Im Evangelischen Waldheim beim Esslinger Jägerhaus finden rund 90 Flüchtlinge zeitweise ein neues Zuhause. Die Evangelische Gesamtkirchengemeinde hat Teile des Gebäudes und Geländes an den Landkreis Esslingen als temporäre Erstunterkunft vermietet. Die beiden je dreiwöchigen Waldheimfreizeiten für Kinder sind dadurch nicht gefährdet. Sie finden im gleichen Umfang und in gleicher Qualität wie gewohnt statt.
„Verfolgten einen Schutzraum zu bieten, ist uns als Christen schon in der Bibel vorgegeben. Deshalb ist das Engagement für Flüchtlinge zutiefst in unserem Glauben verankert“, betont Dekan Bernd Weißenborn, der sich zudem über das ehrenamtliche Engagement vieler Menschen aus den Kirchengemeinden freut. Da das Waldheim nach dem Auszug des Neo-Hotels seit Mitte Januar leer stehe, sei es keine Frage gewesen, bei der Unterbringung von Flüchtlingen zu helfen. „Wir sind dankbar dafür, dass wir uns so ein weiteres Mal engagieren können“, so der Dekan. Die Gesamtkirchengemeinde wolle mit der Vermietung der Räume ein Signal der Solidarität gegenüber den Flüchtlingen aber auch gegenüber dem Landkreis setzen und auf die Not an Unterbringungsmöglichkeiten reagieren. Zudem trage die Vermietung auch dazu bei, dass das Waldheim unterhalten und damit die Waldheim-Freizeiten mit ihrer langen Tradition erhalten werden könnten.
Katharina Kiewel, die Sozialdezernentin des Landkreises, ist der Evangelischen Gesamtkirchengemeinde dankbar, dass sie das Waldheim zur Verfügung stellt. „Es ist ein guter Ort, um hier anzukommen“, lobt sie die schönen Räume und die freundliche Atmosphäre. Derzeit verfüge der Landkreis über rund 5500 Plätze an 100 Standorten. Die Prognose sei, dass bis Ende des Jahres 10 000 Plätze benötigt werden.
Für die Notunterkunft stehen die rund 40 Hotelzimmer des Waldheims, in denen je nach Größe zwei bis vier Flüchtlinge untergebracht sind, Sanitär- und Gemeinschaftsbereiche sowie die Speise- und Veranstaltungssäle im Hauptgebäude zur Verfügung. Auch Hütten auf dem Gelände könnten etwa für ehrenamtliche Aktivitäten genutzt werden, so Florian Hartmann, der Leiter der Bauabteilung der Gesamtkirchengemeinde. Wände und Böden der Speisesäle wurden wie bei den Freizeiten mit Spanplatten verkleidet, um sie möglichst vor Schäden zu schützen. Knapp 40 Männer aus Syrien, Irak, Afghanistan und Iran sind bereits eingezogen.
Die medizinische und soziale Betreuung wie auch die Verpflegung übernehmen die Malteser in enger Kooperation mit der Arbeiterwohlfahrt. Klaus Weber, Landesgeschäftsführer der Malteser, ist ganz begeistert von der Unterkunft: „Da hat uns die Kirche eine Perle zur Verfügung gestellt.“ Um Konflikte zu vermeiden, werde man die Zimmer möglichst mit Menschen der gleichen Nationalität und Religion belegen, so Weber. Bei der medizinischen Betreuung werde man auch einen syrischen Arzt einbinden, der die Landessprachen spreche. In der sozialen Betreuung möchte er gerne eng mit den Ehrenamtlichen zusammenarbeiten, die sich derzeit im Esslinger Stadtteil Hegensberg-Liebersbronn zusammenfinden. Dort habe man schon viele Ideen, sagt Volkart Diehl vom Willkommensteam und nennt Fahrradwerkstatt, Kleiderkammer, Sportangebote, Sprachkurse und Alltagsbegleitung. Das Gründungstreffen findet am 2. März um 19.30 Uhr in der Grundschule Hegensberg statt.
Die Pächterwohnung, die über einen separaten Eingang verfügt, hat die Gesamtkirchengemeinde an einen anerkannten Flüchtling aus Syrien vermietet, dessen Familie in Kürze nachkommen wird. Er war in seiner Heimat Sozialarbeiter und spricht mehrere Sprachen. Auf der Basis einer geringfügigen Beschäftigung bei der Gesamtkirchengemeinde wird er im Waldheim als Ansprechpartner fungieren. Damit wolle die Kirche die Begleitung der Neuankömmlinge unterstützten, so Kirchenpfleger Eberhard Bantel.
Das Mietverhältnis mit dem Landkreis endet am 30. Juni. Die letzten Asylbewerber werden in der ersten Juli-Woche ausziehen. So bleibt genug Zeit für eventuelle Reparaturarbeiten und die Vorbereitung der Kinderfreizeiten, die Ende Juli beginnen.
Sollte das Waldheim auch künftig als Flüchtlingsunterkunft benötigt werden, wäre die Gesamtkirchengemeinde dazu bereit. Bedingung jeder Vermietung sei aber, dass der Zeitraum der Freizeiten ausgespart bleibe, damit diese ungehindert und im vollen Umfang stattfinden könnten, so Weißenborn.
Ulrike Rapp-Hirrlinger