Schiedsrichter. „Mit unserem Projekt wollen wir ein Zeichen setzen für ein friedliches Miteinander der Religionen und gegen Hass und Hetze jeder Art“, sagte WLSB-Präsident Andreas Felchle laut Pressemitteilung. Pfarrer Philipp Geißler, Geschäftsführer des Landesarbeitskreis Kirche und Sport, nannte das sportliche Aufeinandertreffen unter der Schirmherrschaft der Kultusministerin Theresa Schopper eine „wunderbare Gelegenheit, das Miteinander in Verschiedenheit zu feiern“.
Es war eine bemerkenswerte Premiere, die auch überregional mediales Interesse weckte. So war auch Sky Sports Deutschland mit der Kamera vor Ort.
Die Stimmung war bestens. Die große Chance eines solchen Treffens liegt neben dem freundschaftlich-sportlichen Kräftemessen darin, mit vielen unterschiedlichen Menschen ins Gespräch zu kommen, denen man sonst kaum oder gar nicht begegnen würde. Es stimmt: Sport kennt keine Grenzen. Was im Alltag politisch oder ideologisch Barrieren aufbauen kann, ist nicht nur nicht Thema, sondern wird in seiner Relativität entlarvt: Jede/r Einzelne hat so viel mehr individuelle Seiten, Interessen, Qualitäten, Erfahrungen, dass wir viel mehr Gemeinsames entdecken können, als wir vielleicht vermutet haben. Das, was neben den Spielen passiert, ist mindestens so wichtig wie das Ergebnis am Ende. So bleibt zu hoffen, dass mit diesem ersten Mal ein Anfang gesetzt ist, der in weiteren Treffen Fortsetzung findet und noch viele begeisterungsfähige Menschen anzieht.
Zum Team des EJW gehörte Gökhan Önol (@gokhanonolfilms), der auch gleich einen einminütigen Film gedreht hat - ein lebendiger Eindruck des Ereignisses!
Jenseitsvorstellungen in Christentum, Islam und Hinduismus
Die Vorstellung, dass wir nach dem Tod völlig ausgelöscht werden, ist eher ein Sonderfall der Religionsgeschichte, auch wenn er im säkularen Umfeld immer häufiger vorkommt. Unsterblichkeit der Seele, leibliche Auferstehung, Geborgenheit in Gottes Gegenwart, Wiedergeburt als Chance oder als Last – welche Jenseitsvorstellungen und -hoffnungen prägen uns? Wie gehen wir mit Sterben und Tod um?
Was bedeutet das für die Gegenwart?
Ich habe gern diskutiert mit Talat Kamran M. A., Leiter des Mannheimer Instituts für Integration und interreligiöse Arbeit, und Dr. Adrian Tavaszi, Bereichsleiter für das Offene Angebot der Mannheimer Abendakademie, selbst Religionswissenschaftler und Hindu, - und natürlich den engagierten christlichen und islamischen Teilnehmenden.
Talat Kamran erläuterte wichtige islamische Gesichtspunkte, im Gespräch öffnete er den Horizont für eine weitergehende sufische (mystische) Sichtweise. Adrian Tavaszi führte in die für die meisten weitgehend fremde Welt hinduistischen Denkens ein. Wie wird der Reinkarnationsglaube verstanden, und was hat er für Auswirkungen im praktischen Leben? Mein Part war die christliche Auferstehungshoffnung mit ein paar geschichtlichen Linien und inhaltlichen Aspekten.
Hören, verstehen wollen, sich in die andere Glaubensperspektive möglichst hineinversetzen, nicht gleich das eigene "Raster" über das Andere legen, nachfragen, ein Bild entstehen lassen, dann natürlich mit Eigenem abgleichen, sich rückversichern, erneut nachhaken. In diesen Bahnen ist wenig festgelegt, vieles offen, alles spannend - ein anregender Dialog.
In dieser Hinsicht war die eher ungewohnte Dreierkonstellation mit dem Hinduismus eine wunderbare Bereicherung.
Für Interessierte haben wir eine Kamera mitlaufen lassen (ohne weitere technische Finessen), sodass die Vorträge hier nachverfolgt werden können.
