05.10.2012

"Menschen bedürfen der Bilder"

Erster Kunstpreis der Evangelischen Landeskirche verliehen

Bad Urach. Am Samstag, 6. Oktober, ist in der Amanduskirche in Bad Urach der unter dem Motto "Bilder? Bilder!" stehende Erste Kunstpreis der Evangelischen Landeskirche in Württemberg verliehen worden. Dabei ging im Rahmen eines Empfangs von Landesbischof Dr. h. c. Frank Otfried July der mit 10.000 Euro dotierte Hauptpreis an den Stuttgarter Künstler Thomas Putze. Den Förderpreis in Höhe von 3.000 Euro erhielt die Hamburger Künstlerin Isabell Kamp.

In seiner Rede anlässlich der Preisverleihung verwies Landesbischof July auf das nicht immer spannungsfreie Verhältnis von Protestantismus und bildender Kunst. Angesichts der reformatorischen Prinzipien "allein durch Gnade" und "allein durch Glaube" könnten Bilder oder generell die Kunst nie selbst zum Heilsmittel werden. "Aber dass wir als Menschen der Bilder bedürfen und an ihnen in unserem inneren Empfinden und unseren Vorstellungen gar nicht vorbeikommen, das gehört ebenfalls zu einer wichtigen Erkenntnis Martin Luthers." Deshalb müsse sich die Kirche gerade in einer Zeit, in der sich die Kunst von ihrer Dienstbarkeit für die Kirche emanzipiert habe, ihrer Rolle als Kulturträgerin vergewissern. "Oder", so fragte July, "verweisen wir die Notwendigkeit, Position zu beziehen, wieder als angeblich unwichtig in einen Gegensatz zum ‚Eigentlichen’, das wir als Kirche zu vertreten haben?" Zum Kunstpreis selber meinte der Landesbischof, die vielen Einreichungen zeugten von der Bereitschaft der Kunst, sich in die existenzielle Auseinandersetzung um die Deutung der Welt und des Menschseins einzubringen. Dabei würden die Kunstschaffenden die Andersartigkeit und Besonderheit des Raums von Kirche genau begreifen, vielleicht auch Unsicherheit verspüren, sich in diesen Bezug hineinzubegeben. "Aber dass solche Berührungsängste sich auch abgebaut haben, zeigt die große Resonanz. Wir möchten als Kirche diesem Interesse und diesem Gesprächsangebot offen und mit Wertschätzung begegnen."

Die Reihe der Grußworte eröffnete Ministerialdirektorin Dr. Simone Schwanitz. Für die Vertreterin des Ministeriums für Wissenschaft, Forschung und Kunst Baden-Württemberg ist der Evangelischen Landeskirche mit der Ausschreibung des Kunstpreises "ein fantastischer Erfolg" gelungen. Dass Kirche und Kunst hier eine enge Verbindung eingingen, finde ihre volle Unterstützung. Denn "nicht weniger als der Glaube ist auch die Kunst transzendent, reicht hinüber in die Sphäre des Unergründbaren. Die ausgewählten Werke zeigen, dass die künstlerische Tradition lebendig ist und bildnerische Darstellungen Zeichen setzen, den Glauben bezeugen oder gar wecken können."

Gefördert wurde der Erste Kunstpreis der Landeskirche unter anderem von der Privatbank Sal. Oppenheim, "für die", so der Leiter der Stuttgarter Niederlassung Gerd Bergner, "die Auseinandersetzung mit Kunst und Kultur ein fester Bestandteil der Unternehmenskultur" ist. Außerdem fokussiere sich die eigene Kunstsammlung auf zeitgenössische und moderne Werke. "Ein Preis für junge Künstler ist daher ein naheliegendes Engagement."

Auch die Wüstenrot Stiftung hat den Kunstpreis finanziell unterstützt, und das aus zwei Gründen, wie Hans-Ulrich Schulz, Mitglied des Vorstands, sagte: "Wir haben es einerseits als hervorragende Idee empfunden, dass die Kirche mit diesem Preis noch stärker auch ihr kulturelles Engagement hervorhebt und damit Zeichen in der Gesellschaft setzt." Andererseits mache die Kirche durch diesen Wettbewerb klar, dass sie sich offen und vorbehaltlos der Begegnung und dem Dialog von Kunst und Kirche stelle.

Eine namhafte Jury hatte unter mehr als 1.000 Einreichungen die beiden jetzt ausgezeichneten Werke ausgewählt. Dabei ist das mit dem Hauptpreis bedachte Werk "Durchzügler" von Thomas Putze (geb. 1968) eine Performance, in der sich der Künstler während eines Gottesdiensts von Musik begleitet durch das Kirchenschiff hangelt und damit, wie er es formuliert, "meinem Empfinden von Glauben eine Form geben möchte, die dem Kirchenraum einerseits widerspricht, andererseits gerade von ihm als Bild geschärft und wirksam gemacht wird". Die für den Förderpreis ausgewählte Installation "Nur gute Lügen dürfen bleiben" von Isabell Kamp (geb. 1980) soll nach dem Willen der Künstlerin "ein eigenes System zur Darstellung von zwischenmenschlicher Kommunikation" abbilden und versteht sich "eingebettet in die Reihe menschlicher Fragerei und als weitere Facette zum überdimensionalen Thema des Lebens an sich." Die beiden preisgekrönten Einreichungen sowie weitere hervorgehobene Arbeiten sind in der Amanduskirche ausgestellt und bis zum 27. Oktober täglich von 14.00 bis 17.00 Uhr sowie sonntags nach dem Gottesdienst zu besichtigen.

Eingebettet war der Empfang des Landesbischofs samt Preisverleihung in eine Jubiläumsveranstaltung "475 Jahre Uracher Götzentag". Mit ihr sollte an ein zu Beginn der Reformation nach Urach eingeladenes Symposium erinnert werden, bei dem es um die heißumstrittene Frage ging, ob es in der protestantischen Kirche Bilder geben darf oder nicht.

Oliver Hoesch
Sprecher der Landeskirche

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