| Gesellschaft

Damit die Frommen noch frömmer werden

Das größte christliche Gästezentrums Deutschlands

Die Frommen sollten noch frömmer werden: Der Schönblick hat als "Rüstzentrum" für theologisch konservativ denkende württembergische Pietisten begonnen - sorgsam abgeschirmt vom Weltgetriebe. Heute sieht er sich noch immer als eine geistliche Oase. Sein Angebot ist aber breitgefächert und steht für ein bewusstes Wirken hinein in die Gesellschaft. Am 1. Mai feiert er sein 100-jähriges Bestehen.

Matthias Wassermann

Aus kleinen Anfängen ist der oberhalb von Schwäbisch Gmünd gelegene "Schönblick" zum größten christlichen Gästezentrum in Deutschland geworden. Neben dem ganz normalen Gästebetrieb mit derzeit rund 65.000 Übernachtungen im Jahr und etwa der gleichen Anzahl an Tagesgästen bietet er Raum zu auch internationalen Kongressen und Tagungen, zunehmend auch für nicht-kirchliche Veranstalter. Auch sind regelmäßig Musik- und Kulturtagungen im Angebot.

Geplant wurde der "Schönblick" in den bewegten Jahren vor dem Ersten Weltkrieg. Frühindustrialisierung, Verstädterung, neue Entdeckungen und Erfindungen zerbrachen damals das überkommene Weltbild. In dieser Situation suchten führende Männer der württembergischen pietistischen Gemeinschaftsbewegung nach einer "Oase im Weltgebrause", einem Ort der Ruhe, des Auftankens und der Besinnung. In einem geistlichen Rüstzentrum in landschaftlich schöner Lage sollten die Gäste Abstand vom Alltag gewinnen, sich erholen können, nachdenken und sich aus der Bibel für anstehende Herausforderungen stärken lassen.

Für das Rüstzentrum fand man auf der Höhe über der ehemaligen Reichsstadt Gmünd den geeigneten Platz. Der Kaufvertrag war am 1. August 1914 eben unterschrieben, als die allgemeine Mobilmachung und damit der Ausbruch des Ersten Weltkrieges proklamiert wurde. Trotz Kriegsbeginn begann man mutig mit den Bauarbeiten. Am 21. August 1915 wurde Richtfest gefeiert, am 2. Juli 1916 öffnete der "Schönblick" seine Türen. Der Neubau kostete rund 540.000 Mark, gegenüber ursprünglich geplanten 250.000. Das Geld wurde aufgebracht durch Sparguthaben des Altpietistischen Gemeinschaftsverbands, heute "Die Apis", durch Anteilscheine, Spenden und viel ehrenamtliche Mitarbeit.

Der Schönblick im Jahre 1953.Schönblick

In seinen ersten Jahrzehnten war der "Schönblick" fast immer in seinem Bestand bedroht. Krieg, Not und Elend prägten die Gesellschaft. Die Inflation beraubte ungezählte Menschen ihrer Ersparnisse. Das alles wirkte sich auch auf den "Schönblick" aus: Man erwog, ihn vorübergehend wieder zu schließen. Neue Schwierigkeiten gab es in der Nazizeit. Zunächst gelang es zwar, die ohnehin mehr im Stillen geleistete Arbeit ohne größere Behinderungen fortsetzen. Im Zweiten Weltkrieg wurde der "Schönblick" aber mehrfach als Reservelazarett beschlagnahmt. 1941 musste er endgültig abgegeben werden und war nun Kurheim für Lungenkranke. Erst 1952 wurde er wieder zurückgegeben.

Ende der 1970er Jahre wurde der entstandene Investitionsstau Zug um Zug abgetragen. Darauf folgte dann ab dem Jahrtausendbeginn der Neubau des "Forums". Neben dem Gästezentrum entstanden im Neubau mehr als 20 variable Seminar- und Tagungsräume und ein großer, mit modernster Tagungs- und Konferenztechnik ausgestatteter Saal mit mehr als 1.000 Plätzen.

Der Schönblick heute.Bianca Buhl

Heute präsentiert sich der "Schönblick" als größtes christliches Gästezentrum Deutschlands. Vor hundert Jahren hatte er 100 Betten. Inzwischen gibt es 450 und es wird weiter aufgestockt. Die Qualität von Beherbergung und Verpflegung braucht den Vergleich mit einem Vier-Sterne-Hotel nicht zu scheuen. Eigene Obstanlagen und ein großer Garten liefern Erträge für eine frische Küche.

Verändert hat sich auch das Schönblick-Programm. Es bietet nicht nur Besinnung für eher Fromme, sondern Möglichkeiten für alle, die einfach mal innehalten möchten, Raum, Zeit und Gelegenheit suchen, über Gott und über das eigene Leben nachzudenken. Dazu kommen besondere Angebote etwa für Frauen, junge Familien, Senioren, Paare in Beziehungskrisen, Trauernde und Musikliebhaber, aber auch für bestimmte Berufsgruppen oder Wanderfreunde. 