Können wir die Glaubensunterschiede überwinden?
Mystische Religiosität und religiöser Wahrheitsanspruch
Viele Menschen verbinden mit Mystik Geheimnisvolles, Übernatürliches, aber auch tiefe religiöse Erfahrungen. Angesichts der zunehmenden Vielfalt der religiös-weltanschaulichen Lebenswelten erscheint der Gedanke besonders attraktiv, dass alle Glaubensweisen letztlich aus der gleichen Quelle der einen Wahrheit schöpfen, die den Urgrund aller Religionen bildet. Könnten so nicht Differenz, Widerstreit und Fanatismus überwunden werden?
Zu diesem Themenbereich hatten wir im Frühjahr und Herbst 2022 mehrere Formate unterschiedlicher Art. Eine Veranstaltung wurde mitgeschnitten und ist hier verlinkt. Es handelt sich um ein Podiumsgespräch in der Mannheimer Abendakademie in Zusammenarbeit mit dem Mannheimer Institut für Integration und Interreligiöse Arbeit e.V. und der Evangelischen Landeskirche in Württemberg.
Die Vorträge kommen von Talat Kamran und mir, dem württembergischen Islambeauftragten; die Diskussion moderiert Dr. Adrian Tavaszi, Leiter des Offenen Angebots der Mannheimer Abendakademie.
Aftab Talat R. Kamran M.A. ist in der Türkei geboren und studierte u.a. Politikwissenschaften an der Universität Mannheim. Er lebt seit 40 Jahren in Mannheim, ist deutscher Staatsbürger und bezeichnet sich als Mannheimer. Seit 1996 leitet er das „Mannheimer Institut für Integration und Interreligiöse Arbeit”. Er ist einer der Pioniere der islamischen Seelsorge in Deutschland und engagiert sich für das friedliche Zusammenleben der Völker in Europa. Wichtig ist ihm die Idee von Hazrat Inayat Khan: "Um in der Welt Frieden zu schaffen, sollte man zunächst in sich selber FRIEDEN endecken." Oder wie Mutter Teresa meinte, man sollte sich auf Frieden konzentrieren, anstelle Kriegsgegner zu sein und sich dadurch auf Krieg zu konzentrieren.
Ein besonderer Anstoß zu dem Thema war für mich vor vielen Jahren ein sehr persönliches Gespräch mit dem ägyptischen Literaturwissenschaftler und Reformdenker Nasr Hamid Abu Zaid. Er war den Streit über Dogmen leid, der Missverständnisse, Hass und Glaubenskriege verursache. Die Zukunft des interreligiösen Dialogs liege viel mehr in der Entdeckung der Mystik. Allerdings ist mystische Erfahrung zwar meist nicht primär sprachlich strukturiert, doch kann sie selbst nicht ohne sprachliche Form intersubjektiv kommuniziert werden. Mehr noch, sie kann ohne Bezugnahme auf Sprache und sozial vermittelte religiöse und kulturelle Muster gar nicht zur „Erfahrung“ werden (die im Unterschied zum „Erlebnis“ eine reflexive und kommunikative Dimension hat). Mystische Erfahrungen gibt es nicht „an sich“, sie sind immer sprachlich, kulturell, kontextuell geformt und nur so mitteilbar. Von daher finde ich es unheimlich spannend, dem nachzuspüren, was uns an Sehnsucht und Gotteserfahrung verbindet und wie wir uns dafür öffnen können. Aber genauso spannend, über was wir da reden, wenn es um einen "gemeinsamen Urgrund" geht. Grund christlicher Mystik ist das lebendige Vertrauensverhältnis zu dem Gott, der sich in Christus offenbart hat, dessen Wahrheit unsere Erkenntnismöglichkeit zugleich als der „immer noch Größere“ übersteigt und umfasst. Nicht: „Ich bin Du“ – sondern: „Ich bin Dein“!
