Kirchheim/Teck. Die Diakonie Württemberg zeigt sich entsetzt: Frühmorgens um 5.45 Uhr ist in dieser Woche ein 14-jähriges Mädchen von der Polizei zur Abschiebung abgeholt worden - aus einer Wohngruppe der Diakonie-Stiftung Tragwerk in Kirchheim/Teck. Damit werde das Kindeswohl gefährdet, kritisiert die Diakonie. Das Regierungspräsidium Karlsruhe verteidigt die Vorgehensweise.
Wer kann, dreht sich um diese Uhrzeit noch einmal schlaftrunken im Bett um. Doch für ein 14-jähriges Mädchen aus Serbien war am Montag um 5.45 Uhr nicht nur die Nacht vorbei: Polizeibeamte holten sie aus ihrer Wohngruppe in der Diakonie-Stiftung Tragwerk in Kirchheim/Teck heraus und brachten sie zum Flughafen zur Abschiebung.
Für Matthias Rauling, Leiter der Abteilung Kinder, Jugend und Familie im Diakonischen Werk Württemberg, ist vor allem die Art und Weise des behördlichen Vorgehens ein Unding: „Ein solches Eindringen am frühen Morgen widerspricht dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz und ist durch nichts zu rechtfertigen", empörte er sich am Freitag, 2. August.
Außerdem: „Abschiebemaßnahmen in Einrichtungen der Kinder- und Jugendhilfe verbieten sich von vornherein." Schließlich seien „besonders Wohngruppen für junge Menschen wichtige Schutzräume für verletzte Seelen".
Nach Diakonie-Angaben lebte die 14-Jährige seit mehr als einem Jahr in der Wohngruppe. Sie habe sich gut integriert und in kurzer Zeit sogar Realschul-Niveau erreicht. Nun aber, befürchtet Jürgen Knodel, Vorstandsvorsitzender der Stiftung Tragwerk, drohe eine „Retraumatisierung“ des Mädchens. Auch die anderen Jugendlichen ihrer bisherigen Wohngruppe seien schockiert.
Ein weiterer Kritikpunkt Knodels: Das für die 14-Jährige zuständige Jugendamt sei von der Abschiebung im Vorfeld nicht informiert gewesen. Bei der Kreisverwaltung Esslingen ist man in der Tat „sehr unglücklich“ über den Fall, wie es hinter vorgehaltener Hand auf Nachfrage von elk-wue.de hieß. Allerdings: Zuständig für die Abschiebung war nicht das Landratsamt, sondern das Regierungspräsidium Karlsruhe.
Dort machte Sprecherin Irene Feilhauer gegenüber elk-wue.de klar, dass sowohl das Mädchen als auch ihre Mutter „vollziehbar ausreisepflichtig“ gewesen seien; beide seien deshalb auch gemeinsam abgeschoben worden.
Die von der Diakonie betonte gute Integration des Mädchens und ihre Schulleistungen haben nach ihren Worten keine Rolle gespielt: Die junge Serbin sei „nicht im Besitz eines Aufenthaltstitels“ gewesen.
Auch den Einwand der Diakonie wegen der Polizeiaktion im Morgengrauen lässt das Regierungspräsidium nicht gelten: Es bestehen nach Worten der Sprecherin „Rahmenbedingungen, auf die die Landesbehörden keinen Einflus haben, wie beispielsweise Flugzeiten".
Unterdessen appelliert die Diakonie an die Politik in Baden-Württemberg, Wiederholungen des „Falls Kirchheim" zu verhindern und „geeignete Wege zu finden, die das Kindeswohl aller Jugendlichen in Einrichtungen nicht gefährden", wie es Abteilungsleiter Matthias Reuting formulierte.
Stiftungschef Knodel berichtete zudem von einem zwischenzeitlichen, flehentlichen Anruf der abgeschobenen 14-Jährigen bei ihren bisherigen Betreuerinnen: Sie wolle unbedingt zurückkehren.
Doch der Weg nach Deutschland scheint dem Mädchen versperrt. „Für eine Rückkehr nach Deutschland müssten die Voraussetzungen für einen rechtmäßigen Aufenthalt mit einem Aufenthaltstitel vorlegen“, verwies die Sprecherin des Regierungspräsidiums auf die rechtlichen Hürden.
Damit hat die Wohngruppe in Kirchheim/Teck wohl auf Dauer eine Klientin weniger. Und den Betreuerinnen bleibt nichts anderes übrig, als das Geschehene mit ihren verbliebenen Schützlingen aufzuarbeiten; das kündigte Jürgen Knodel an.