Der "Schönblick" heute will die Inhalte der christlichen Botschaft zeitgemäß vermitteln. Es ist auch Heimat einer "Christlichen Gemeinde-Musikschule" und der seit 2002 bestehenden und rasch wachsenden "Evangelischen Gemeinde Schönblick". Die Entwicklung zeigt auch, dass der württembergische Pietismus seine zeitweise Abkehr von "der Welt" aufgegeben hat und wieder bewusst in Zeit und Gesellschaft hineinwirken will.

Quelle: Evangelischer Pressedienst (epd)

Mehr News

  • Datum: 29.06.2024

    Sommertagung der Landessynode beendet

    Am Abend des 29. Juni ist die Sommertagung der Landessynode zu Ende gegangen. Am Samstag standen die Schöpfungsleitlinien, das Missionsverständnis sowie landeskirchliche Finanzen auf der Tagesordnung.

    Mehr erfahren
  • Datum: 29.06.2024

    Das Vaterunser in den Landessprachen zur EM

    Als Gastgeberland heißen wir die Fans bei uns herzlich willkommen. Und was verbindet neben der Leidenschaft für den Fußball mehr als ein gemeinsames Gebet? Dafür haben wir das Vaterunser in den jeweiligen Landessprachen der Mannschaften im Achtelfinale zusammengestellt.

    Mehr erfahren
  • Datum: 29.06.2024

    TV-Tipp: Geiz bei Lebensmitteln? Bauern unter Druck

    Regionale Lebensmittel, am besten noch in Bio-Qualität? Gerne, aber sie dürfen nicht viel kosten. So denken viele Konsumenten in Deutschland. Ein Problem für die landwirtschaftlichen Erzeuger. Darüber spricht Alpha & Omega“-Moderatorin Heidrun Lieb mit ihren Gästen.

    Mehr erfahren
  • Datum: 28.06.2024

    Kein Platz für menschenverachtende Haltungen

    Landesbischof Gohl sprach am Freitag vor der Synode in seinem Bischofsbericht über die tiefgreifenden Veränderungen und Herausforderungen in Kirche und Gesellschaft. Die Synodalen debattierten in der Aktuellen Stunde über Vielfalt in Kirche, Fußball und Gesellschaft.

    Mehr erfahren
  • Datum: 28.06.2024

    Landesbischof: „Kirche im Umbau“

    Landesbischof Gohl sprach vor der Synode über Veränderungen und Herausforderungen in Kirche und Gesellschaft. Weitere Themen: Der Ukraine-Krieg, die ForuM-Studie, der Nahost-Konflikt, das Anwachsen der politischen Rechten und die Diskussion über die Reform des §218.

    Mehr erfahren
  • Datum: 28.06.2024

    Sommertagung der Landessynode

    Am 28. und 29. Juni tagt die Landessynode zu Themen wie Mission, Schöpfung, Haushalt und Verwaltungsreform. Landesbischof Gohl gibt einen ausführlichen Bericht. Hier finden Sie den Livestream, viele Berichte und alle Dokumente zur Tagung.

    Mehr erfahren
  • Datum: 28.06.2024

    Video: Nachdenken über Gottesbegegnung

    Wie begegnet man Gott? Geht das überhaupt? Muss man dafür besonders fromm sein? Darüber denkt in diesem Video Mario Steinheil nach, Kirchengemeinderat in Eltingen und Mitarbeiter der landeskirchlichen Pressestelle.

    Mehr erfahren
  • Datum: 27.06.2024

    Herzensanliegen: Sprachfähigkeit im Glauben

    Wie kann ich lernen und üben, über meine „Herzensanliegen“ zu sprechen? Im Trainingsprogramm Herzensanliegen werden unterschiedliche Lernmodule angeboten, um im Glauben sprachfähig zu werden.

    Mehr erfahren
  • Datum: 27.06.2024

    Erster Tag der Assistenz der Gemeindeleitung

    2022 wurde das neue Berufsbild Assistenz der Gemeindeleitung in der Landeskirche offiziell eingeführt. Der erste Tag der AGL diente der Fortbildung und Vernetzung untereinander. Es wurden Workshops und eine Info-Meile mit Fortbildungsmöglichkeiten angeboten.

    Mehr erfahren
  • Datum: 26.06.2024

    Freiwilligendienst in der KesselKirche

    Seraphine W. und Zoé W. leisten ihren Freiwilligendienst in der Stuttgarter KesselKirche, einer jungen landeskirchlichen Gemeinde. Miriam Hechler, Pfarrerin für Innovation und Neue Aufbrüche in der Landeskirche, hat mit ihnen über ihre Erfahrungen gesprochen.

    Mehr erfahren
  • Datum: 26.06.2024

    Erzähl mir vom Frieden

    Anlässlich der 44. Ökumenischen Friedensdekade werden alltägliche Geschichten vom Frieden gesammelt. Dazu sind Online-Veröffentlichungen, eine Sammlung und musikalische Lesungen in Planung.

    Mehr erfahren
  • Datum: 25.06.2024

    Fußballfans mit christlicher Botschaft

    Die Mitglieder des OFC Königskinder verbinden ihre Leidenschaft für den VFB mit der Freude am Glauben. Wir haben den Vorsitzenden Pfarrer Thimotheus Rölle gefragt, wie er auf die Idee kam, einen christlichen Fanclub zu gründen und wie er Fußball-Gottesdienste feiert.

    Mehr erfahren
Mehr laden