Über solche Dimensionen sich "auf einer Wellenlänge" auszutauschen, sich an den Entdeckungen zu freuen und über unterschiedliche Deutungen zu reflektieren - das ist mit Talat Kamran in besonderer Weise möglich, der den universalreligiösen Sufismus Inayat Khans mit faszinierender Weite und zugleich klarer menschlicher Haltung lebt und davon auch in bester Weise schwärmen kann. Da geht es um die Essenz aller Religion. Die persönliche Begegnung mit Talat Kamran und später auch mit Adrian Tavaszi, der promovierter Religionswissenschaftler und selbst Hindu ist, öffnet einen Dialog, der in die Weite führt und inspiriert. Wir haben das Gespräch zum Thema Tod, Sterben, Jenseitsvorstellungen dann zu dritt weitergeführt, siehe den Beitrag hier weiter oben.
Mystische Religiosität und religiöser Wahrheitsanspruch (Abendveranstaltung)
Gottes Gebot, ethischer Impuls oder gesunde Übung?
... und was wir daraus machen
Wenige Wochen vor dem Fastenmonat Ramadan 2023 kamen zwei Dutzend Imame, Religionsbeauftragte, Pfarrerinnen und Pfarrer aus Baden und Württemberg nach Stuttgart zu einem christlich-islamischen Studientag. Der Ramadan gehört zu den fünf Säulen des Islam. Fasten im Christentum hat auch eine lange Tradition, ist aber für die meisten Evangelischen heute eine eher unverbindliche Empfehlung, die als kreative Idee weitergedacht und aktualisiert wird (z. B.: 7 Wochen ohne Verzagtheit...).
Was will/wollte Gott mit dem Gebot des Fastens? Nützt es uns – oder nützt es Gott? Geht es um die konkrete Handlung, oder um eine Haltung; um Metaphern oder um zu befolgende Anweisungen, wenn wir vom „Willen Gottes“ sprechen? Was bedeutet das Einhalten eines Gebots für uns? Wieviel sind uns Gottes Gebote wert?
Bedeutet das Einhalten des Gebots für uns, dass wir „Punkte sammeln“, dass wir etwas für unser Seelenheil tun? Erwarten wir Belohnung?
Oder wollen wir einfach Gott gefallen? Tun wir es einfach, weil Gott es geboten hat, und wir tun es für ihn, egal, welchen „Sinn“ letztlich ein Gebot hat?
Über diese und mehr Fragen kamen wir theologisch und auch sehr persönlich ins Gespräch. In guten Vorträgen von islamischer wie von christlicher Seite, Textarbeit und Diskussion kamen historische und gesellschaftliche Zusammenhänge, aber auch theologische Grundfragen und praktische Erfahrungen zur Sprache.
Dass Fasten eine Läuterung des Körpers und der Seele sei, war allen wichtig. Der Mensch widersteht dem Ego, negativen Emotionen und der Gier, er zeigt seine Dankbarkeit dem Schöpfer gegenüber für seinen unendlichen Segen. Für Muslime stehen Humanität und Hilfsbereitschaft im Vordergrund, sie nennen auch positive Effekte aus medizinischer Sicht. Fasten ist gar nicht so nach innen gekehrt, sondern das Innere und das Äußere gehören zusammen, das Geistig-Geistliche und das Weltliche, der Einzelne und die Gemeinschaft. Christlich ist Fasten stark mit persönlicher Umkehr verbunden, mit spiritueller und körperlicher Vorbereitung. Wohl doch eher Rückzug und Einkehr. Die Idee des Trauerfastens machte Eindruck.
Es gab einige dichte Momente. Mich hat besonders angesprochen, dass wir gemeinsam darum gerungen haben und einig waren: Die Dinge, die wir tun, tun wir nicht für andere und nicht zur bloßen Erfüllung einer Norm, sondern aus innerer Überzeugung und der Kraft Gottes. Insofern wird die Erfüllung des Gebots von Gott "geschenkt". Ja, es ist Gottes Hilfe notwendig, um seinen Willen zu tun. Die Muslime bekräftigten: Wenn ich auf mein Tun verweise und mich in irgendeiner Weise "gut fühle" für das, was ich "leiste", wenn ich es womöglich anderen vorzeige, dann ist es schon "Riya'" (Heuchelei, Augendienerei) und damit kein echter Gottesdienst. Hier ging es um etwas Zentrales, das uns allen wichtig war. Es gab wichtige Anstöße zum Weiterdenken.
Das passte auch zur Passionszeit, die gerade dieses „Wegsehen von sich selbst“ vor Augen stellen soll, aus dem dann Frucht erwachsen kann. ("Wenn das Weizenkorn nicht in die Erde fällt und erstirbt, bleibt es allein; wenn es aber erstirbt, bringt es viel Frucht", Joh 12,24 - hat das nicht auch mit Fasten zu tun?)
Jetzt schmücke ich mich mit fremden Federn. Denn hier geht es um Dialogerfahrungen, an denen ich nur mittelbar Anteil habe. Aber das fand ich schon so stark, dass ich es hier nicht unerwähnt lassen will.
Seit 2015 gibt es FreeStyle – die Sommerfreizeit, die junge Menschen, vorwiegend Geflüchtete, aus unterschiedlichen Ländern zusammenbringt. Der Name ist Programm: Jede und jeder ist frei, sich in seinem/ihrem Stil (Religion, Prägung, Glaubensüberzeugung ...) einzubringen. Über Religion reden ist möglich und normal, aber kein Muss. Unterschiede werden zugelassen und respektiert. Inhaltliche Zugänge werden über Lebensfragen ermöglicht. Da wird es auch sehr persönlich.
Die Nachfrage ist groß. Daher entwickelte sich daraus das interkulturelle Trainee-Programm Born for More, in dem junge Geflüchtete nicht nur die Zielgruppe bei Angeboten der evangelischen Jugendarbeit sein sollen, sondern geschult werden, um ehrenamtlich Freizeiten oder Gruppenstunden mitzugestalten. Hier sollen sie ihre Stärken und ihre Interessen entdecken und fähig werden, sich ehrenamtlich zu engagieren - beispielsweise bei Freizeiten oder Gruppenstunden. Es ist ein geschützter Rahmen, um respektvollen Umgang mit Angehörigen anderer Religionen zu lernen. Das Programm ist erfolgreich und erhält überregionale Aufmerksamkeit. Der Ansatz ist dialogisch, offen für unterschiedliche Glaubensüberzeugungen, die in einem gemeinsam gestalteten Miteinander zeugnishaft ins Gespräch gebracht werden.
Yasin Adigüzel, der Landesreferent für interkulturelle Öffnung beim Evangelischen Jugendwerk in Württemberg (EJW) und Initiator der Arbeit, hat uns bei der Konferenz der Islambeauftragten in den Kirchenbezirken ("KIK") davon berichtet. Was mich besonders fasziniert, ist, dass es hier offenbar gelingt, ein neues Kapitel in den interreligiösen Beziehungen aufzuschlagen:
Gegenseitige Wertschätzung über die gewohnten Grenzen hinweg einzuüben, ohne es mit Beliebigkeit zu verwechseln – und das nicht nur über die Grenzen unserer notorischen "Lager" von "Frommen" und "Liberalen", sondern über Religionsgrenzen hinweg. Verschiedene Prägungen zulassen, Glaubensüberzeugungen Raum geben, über Themen ins Gespräch kommen und gemeinsam Programme gestalten. Angebote machen. Nicht den eigenen Stil für den einzig möglichen halten. Bestimmtes Verhalten und geprägte stilistische Elemente werden häufig (jedenfalls immer noch zu oft) als Ausweis der Zugehörigkeit zu dem einen oder anderen "Lager" interpretiert, anstatt dass wir gemeinsam einen „Stil des Miteinanders“ entwickeln und pflegen.
Da gibt es viel auszuprobieren, sicher auch im Prozess zu klären. Aber das "Framing" und die „zu glaubenden Inhalte“ nicht einfach vorzugeben, sondern sozusagen miteinander im Leben herauszufinden und mit dem eigenen Engagement zu füllen, das hat mich sehr angesprochen.
Ich frage mich, wie wir die Erfahrungen mit interkultureller Öffnung auch in die Gemeinden einbringen können. Yasin Adigüzel hat "Migrationsbeauftragte“ in den Bezirken der Landeskirche, die für die Themen ansprechbar sind. Da gibt es schon Engagement und Erfahrung, hier könnte man auf jeden Fall anknüpfen.
Das dreiteilige Dialogseminar im Frühjahr 2022 war außergewöhnlich. Nicht nur, dass es "nach Corona" so ziemlich das erste größere Zusammentreffen dieser Art war. Um Tische sitzen, einander in die Gesichter sehen, auch mal was nebenher reden können, wir hatten es vermisst! Die Zahl derer, die kamen, übertraf auch die Erwartungen, sodass der Raum erst einmal zu klein war. Zudem waren es etwa zwei Drittel Muslime, ein Drittel Nichtmuslime - sonst ist es ja eher umgekehrt. Bei den weiteren Treffen änderte sich die Zusammensetzung, aber lebhaft und intensiv war es jedes Mal.
Wer über den Titel staunt, wird erst richtig staunen, wenn er wahrnimmt, wie viele Jesusworte und Jesusüberlieferungen im Islam bekannt sind. Jesus ist nicht nur im Koran der herausragende Prophet gleich nach und neben Muhammad, es werden in der islamischen Tradition Worte und Begebenheiten in großer Zahl von Jesus erzählt, teils in Anlehnung an die Evangelien, insbesondere an die Bergpredigt. Dr. Patrick Brooks, der muslimische Partner in der Leitung des Seminars, hat darüber promoviert und ein dickes Buch geschrieben, s. u. Von seiner außergewöhnlichen Expertise in christlich-theologischen Fragen haben wir enorm profitiert.
Besonders schön fand ich eine Runde ziemlich am Anfang zu der Frage: "Wer (oder: was) ist Jesus für mich persönlich?" Da kamen wunderbare Bilder, Erinnerungen aus der Kindheit, Zeugnisse des Glaubens. Jesus sei Wundertäter, Freund, Weg zu Gott, Mystiker und Asket, entscheidend sei die innige Verbindung zu ihm. Ein muslimischer Teilnehmer empfand Jesus als "Gegengewicht" - für ihn stehe Muhammad eher für Strenge und Klarheit, Jesus viel mehr für Nachsicht und Barmherzigkeit. Bewegende persönliche Worte über die Beziehung zu Jesus von Musliminnen und Christen!
Die Frage, ob die biblische agape ("Liebe") vor allem Gerechtigkeitsliebe und das Festhalten an den Geboten meine und so mit dem koranischen ihsan ("Gutes tun") zu vergleichen sei, sodass man von der "Feindesliebe" sowohl in der Bibel als auch im Koran sprechen könne, mussten wir offen lassen :-). Es muss schließlich noch Stoff für weitere Seminare geben ...
Information zum Buch von Patrick Brooks:
Die Lehren Jesu im arabisch-islamischen Schrifttum. Eine Untersuchung ausgewählter Überlieferungen zur Bergpredigt sowie weiterer ethisch-asketischer Jesusworte, Berlin: EB-Verlag 2019, 725 S.
Es lohnt sich, den Film (s. u.) nicht nur als Dokumentation der gemeinsamen Reise von Imamen und Religionsbeauftragten, Pfarrerinnen und Pfarrern aus Baden und Württemberg zu sehen, sondern aktiv als Medium im christlich-islamischen Dialog einzusetzen.
Gesprächskreis, Abendveranstaltung, Dialogtreff, Frauencafé - es bieten sich viele Möglichkeiten an, um den Kurzfilm gemeinsam anzuschauen und über die Eindrücke zu sprechen. Der Film stellt Fragen, gibt auch Antworten, vor allem bietet er Einblicke in praktische Erfahrungen des Dialogs. Teilnehmerinnen und Teilnehmer formulieren ihre persönlichen Fragen und Erkenntnisse, was wiederum die eigene Reflexion anstoßen kann.
Ein Dokumentarfilm von Stefan Adam und Silke Stürmer (2022, 19 min)
Wer sich zuerst meldet, kann eine der (wenigen) noch vorhandenen DVDs des Films bekommen!